„Es wird noch schlimmer“Düstere Aussichten für Gastronomen im Rhein-Sieg-Kreis
Rhein-Sieg-Kreis – Die Ferien sind da, die Sonne scheint und die Corona-Einschränkungen in Kneipen und Restaurants sind längst Geschichte: Eigentlich sollte es für die Gastro-Branche im Rhein-Sieg-Kreis eine Zeit des Aufatmens sein. Doch sind es düstere Aussichten, die Gastronomin Christiane Zanfrini in diesen Tagen zeichnet.
Wie ihre Kollegen habe sie gedacht, „dass wir das Schlimmste hinter uns haben.“ Doch nun, sagt die Geschäftsführerin der Siegburger „Latino Lounge“ „wird es noch schlimmer“: Zanfrini sieht sich Personalmangel, explodierenden Energiekosten und rapide steigenden Kosten für Lebensmittel gegenüber.
Explodierende Stromkosten belasten Gastronomen im Rhein-Sieg-Kreis
„Wir finden kein Personal“, berichtet die Chefin des Lokals an der Marktpassage. Aushilfen sucht sie für alle Schichten, besonders schwierig aber sind Festanstellungen für die Küche zu besetzen. Warum das so ist? „Ich glaube, dass die Leute keine Lust mehr haben“, dass die Sorge, bei erneuten Einschränkungen im Herbst keine Arbeit mehr zu haben, sie in sicherere Berufsfelder treibt. Zugleich hat sie den Eindruck, „dass es zu einfach gemacht wird, dass die Leute nicht arbeiten müssen“. Zu leicht sei der Zugang zu Arbeitslosen- oder Kurzarbeitergeld.
Angesichts der rapide steigenden Preise für den Einkauf, „weiß man nicht, wie oft man die Karte neu drucken soll, um das kostendeckend zu machen.“ Dass sie im Februar keine Zeit fand, eine neue Speisekarte aufzulegen, empfindet sie heute fast als Glücksfall: Um 30 Prozent sind seither die Lebensmittelpreise gestiegen, und wenn es nicht die Produkte selbst betrifft, „dann sind es Transport und Logistik“. Hinzu kommen die Energiekosten.
Nach der Pleite ihres Stromlieferanten rutschte sie in die teure Grundversorgung, hatte plötzlich eine monatliche Stromrechnung von 10.000 Euro. Seit März hat sie einen neuen Vertrag, der sie aber immer noch 1500 Euro mehr kostet als zuvor.
Bei manchen Posten auf der Speisekarte müsste sie jetzt eigentlich die Preise um 50 Prozent anheben, sagt Zanfrini. 25 bis 30 Prozent seien das Minimum, „sonst brauche ich morgens gar nicht aufzumachen.“ Für die notwendigen Preiserhöhungen hofft sie auf das Verständnis ihrer Gäste. „Wir waren da immer zurückhaltend“, und schließlich merke ja jeder auch privat, „was gerade passiert“.
Nachzahlungen: „Siegfähre“ in Troisdorf erwartet Knall am Jahresende
„Ganz gut aufgestellt“ sieht sich dagegen Alexander Adscheid beim Personal. „Wir bezahlen ganz gut“, nennt er einen Grund; zudem sei ja der Betrieb der „Siegfähre“ in Troisdorf-Bergheim schon seit Jahrzehnten ein Saisongeschäft. Viele Beschäftigte suchten sich im Winter ohnehin andere Jobs oder reisten in ihre Heimatländer. Aber: „Studentische Aushilfen finden Sie im Moment nicht – es sind keine auf dem Markt.“ Dabei hätten die Interessenten früher Schlange gestanden.
Und so hat der 53-Jährige nicht nur mit Blick auf Corona weniger Tische und Stühle aufgestellt, bewirtet derzeit bis zu 300 Gäste, wo es vor der Pandemie bis zu 400 waren. „Das sind 25 Prozent weniger“, und das bei Einkaufspreisen für Lebensmittel, die, wie zum Beispiel das Fett für die Fritteusen, mit 200 Prozent Aufschlag verkauft werden. Die Pommes selbst sind um 40 Prozent teurer geworden, Salat oder Fleisch im gleichen Maß. Im Mai hat er deshalb die Preise „sehr moderat“ angepasst und hofft nun, „dass wir so durch die Saison kommen.“
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Den „großen Knall“ erwarten Adscheid und Ehefrau Petra am Jahresende: „Es wird eine Nachzahlung kommen“; um die Strompreise hat sich Adscheid mangels Alternativen aber noch gar nicht intensiv gekümmert. „Ich habe vier Kühlhäuser laufen und kann die nicht einfach um ein Grad wärmer einstellen.“
„Kein Thema“ ist Personalmangel für Christian Eggert vom Wirtshaus an Sankt Severin in Ruppichteroth. „Wir haben unser Personal auch während der Coronakrise gehalten. Da musste sich niemand etwas anderes suchen“, berichtet er. Die Sorge um die zum Jahresende drohenden Nachschläge auf die Energiekosten teilt aber auch der Ruppichterother Wirt.
Personalmangel in der Gastronomie: Angestellte sind am Limit
Als eines der „drängendsten Probleme“ bezeichnet Marc Kissinger, Gewerkschaftssekretär bei der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) den Personalmangel in der Gastronomie. Viele Angestellte seien während der coronabedingten Schließungszeiten abgewandert und hätten erkannt, dass es in anderen Branchen auch Geld zu verdienen gebe . Kissinger sieht die Arbeitgeber in der Pflicht: „Die Betriebe müssen gute Rahmenbedingungen schaffen und vor allem mehr Flexibilität bieten, um wieder attraktiver zu werden.“
Für die kommenden Monate zeichnet der Gewerkschafter eine eher düstere Prognose. Die Betriebe müssten dafür sorgen, dass sie nicht noch mehr Angestellte verlieren. „Gerade wird in vielen Läden bei einer Auslastung von 75 Prozent mit der Hälfte des Personals gearbeitet. Die Leute sind fix und fertig.“