Ein großes Herz mit Platz für alleJupp Sauerwald und seine „Knackis“
Siegburg – Es gibt sie, diese Menschen, denen man am liebsten sofort sein Herz ausschütten würde. Jupp Sauerwald (75) ist so einer. Er strahlt etwas aus, eine Mischung aus väterlichem Freund und Respektsperson. Ein wenig Weihnachtsmann ist auch dabei. Jupp Sauerwald ist immer zur Stelle, wenn jemand Hilfe braucht, egal ob bei der Nachbarin ein Rohr verstopft ist oder der Landwirt um die Ecke jemanden braucht, der ihm beim Verkauf der Kartoffeln hilft.
Sauerwalds riesiger Garten in Pulheim-Sinnersdorf (Rhein-Erft-Kreis) gleicht einem Kinderspielplatz, hier ist jeder herzlich willkommen. Aber ein großer Teil seiner Zeit gehört seit 51 Jahren den Inhaftierten der Justizvollzugsanstalt in Siegburg. Auf sie scheint sich seine Aura besonders positiv auszuwirken.
Zuhören und Ratschläge geben
„Ich war früher politisch sehr aktiv und gewerkschaftlich engagiert“, erzählt Sauerwald „op kölsch“. „Da muss man was machen, dachte ich damals, und den Jungs irgendwie helfen, wieder auf den richtigen Weg zu kommen.“
Schnell waren zwölf Ehrenamtler zusammen, die mehrmals wöchentlich die jungen „Knackis“ in der JVA Siegburg, damals noch ein Jugendvollzug, besuchten. „Viele Insassen kamen aus kaputten Familien“, erinnert sich der gelernte Installateur und heutige Ruheständler Sauerwald. „Sie kannten es gar nicht, dass ihnen mal jemand zuhört und mit Ratschlägen hilft.“ Das macht Jupp Sauerwald nun seit einem halben Jahrhundert. Und für ihn macht es keinen Unterschied, ob er einen Dieb, einen Betrüger, einen Drogendealer oder einen Mörder vor sich sitzen hat. „Es gab Hilferufe von Leuten, die jemanden umgebracht hatten und im Knast niemanden zum Reden fanden“, sagt er. „Ich rede mit ihnen auch Tacheles, aber von Mensch zu Mensch.“
Legendär waren die sogenannten „strukturierten Wochenenden“ im Sauerland, um die Inhaftierten auf ein Leben in der Freiheit vorzubereiten. „Dabei ist mir einer mal flitzen gegangen“, erinnert sich Jupp Sauerwald. Später habe den Mann wohl das schlechte Gewissen geplagt, er kam zurück und entschuldigte sich.
„Der liebe Gott hat Sie geschickt“
Die offene Art des Sinnersdorfers, verbunden mit seiner positiven Grundeinstellung und ganz viel „kölschem Hätz“, öffneten immer wieder die Herzen der Straftäter. „,Gewalt ist keine Lösung’, sage ich immer zu ihnen“, erklärt er. „Versuche, dich zu beherrschen, denk dir deinen Teil und geh weg.“ Viele der Straftäter hätten es nach der Entlassung aus der Haft draußen dann auch gepackt und seien nicht mehr rückfällig geworden.
„Jupp, ich hab an dich gedacht“, das habe er oft von ihnen gehört. Er zeigt einen Brief der Seelsorgerin der JVA Siegburg, Angelika Knaak-Sareyko. Sie schrieb: „Jupp, Sie sind ein Engel. Der liebe Gott hat Sie geschickt.“
Dann erzählt er bewegt, dass einige seiner Schützlinge nach ihrer Entlassung zu Freunden geworden seien. „Ja, besonders einer. Er sagt immer: ,Du hast so viel für mich getan.’ Er ist jetzt auf dem richtigen Weg, hat einen Job und geheiratet. Zu Weihnachten schickt er meiner Frau Gudrun jedes Jahr einen riesigen Blumenstrauß.“
Einladung ins Schloss Bellevue
Genauso freute Sauerwald sich vor fünf Jahren über die Einladung des Bundespräsidenten zu einem Bürgerfest für Menschen, die sich um das Gemeinwohl verdient gemacht hatten. „Das war schon toll damals bei Joachim Gauck im Schloss Bellevue“, erzählt er. „Aber die meiste Zeit habe ich mich mit dem Sänger Frank Zander unterhalten. Er lädt jedes Jahr Obdachlose zum Weihnachtsessen ein.“
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Zum vergangenen Weihnachtsfest hatte Sauerwald mit seinen Enkeln und Urenkeln Päckchen für seine Schützlinge in der JVA Siegburg gepackt. „Klar haben sie Straftaten begangen und sitzen zu Recht im Knast“, resümiert er. Die Familien wendeten sich ab, „weggesperrt und vergessen“ kämen sich viele der Straftäter vor.
Jupp Sauerwald beurteilt das nicht. Sein Lebensmotto gilt unerschütterlich für alle, ob im Knast oder draußen: „Mensch sein heißt, Menschen zu helfen.“