AboAbonnieren

„Meine Rede ist fast fertig“Almut van Niekerk kandidiert für das Amt des Präses

Lesezeit 5 Minuten

Die Superintendentin des Kirchenkreises an Sieg und Rhein kandidiert Almut van Niekerk für das Amt des Präses der Landeskirche.

Am Montag beginnt die Landessynode, am Donnerstag wird gewählt. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in die kommende Woche?

Almut van Niekerk: Das ist ambivalent: Ich bin gerne hier. Der Nominierungsausschuss für die Präseswahl hat mich aber schon im März angefragt, seither trage ich das mit mir herum. Ich bin froh, wenn es sich nun entscheidet, ob ich hier bleibe oder nicht. Das lange Warten ist nicht so mein Ding. Meine Rede ist fast fertig, ich bin keine „last-minute-Arbeiterin.“

Warum haben Sie sich zur Kandidatur entschlossen?

Ich habe jetzt insgesamt neun Jahre Erfahrung in der Leitung des Kirchenkreises und das Gefühl, dass ich gut vorbereitet bin, um meinen Gestaltungswillen in die Landeskirche einzubringen. Mit der Leitungserfahrung verkörpere ich ein Stück weit Kontinuität, habe aber auch Ideen für Veränderungen und Innovationswillen.

Wo sehen Sie Veränderungsbedarf in der Rheinischen Landeskirche?

Ich finde, die rheinische Kirche sollte sichtbarer, verständlicher und vielfältiger werden. Mir ist es wichtig, dass wir erkennbar evangelisch sind.

Was würden Sie nach einer Wahl zur Präses als erstes in Angriff nehmen wollen?

An den Anfang gehört Teambuilding – und dann ist das weite Feld der besseren Verknüpfung der verschiedenen kirchlichen Ebenen, also Gemeinden, Kirchenkreise und Landeskirche wichtig. Da wuchere ich mit dem Pfund meiner Kommunikationsstärke – und dass für mich alle drei Perspektiven nichts Angelesenes sind, sondern mein vertrautes tägliches Geschäft.

Sie haben bei Ihrem Amtsantritt als Superintendentin 2016 angekündigt, Sie wollten einen „neuen geistlichen Aufbruch wagen“ und „das christliche Profil schärfen“, statt Strukturdebatten zu führen. Ist Ihnen das gelungen?

Ich finde, dass das hier im Kirchenkreis gut gelungen ist. Sie werden gesehen haben, dass wir weiterhin Strukturveränderungen haben, wie die Zusammenschlüsse in Lohmar und Sankt Augustin. Aber die Gemeinden sorgen dafür zu klären wie sie Gemeinde sein können, welche Menschen sie erreichen wollen und wie sie das am besten tun.

Virtuelle Landessynode

Die Evangelische Kirche im Rheinland ist mit 2,45 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte unter den 20 Gliedkirchen in Deutschland. Die 655 Kirchengemeinden liegen zwischen Emmerich und Saarbrücken, zwischen Aachen und Altenkirchen. Sie entsenden Delegierte in die 37 Kreissynoden und weiter in die jährlich tagende Landessynode. Diese entscheidet in der kommenden Woche über die Nachfolge von Manfred Rekowski, der in Ruhestand geht. Neben Almut van Niekerk stehen bei der erstmals rein virtuell stattfindenden Synode zwei Theologen aus Erfurt und Frankfurt/Main zur Wahl. (dk)

Das Geistliche ist also angesichts sinkender Kirchensteuereinnahmen, sinkender Mitgliederzahlen und des oft beklagten Nachwuchsmangels bei den Theologen nicht zu kurz gekommen?

Die Rückgänge belasten, aber das Geistliche kommt überhaupt nicht zu kurz, und es gibt keine permanente Aufregung. Dabei hilft der Finanzausgleich: Gemeinden, die mehr haben, geben denen etwas ab, die weniger haben. Wir haben alle Pfarrstellen gut besetzen können, keine ist vakant. Und auch die demnächst frei werdende Stelle der Schulpfarrerin in Siegburg wird wieder ausgeschrieben.

Auf welche Erfolge schauen Sie gerne zurück?

Wir haben unser Diakonisches Werk und unser Jugendwerk für die Zukunft gut aufgestellt. Im Jugendwerk ist unheimlich viel passiert in der Betreuung von Flüchtlingen, das Bewerberzentrum ist eines der sehr gelungenen Projekte. Das Diakonische Werk sieht sich einer wachsenden Komplexität von Problemlagen gegenüber: Es kommen Menschen mit vielen verschiedenen Problemen, wegen Armut, Sucht und oftmals auch wegen einer sich ankündigenden psychischen Erkrankung. Die Hilfen müssen also verbunden werden. Deshalb wird viel mehr zusammengearbeitet, und das nicht nur innerhalb des Kirchenkreises, sondern auch mit anderen.

Wie sieht das aus?

Vernetzung ist immer hilfreich, warum soll immer jeder seine eigenen Ideen haben? So gab es im März ein Treffen der kommunalen Klimamanager mit Klimabeauftragten, wie sie die meisten Kirchengemeinden haben.

Bei welchen Themen oder Vorhaben wären Sie in den vergangenen Jahren gern noch weiter gekommen ?

Ich hätte gerne beim Thema Kindergärten mehr erreicht. Wir haben ja ein Kita-Referat im Kirchenkreis eingerichtet, um Gemeinden eine Alternative zu bieten. Nun hat uns die Gesetzgebung in NRW einen Strich durch die Rechnung gemacht, weil sie kirchlichen Trägern Steine in den Weg legt. Andere Träger müssen einen weniger hohen Eigenanteil bezahlen, die Kirche zehn Prozent.

Das kann sich bei einer Kita auf 60 000 Euro belaufen – das ist richtig Geld. Dass es da nicht zu besseren Ergebnissen der Verhandlungen gekommen ist und viele Gemeinden überlegen, ob sie sich das bei sinkenden Kirchensteuereinnahmen leisten können, macht mir Sorgen. Dabei finde ich Trägervielfalt richtig wichtig.

„Nicht Gegenentwurf, sondern mittendrin“ sollte Kirche sein, haben Sie einmal gesagt. Ist das – gerade auch in der Pandemiezeit – gelungen?

Den Vorwurf, dass die Kirche abgetaucht sei, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Wo immer es möglich war, sind wir in den Altenheimen präsent gewesen, die Angebote der Seelsorge waren zu jedem Zeitpunkt da. Ich weiß auch von niemandem, der gesagt hätte „bei mir war niemand, als meine Mutter starb“. Ich musste sogar die Pfarrer und Pfarrerinnen an die notwendige Selbstfürsorge erinnern. Wir waren und sind mittendrin.

Brauchten nur ältere Menschen Ihren Beistand?

Nein, es war ein riesiges Arbeitsfeld, Kontakt zu den jungen Leuten zu halten, denen die Schule und alle Freizeiteinrichtungen fehlten. Wir haben versucht, viel anzubieten, auch in der Seelsorge. Angesichts der Aussetzung des Präsenzunterrichts bis Ende Januar ist diese Aufgabe erneut enorm wichtig. Das Diakonische Werk, das Jugendwerk und die Evangelische Erwachsenenbildung hatten und haben keinen einzigen Tag zu.

Wird Corona die Kirche verändern?

Die Kirche ist genötigt, stärker nach außen zu gehen – und das tut ihr sehr gut. Ich hoffe, dass uns einzelne nicht nur digitale Formate erhalten bleiben und neue Normalität werden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie sieht die „evangelische Identität“ aus, von der Sie wiederholt gesprochen haben?

Ich denke, dass viele sich mit Kirche verbunden fühlen, wenn sie wissen, was wir machen. Oft ist das verkürzt auf den einen Pfarrer oder die Pfarrerin, die ganze Fülle kennen viele nicht.

Sie werben dafür, sich „klug zu vernetzen.“ Gelingt das auch mit der katholischen Kirche im Rhein-Sieg-Kreis?

Ja, wir hatten im September 2019 einen sehr schönen gemeinsamen Gottesdienst zum Weltfriedenstag, das hätte ohne Corona 2020 eine schöne Fortsetzung gefunden mit guter Signalwirkung in die Öffentlichkeit hinein. So auch das für dieses Frühjahr geplante „pre-event“ zum ökumenischen Kirchentag.