Heimreise ungewissSiegburger arbeitet für Freiwilligenorganisation in Ecuador
Siegburg – Sie sitzen auf gepackten Koffern, wartend darauf, dass sie ihre Wohnung verlassen können, um zurück nach Deutschland zu fliegen. Auch viele Freiwillige, die sich aufgemacht haben, um sich sozial zu engagieren und ein Gastland kennenzulernen, wissen aufgrund der Coronapandemie nicht, wie es weitergeht.
Der Siegburger Enrique Morales Sturz arbeitet für die Freiwilligenorganisation „Ecuador Connection“ in dem südamerikanischen Land. Auch er muss eigentlich zurück – einen Flug zu bekommen ist derzeit jedoch beinahe unmöglich.
532 Menschen in Ecuador mit Coronavirus infiziert
Sturz arbeitet in einer Tagesstätte für Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung. Der 20-Jährige lebt mit drei anderen Freiwilligen aus Baden-Württemberg und Berlin in einer WG im Norden Quitos, der Hauptstadt des Andenstaates. Die Familie seines Vaters kommt aus Ecuador, er ist bereits zum vierten Mal dort und spricht fließend Spanisch.
Auch in Ecuador ist das Coronavirus inzwischen angekommen. 532 Menschen sind infiziert, seit einer Woche gilt eine landesweite Ausgangssperre. Einreisende müssen sich zwei Wochen lang in Quarantäne begeben. Einkaufszentren haben geschlossen, der Nah- und Überlandverkehr, der in Ecuador mit Bussen abgewickelt wird, steht still.
Die Situation ähnelt dem landesweiten Streik im Oktober, als ebenfalls eine mehrtägige Ausgangssperre verhängt worden war. „Ganz so extrem ist es aber nicht, damals durfte man überhaupt nicht raus, jetzt immerhin noch zum Einkaufen und um zum Arzt zu gehen. Aber dennoch dürfen wir unsere Wohnung nicht verlassen, Polizei und Militär kontrollieren Passanten“, sagt Sturz. Auch für Sturz und die anderen Freiwilligen änderte sich die Situation innerhalb kürzester Zeit: „In der vergangenen Woche wurden in Quito die Schulen und auch unsere Einrichtung geschlossen, einen Tag später auch die im ganzen Land. Seit vorigem Dienstag dürfen wir das Haus nicht mehr verlassen.“
Flüge kosten teilweise über 4000 Euro
Tage danach kam die Information von „Weltwärts“, dem Dachverband von „Ecuador Connection“ (siehe „Die Organisation“), dass alle Freiwilligen zurückgeholt werden – weltweit. Für die vier eine Enttäuschung ohnegleichen. „Die Mädels haben natürlich geheult, ich wäre auch gern noch geblieben“, sagt Sturz. „Anfangs war es ziemlich chaotisch, wir waren nur am Telefonieren, es war ein ständiges Hin und Her. Wir haben versucht, Flüge zu buchen, aber teilweise verlangen die Airlines richtige Wucherpreise von mehr als 4000 Euro.“
Die Organisation „Weltwärts“ untersteht dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. In Rücksprache mit dem Auswärtigen Amt habe man entschieden, alle Freiwilligen weltweit nach Deutschland zurückzuschicken, sagt Sprecherin Adelheid Schultze.
Das ist eine Mammutaufgabe: Insgesamt engagieren sich 3124 junge Menschen sozial, verteilt auf 57 Länder. „Grundlage dieser Entscheidung ist die Abwägung der Risiken für die Freiwilligen, da sich die Gesundheits-, Sicherheits- und Versorgungssituation in vielen Einsatzländern verschärfen wird.“ Es handele sich dabei nicht um eine Evakuierung, sondern um eine vorausschauende Rückreise-Aufforderung.
Sicherheit geht vor Schnelligkeit
„Auch wenn die Verbreitung des Coronavirus in den meisten Einsatzländern noch nicht den gleichen Verlauf wie in Deutschland genommen hat, gibt es keinen Grund, davon auszugehen, dass die Entwicklung dort wesentlich anders als in Europa verlaufen wird“, sagt Schultze. Das Wirtschaftsministerium stehe über „Weltwärts“ in engem Kontakt mit den deutschen Botschaften und den Trägerorganisationen.
„Die Freiwilligen planen ihre Heimreise in Abstimmung mit den Entsende-Organisationen. Sicherheit geht aber vor Schnelligkeit.“ Wo die Mobilität von behördlicher Seite eingeschränkt werde oder zu gefährlich sei, sei eine Rückreise aktuell nicht möglich – die Freiwilligen blieben vorerst, wo sie seien. Wem sich die Möglichkeit biete, der müsse jedoch nach Hause, stellt Schultze klar.
Sturz und seine Mitbewohnerinnen jedoch warten seit Tagen in ihrer Wohnung auf Informationen. „Es kann sein, dass wir in einer Stunde los müssen, vielleicht aber auch erst nächste Woche oder in einem Monat. Momentan haben erst einmal die Leute Priorität, die sowieso in einigen Wochen nach Hause geflogen wären“, sagt Sturz. „Wir bekommen aber mehrmals täglich Mails von der deutschen Botschaft, dass wir uns keine Sorgen machen sollen und dass man uns bald hier rausholen werde.“
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Hoffnung, dass sie die Krise in Ecuador aussitzen können, haben sie nicht. „Die meinen das schon ernst. Im ganzen Land gibt es nur 15 Krankenhäuser, die Coronapatienten versorgen können. Und das bei 17 Millionen Einwohnern im Land, dazu die ganzen Touristen.“
Auf eigene Faust im Land bleiben können die jungen Freiwilligen ebenfalls nicht. „Dann müssten wir laut Vertrag die Mittel, die für uns bezahlt wurden, erstatten. Und das wären mehrere Tausend Euro“, schildert Sturz. Die Entscheidung steht also. Aber der Siegburger gesteht: „Wenn wir wirklich lange in Quarantäne bleiben müssen, bin ich lieber bei meiner Familie.“