Der Schwarzbau am Stockemer See ist seit mittlerweile drei Monaten gesperrt. Der Naturschutzbeirat hatte jetzt aber ein Einsehen.
SchwarzbauNiederkasseler Verein baute Rollstuhlsteg ohne Genehmigung ins Naturschutzgebiet
Wir kommen ältere, gehbehinderte Angler an den Stockemer See? Die Lösung, ein mit Rollator und Rollstuhl befahrbarer Steg, begeisterte sogar das NRW-Ministerium für Familie, Kultur und Sport. Es flossen knapp 17.000 Euro Zuschüsse, und der Fischschutz, Naturschutz- und Angelsportverein Niederkassel-Rheidt investierte neben Geld auch etwa 90 Arbeitsstunden. Doch der Steg ist seit Monaten gesperrt: Er ist ein Schwarzbau.
„Das war unser Versäumnis“, gibt sich der Vorsitzende Kristian Reisch zerknirscht. Der Verein habe nach dem Okay der Stadt so viel mit dem Antrag für das Landesprogramm Moderne Sportstätten zu tun gehabt, dass niemand daran dachte, auch die Erlaubnis der Unteren Landschaftsbehörde einzuholen. Der See liegt im Naturschutzgebiet.
Daraus ergeben sich Pflichten für den Verein, der das idyllische Gelände von der Stadt Niederkassel gepachtet hat: Sträucher werden beschnitten, und der Fischbesatz erneuert, auch mit geschützten, nicht fangbaren Arten. Bei der jährlichen Begehung der Kreisbehörde stach dem Kontrolleur das neue Bauwerk direkt ins Auge. „Bei der Nachfrage kamen wir sofort ins Schwitzen“, schildert Reisch.
Lösung zur Güte: Der Verein konnte alle Unterlagen nachträglich einreichen, Verwaltung und Naturschutzbeirat mussten ihr Okay geben. So geschah es jetzt, wenn auch zähneknirschend. Die Angler hatten sonst alles richtig gemacht: Der Steg schwimmt auf Pontons, zwei Schwimmkörpern aus Kunststoff, und ist mit lediglich zwei Erdnägeln am Ufer verankert.
Verein in Niederkassel-Rheidt hat überwiegend ältere Mitglieder
Er besteht aus zwölf Quadratmeter rutschhemmenden Gitterrosten und hat ein Edelstahlgeländer, das ist teilweise abgesenkt, zum Ablegen der Angelruten. Er hat eine Tragkraft von 1,4 Tonnen, die Nutzung ist aber auf vier Personen beschränkt, zwei Rollstuhl- beziehungsweise Rollatorfahrer und zwei Begleitpersonen. Derzeit wäre er indes nicht nutzbar: Der See hat Hochwasser, so extrem wie seit 20 Jahren nicht,
Die meisten der 321 Vereinsmitglieder sind älter als 65, etliche hätten in der Vergangenheit schon gekündigt, da ihnen der Weg zum See auf der abfallenden Wiede zu beschwerlich wurde, schildert Reisch. Während der Corona-Zeit entwickelte ein kleiner Kreis aus dem Vorstand, neben dem Vorsitzenden der erste Geschäftsführer Carlo Grova und der zweite Jugendleiter Eugen Ulrich, die Idee zum Rolli-Steg.
Nach dem Zuschussbescheid war nur ein Jahr Zeit bis zur Realisierung, „sonst hätten wir die Zuschüsse zurückzahlen müssen“, sagt Reisch. Das hätte dem Verein auch aktuell blühen können, wenn die Genehmigung nicht gekommen wäre. „Wir hätten selbstverständlich sofort reagiert und den Steg abgebaut.“
Wie aber kommen jetzt die Nutzer über das abschüssige, mit Gras bewachsene Ufer zum Steg? Der Verein will einen 62 Meter langen Weg aus Schotter und Grauwacke anlegen, eine Spitzkehre mit höchstens fünf Prozent Steigung. Erst dann verschwinden die Ketten und können die ersten Ruten ausgeworfen werden. Das allerdings ist außerhalb der Veranstaltungen nur für aktive Mitglieder erlaubt, die einen Schlüssel zum Gelände haben. Das geschieht in Kürze, diesmal habe man alles richtig gemacht, freut sich Kristian Reisch: „Der Weg ist schon genehmigt.“
Missfallen im Naturschutzbeirat
Unter Missfallen hat der Naturschutzbeirat des Kreises nachträglich einem ohne Genehmigung gebauten, schwimmenden Angelsteg am Stockemer See bei einer Gegenstimme zugestimmt. Der Verein habe nicht geplant, Fakten zu schaffen und eine Genehmigung zu „erzwingen“, erläuterte der Vorsitzende Kristian Reisch in einem Brief ans Kreis-Umweltamt. Als Ausgleich für den Weg sollen zwölf Obstbäume, alte einheimische Sorten, gepflanzt und ein Teil der Wiesen mit regionalem Saatgut in Blühwiesen verwandelt werden.
Die Untere Naturschutzbehörde sah ein überwiegend öffentliches Interesse gegeben und sprach sich für eine Befreiung aus. Beiratsvorsitzender Dr. Norbert Möhlenbruch (Landesjagdverband) bezeichnete es als „schon mutig“, eine solche Anlage einfach in ein Naturschutzgebiet reinzusetzen. Das werde hoffentlich kein Präzedenzfall. Gerd Melchior (BUND) meinte: „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. In diesem Ausnahmefall tragen wir das aber mit!“ Dr. Michael Pacyna (Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt) kritisierte, dass der Angelsportverein alle vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Aber auch seine Vereinskollegin Monika Goldammer signalisierte Zustimmung. Der Beirat solle aber ausdrücklich sein Missfallen ausdrücken. (hrö)