„Mein Mann war vom Feuer eingekesselt“So erlebten Anwohner den Großbrand in Siegburg
Siegburg – „Ich habe den Feuerwehrmann gefragt, wo es brennt“, erinnert sich Gertraud Ludmann. „Überall“ ist die Antwort des Helfers – kein Wunder angesichts des Ausmaßes am Dienstagnachmittag: Was als Böschungsbrand an der ICE-Trasse zwischen Siegburg und Troisdorf begonnen hatte, dürfte das verheerendste Feuer in der Nachkriegsgeschichte der Stadt gewesen sein und das wohl größte im Rhein-Sieg-Kreis in den vergangenen 25 Jahren.
Rund 500 Einsatzkräfte bekämpften die Flammen, aus einem kleinen Böschungsbrand entwickelte sich eine wahre Feuersbrunst.
Kleines Feuer wurde schnell zur Gefahr
Jörg Grabowski, der einen Betrieb zur Autoreinigung und -pflege betreibt, hatte das kleine Feuer entdeckt. „Das war nicht viel“, sagte er. Dann sei ein ICE vorbeigefahren, durch den Funkenflug habe das Feuer auf die andere Böschungsseite übergegriffen.
Die Bahn warnte vor voreiligen Schlüssen. Man könne „keine abschließende Aussage“ zu der Ursache machen, betonte ein Sprecher am Dienstag. Die Polizei betont, dass die Brandursache derzeit noch unklar sei.
Grabowski schnappte sich einen Gartenschlauch und löschte. „Da waren 60 Sekunden Adrenalin pur und dann funktionierst du nur noch“, erinnerte er sich.
Die Besitzer der in Flammen aufgegangenen Häuser kennt er alle. Torsten Becker war einer der ersten Feuerwehrleute vor Ort. Er rannte sofort zu den Häusern und holte die Menschen heraus. Vor allem aber forderte er weiter Löscheinheiten an, weil nach wenigen Minuten klar war, dass hier weitere Kräfte erforderlich waren.
Christian Losenski wohnt ebenfalls am Hohlweg. Mit Nachbarn kümmerte er sich um eine ältere Dame, die mit einem Rollator draußen stand. Plötzlich rannte er in seinen Garten, von der Böschung zogen die Flammen wieder hoch. Baumwipfel fingen Feuer, ihm blieb nur noch der Rückzug.
Rettungskräfte holen Anwohner aus Häusern
Aus dem Wohnzimmerfenster sah Gertrud Ludmann Rauch und Asche aufsteigen, „die zogen schon durch die Straßen“. Doch erst der Blick um die Ecke in den Garten machte ihr den Ernst der Lage bewusst. „Da stand das Fahrrad schon in Flammen.“ Rauch und Funkenflug hatte auch eine Nachbarin wohl schon gesehen. „Aber wo sollte ich denn hin“, erzählt eine Seniorin, warum sie erst mit Helfern des Ordnungsamts ihr Haus verlassen hat.
Weit über 100 Anwohner des Stadtteils Brückberg haben die Helfer vom Deutschen Roten Kreuz allein in der Adolf-Kolping-Grundschule registriert. „Aus den Straßen Trerichsweiher und Rosenweg in der Nähe des Brandherdes haben wir die Menschen aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen“, berichtet Christiane Pipke, die Leiterin des Siegburger Ordnungsamts. Alle Kollegen aus dem Amt, aber auch Mitarbeiter aus dem Bauhof haben an Haustüren geläutet. „Hier gibt es etwas zu trinken“, so Pipke, die Menschen sollten aus dem Rauch und vom Feuer weg gebracht werden.
„Nicht noch einmal“
Bange Erwartung steht in den Gesichtern der Menschen, die sich im schattigen Hof versammelt haben. „Nicht noch einmal“, stöhnt auf dem Gehweg eine Frau: Vor Jahren ist ihr Haus am Hohlweg schon einmal in Flammen aufgegangen. „Wir wissen nix“, erzählt Simone Wöhl, die am Rosenweg zu Hause ist. „Außer, dass die Böschung gebrannt hat und das Feuer dann auf die Häuser übergegriffen hat“.
Asche und Funkenflug haben die Wöhls auch gesehen, haben im Garten schon nach dem Wasserschlauch gegriffen und alles gewässert. Mit Schwiegermutter und Schwägerin, Hund Lucy und der kleinen Enkeltochter hat Simone Wöhl schließlich ihr Haus verlassen. Vom Hohlweg, „da wo es brennt“, haben die Helfer Armin Getto weggeschickt. Der hatte schon nicht mehr ins Haus gedurft, „die Nachbarn hatten schon mit eigenen Schläuchen gewässert“.
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Aus der Warn-App NINA hatte Peter Preitz die Info, warum er von der Autobahn 560 erst gar nicht auf die Umgehung fahren durfte. „Den Anweisungen wollte ich folgen“, doch kam er gar nicht bis zu seinem Haus am Hohlweg. Immerhin weiß der 44-Jährige die Familie in Sicherheit: „Die sind im Schwimmbad“, und auch bei der Schwiegermutter ist alles in Ordnung: Weit genug vom Brandort liegt deren Haus.
Mit dem Rasensprenger gegen das Feuer
In der Roonstraße stehen Familie Kneutgen und Familie Melcher im Garten, hatten den Rasensprenger angestellt. „Das ist alles, was wir tun können, für Nässe sorgen“, sagen sie, die gut 300 Meter vom eigentlichen Geschehen entfernt sind.
Am Trerichsweiher stehen Lisa Reinhard und David Kehding vor der Tür. Sie helfen zwei älteren Frauen, die ihnen aus Richtung der Rauchschwaden entgegenkommen. Die jungen Leute setzen die beiden erstmal bei sich in den Schatten und geleiten sie dann zu einem der Rettungswagen.
Lisas Vater Ralf Reinhard, der in der Pflegerischen Leitung der Notfallambulanz der Kinderklinik Sankt Augustin arbeitet, ruft dort sofort an, will wissen, ob kleine Patienten aus dem Brandgebiet eingeliefert wurden und er helfen kommen solle. Doch es sei nicht nötig gewesen, sagte er.
Udo Gelbe zeigt sich im Hof der Grundschule ruhig: „Ich hatte unseren Sohn vom Kindergarten abgeholt“, den massiven Rauch meldete der Polizist umgehend an die Feuerwehr, bevor er die Familie mit dem Auto in Sicherheit brachte.
Schwestern trifft es besonders hart
„Wir haben die Flammen gesehen. Das ging alles sehr schnell“, sagt Lydia Bergen, die mit ihren beiden Schwestern Frida und Lisa Tür an Türe wohnt und die es besonders hart getroffen hat. Alle drei Häuser sind stark beschädigt, beim Doppelhaus der komplette Dachstuhl und das Obergeschoss ein Raub der Flammen geworden. „Vor dem Haus sind die Flammen schon fast über meinen Kopf geschlagen. Mein Mann war lange nicht da. Er war vom Feuer eingekesselt und hat versucht, zu löschen. Er hat Probleme mit den Atemwegen.“
Sie habe gerade noch die Feuerwehr und die Nachbarn alarmiert. Frida Bergen hat den Brand erst gar nicht als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen. Sie habe das Mittagessen gekocht und gerade den Tisch abgeräumt, als sie die Rauchentwicklung bemerkt habe. „Das war aber noch recht weit weg.“ Wenige Minuten später sei das Feuer aber schon ganz nah gewesen. „Ich habe es an meinen Füßen gespürt. Wir sind nur noch weggerannt.“
Die beiden Schwestern haben die Stunden nach dem Feuer in der Adolph-Kolping-Schule ein paar Meter vom Unglücksort entfernt verbracht, wurden dort vom Deutschen Roten Kreuz betreut. Seit 20 Jahren wohnen sie Im Urnenfeld am Bahndamm, haben zu dritt hier gebaut. „Wir haben das alles noch nicht richtig registriert. Der Schock wird erst noch kommen.“ Man werde das gemeinsam schon schaffen“, sagt Lydia. „Wir sind gesund. Es ist keiner verletzt. Wir haben überlebt.“ Das sei das Wichtigste.