Die Kommunen legen ein Urteil zur verpflichtenden Festanstellung an städtischen Musikschulen unterschiedlich aus.
Urteil zu HonorarverträgenNicht alle Musikschulen im Rhein-Sieg-Kreis stellen Lehrkräfte jetzt fest an
Sie haben zumeist Abitur und ein anspruchsvolles Hochschulstudium absolviert. Auf eine feste Anstellung konnten Musikerinnen und Musiker aber bislang kaum hoffen, wenn sie an Musikschulen Unterricht erteilten. Ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 2022 hat das geändert.
Schon 2022 entschied das Gericht, dass Lehrerinnen und Lehrer an Musikschulen fest anzustellen seien, wenn sie beispielsweise fest eingebunden seien in Stunden- und Lehrpläne sowie Organisationsabläufe oder Weisungen der Schulleitung beispielsweise zum Unterrichtsort befolgen müssten.
Festanstellung: Musikschule Herrenberg hatte geklagt
Auf das sogenannte Herrenberg-Urteil – die Richter am Bundessozialgericht hatten gegen die Musikschule in Baden-Württemberg geurteilt – haben Musikschulen der Region bislang unterschiedlich reagiert.
Seit dem 1. Juni sind alle etwa 40 Lehrkräfte der Engelbert-Humperdinck-Musikschule in Siegburg fest angestellt. Damit änderte sich für eine Mehrheit der Beschäftigten nichts, wie Verwaltungssprecher Björn Langer Auskunft gab: Schon zuvor hatten zwei Drittel entsprechende Verträge.
In Siegburg sind 40 Lehrkräfte der Engelbert-Humperdinck-Musikschule fest angestellt
Das verbleibende Drittel der Lehrkräfte habe verhältnismäßig wenige Stunden Unterricht erteilt, teilte Langer unter Berufung auf Musikschulleiter Hans-Peter Herkenhöhner mit. Daher werde es auch keine Erhöhung der Beiträge geben müssen. Zumal die unabhängig von der Neuordnung der Verträge schon zum 1. Januar erhöht worden seien.
In Neunkirchen-Seelscheid hingegen kippte der Gemeinderat in seiner Sitzung Anfang Juli eine Entscheidung aus dem April dieses Jahres. War damals noch beschlossen worden, die Lehrkräfte der Musikschule zumindest befristet für zwei Jahre anzustellen, wird nun weiter an den Honorarverträgen festgehalten.
„Nach ausführlicher Prüfung und Rücksprache mit Nachbarkommunen“, so teilte Gemeindesprecherin Anna Peters auf Anfrage mit, habe die Gemeindeverwaltung ihre Bewertung des sogenannten Herrenberg-Urteils geändert: „Bei entsprechender vertraglicher Gestaltung sind Honorarverträge weiterhin möglich.“ Diese Auffassung teile inzwischen auch das NRW-Kulturministerium.
Das, so habe ein Austausch der Personalamtsleitungen im Rhein-Sieg-Kreis gezeigt, werde an den Musikschulen anderer Kommunen „überwiegend“ so gehandhabt. Die Verwaltung stütze sich dabei auf „allgemein anerkannte vertragliche Regelungen“, die sich als rechtssicher erwiesen hätten.
Im Frühling erst hatten die Mitglieder des Kulturausschusses und des Gemeinderats beschlossen, die Musikschule in alleinige Trägerschaft der Gemeinde zu übernehmen. Der bis dahin als zweiter Träger aktive Musikverein Antoniuskolleg hatte erklärt, die geforderte Festanstellung der Lehrkräfte nicht leisten zu können.
Die Tatsache, dass in der Musikschule künftig „bis auf wenige Ausnahmen“ ausschließlich Honorarkräfte beschäftigt werden, mache die Übernahme erst möglich, sagte Anna Peters. „Denn nur so kann eine zusätzliche Belastung des Haushalts der Gemeinde vermieden werden, welcher bereits jetzt im Haushaltsentwurf für 2025 ein Defizit von 3,91 Millionen ausweist.“
In Troisdorf ist die Entscheidung über Festanstellungen noch nicht gefallen
„Troisdorf prüft noch“, sagte Kulturamtsleiter Rainer Land. „Wir gehören nicht zu den Kommunen, die sagen, wir machen das auf jeden Fall.“ Der Verband der Musikschulen (VDM) empfehle die Festanstellung. Es gebe aber durchaus verschiedene Sichtweisen auf das Urteil des Bundessozialgerichts. Auch an der Musikschule Troisdorf sind überwiegend Honorarkräfte beschäftigt.
Sechs Festangestellten stehen in Troisdorf 44 Honorarkräfte gegenüber. Eine Umwandlung der Verträge mit den Lehrkräften würde, so sagte Rainer Land, „für jede Kommune eine erhebliche Mehrbelastung bedeuten“.
Sankt Augustin hat mehr als 30 neue Verträge abgeschlossen
Das stellt auch Benedikt Bungarten nicht in Abrede, Pressesprecher der Stadt Sankt Augustin. Dort rechnet man pro Jahr mit 260.000 Euro Mehrkosten. Der jährliche städtische Zuschuss sei für 2024 um 120.000 Euro angehoben worden, die Gebühren für die mehr als 1800 Schülerinnen und Schüler wurden um etwa 20 Prozent erhöht. Allerdings, so betont Bungarten, seien diese Anhebungen in Teilen auch durch allgemeine Preissteigerung und Inflation bedingt.
Bislang schon waren zum Beispiel die Fachbereichsleitungen fest angestellt. Mehr als 30 neue Verträge wurden geschlossen, die in Summe acht Vollzeitäquivalenten entsprächen. „Die Lehrkräfte haben in der Regel auch nicht in Vollzeit unterrichtet“, erklärte der Sprecher. Das ergebe angesichts der Nachfrage nach Unterrichtszeiten auch wenig Sinn.
Schon 2023 sei der Prozess der Umstellung begonnen worden; die Stadt hatte nach dem Urteil des Bundessozialgerichts eine rechtliche Einschätzung in Auftrag gegeben. Und die sah auch die Stadt Sankt Augustin in der Pflicht. Aber„wir tun das nicht nur, weil wir verpflichtet sind“, erklärte Bungarten auf Anfrage. „Wir wollten etwas für die Lehrkräfte tun“; diese fest anzustellen sei ein Zeichen der Wertschätzung und Absicherung. Und: „Es hat auch etwas mit Kulturförderung zu tun.“
Stadt Niederkassel sieht keine Veranlassung, Verträge zu ändern
In Niederkassel sieht man auch nach dem Urteil des Bundessozialgerichts keine Veranlassung, die Honorarkräfte der städtischen Musikschule in ein Angestelltenverhältnis zu übernehmen. Die Stadtverwaltung habe den Sachverhalt nach dem Urteil intensiv überprüft, sagt Stadtsprecher Markus Thüren. Allerdings seien die Umstände an der Musikschule im baden-württembergischen Herrenberg, um die es in dem Verfahren gegangen sei, mit der Situation an der Niederkasseler Musikschule nicht vergleichbar.
Rechtlich auf der sicheren Seite sieht sich die Stadt zudem nach einer kürzlich erfolgten Statusfeststellungsuntersuchung durch die Deutsche Rentenversicherung (DRV). „Die DRV hat bei diesen Untersuchungen keinerlei Beanstandungen bezüglich der Beschäftigung von Honorarkräften an der Musikschule Niederkassel gehabt“, schildert der Pressesprecher der Stadt.
Stadt Königswinter prüft Auswirkungen des Urteils noch
„Das Urteil aus dem Sommer 2022 ist bekannt“, teilte eine Sprecherin der Stadt Königswinter auf Anfrage mit. Dessen Auswirkungen würden zurzeit noch geprüft. Das werde noch eine Weile dauern, deshalb könne man über mögliche Konsequenzen oder finanzielle Folgen und etwaige Gebührenerhöhungen noch nichts sagen. Zum Stichtag 1. Juli waren demnach für die Musikschule der Stadt Königswinter 32 Honorarkräfte tätig.
Für die Stadt Bad Honnef arbeiten 17 freiberufliche Musiklehrer
Der Stadt Bad Honnef ist das Urteil bekannt. Die Verwaltung prüfe derzeit die möglichen Auswirkungen auf den Betrieb der städtischen Musikschule. Derzeit seien sechs Festangestellte für die Musikschule tätig. Weitere 17 freiberufliche Musiklehrer würden im Rahmen von Honorarvereinbarungen in ganz unterschiedlichem Umfang für den Musikschulunterricht eingesetzt. Dazu zählten freiberufliche Musiklehrer, die zum Teil nur wenige Stunden im Monat für ein spezielles Instrument beziehungsweise eine kleine Zahl an Musikschülern unterrichten.
Derartige Tätigkeiten ließen sich wirtschaftlich sinnvoll nicht in ein Festangestelltenverhältnis überführen, so die Verwaltung. Ziel der Stadt Bad Honnef sei es, für alle Fallgruppen eine tragfähige Lösung zu finden und im Interesse der Lehrenden und Lernenden eine Reduzierung des Angebots an Instrumentalunterricht zu vermeiden. Die finanziellen Auswirkungen des Urteils seien im Moment nicht absehbar und Prognosen für die Entwicklung der Musikschulgebühren nicht möglich. Gleichwohl werde es im kommenden Jahr eine turnusmäßige Anpassung der Musikschulgebühren geben.