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Hochschule Bonn-Rhein-SiegEin Selbstversuch in der Höhenangst-Simulation

Lesezeit 4 Minuten

Töne, Wind und Gerüche machen die Simulation auf dem Dach des Wolkenkratzers lebendig. Christoph Schulze vom Team erklärt den Aufbau.

Rhein-Sieg-Kreis – Der Blick geht über die Kante des Hochhauses nach unten. Die Planke steht auf dem Dach, über dem 18. Stock, gut 60 Meter geht es steil nach unten bis zur Straße. Die fahrenden Autos und die Fußgänger wirken wie Ameisen.

Das Herz schlägt wie verrückt, die Muskeln spannen sich unangenehm an. Die Hände werden schwitzig. Ein Windzug, die Planke zittert, Vorsicht! Ein mulmiges Gefühl kommt auf, das Ende ist noch nicht erreicht. Fast wie gelähmt geht es immer nur Millimeter nach vorn. Es ist keine Hauskante mehr zu sehen, nur noch der scheinbar endlose Abgrund. Es ist purer Nervenkitzel, oder eben echte Höhenangst, die die Simulation in der virtuellen Realität an der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg (HBRS) auslöst.

Idee stammt aus Bachelorarbeit

Eigentlich basiert der äußerst realistische Aufbau auf der Idee einer Bachelorarbeit des damaligen Informatik-Studenten Alexander Marquardt. Er schreibt derzeit an seiner Doktorarbeit. Heute nennen neben Christoph Schulze und Alexander Steinbach noch zwei weitere Studenten das Projekt ihr eigen. Masterstudent Schulze erklärt den Aufbau: „Das Brett simuliert die Planke, darunter ist ein Kissen verbaut, damit es schwankt und wackelt – hinten befindet sich dann noch ein Vibrationsmotor.“ Der lässt die Planke auch noch im Wind wackeln.

Vor dem Brett stehen drei Türme, von rechts und links kommen die Stadtgeräusche, in der Mitte wird Geruch künstlich erzeugt. Heute „feuchter Boden“, denn es regnet in der virtuellen Welt. Unten aus den Ventilatoren bläst der Wind. Für jemanden mit Höhenangst muss dieses Erlebnis extrem intensiv sein.

Aufbau bereits auf der Gamescom präsentiert

„Gut 70 bis 80 Prozent der Leute bekommen es mit der Angst zu tun“, verrät Professor Ernst Kruijff, der das Projekt mitbegleitet. „Da fangen manchmal selbst die kräftigsten Kerle an zu kreischen“, sagt er und schmunzelt. Diesen Aufbau präsentierte das Team der Hochschule auf der Gamescom, der größten Spielemesse der Welt.

Im Einsatz ist ein solcher Aufbau aber aktuell auch in der Uni-Klinik Köln, zur Therapie von Höhenangst. „Langfristig ist geplant, dass die Ärzte und Therapeuten die Steuerung selbst übernehmen und wir nur noch als technischer Support agieren oder Verbesserungsvorschläge geben und umsetzen“, sagt Christoph Schulze.

Die Simulation auf dem Höhendach ist in der Therapie aber nicht so gefragt wie das Programm zur Behandlung von Agoraphobie. Platzangst ist eine der am meisten verbreiteten Formen der Angststörung in Deutschland. Für diese Behandlung hat das Team der Hochschule Rhein-Sieg eine Simulation einer U-Bahnfahrt entwickelt – für das echte Gefühl mit einer Stange zum Festhalten, die in der virtuellen Welt von der Decke ragt.

„Der Therapeut kann steuern, wie viele Personen in die Bahn einsteigen und wie nah sie dem Probanden kommen“, erklärt Professor Kruijff den Ablauf. „Außerdem haben wir einen Endlostunnel entworfen, in dem auch mal das Licht ausfallen kann“, beschreibt Student Schulze. Das Team kann mit der Software das blanke Horrorszenario für den Patienten real werden lassen: dunkel, enger Raum, viele unbekannte Menschen.

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Das Institut für „visual computing“ arbeitet auch noch an weiteren Projekten wie dem Flugsimulator oder dem Fahrsimulator, „für Bus- oder Lkw-Fahrer, die nach einem Unfall nicht mehr ihren Job ausüben können“, schildert Kruijff den Ursprung dieser Ideen. Es geht immer um situationsbedingte Angst. Der Professor stellt aber auch klar: „Wir sind nur die Techniker, den Therapieaspekt übernehmen die Ärzte.“

Der Aufbau zur Höhenangst ist für die sechsköpfige Gruppe ein richtiger Schlager. Auf allen Studentenmessen und besonders auf der Gamescom, der weltweit größten Spielemesse, kommt die Simulation zum Einsatz. Dort verzeichnet das Virtual-Reality-Szenario den größten Ansturm.

Simulation soll junge Leute für das Studium begeistern

In diesem Jahr wurde die Gamescom, die sonst in Köln stattfindet, allerdings nur digital veranstaltet. „Damit bleibt der Werbeeffekt für uns aus“, stellt Ernst Kruijff fest. Denn die Simulation soll nicht nur für Staunen sorgen, sondern auch junge Leute für ein Studium an der Hochschule begeistern. „Studenten benötigen wir immer“, betont der Professor für die Interaktion zwischen Mensch und Computer.