Siegburg – Vorsitzender Hans Hüngsberg hatte sich anstecken lassen von Cape Canaveral oder Baikonur. Für ihn war der Start der 3000 Plastikteilnehmer zum 10. Siegburger Entenrennen genauso bedeutend wie die in Florida und Kasachstan beginnenden Weltraumflüge. Klar werden da andere Strecken zurückgelegt als die gut drei Kilometer mitten durch Siegburg im Mühlengraben. Bezüglich des Countdowns war der Startvorgang an der Ilse-Hollweg-Brücke indes vergleichbar mit den Weltraumreisen, hinsichtlich der Teilnehmerzahl hatte Siegburg die Nase klar vorn.
Seit zehn Jahren gibt es das Rennen zugunsten der Jugendbehindertenhilfe (JBH) Siegburg Rhein-Sieg. Jedes Mal mit 3000 Renn-Enten, die am Bauch, den Blicken der Schaulustigen entzogen, ihre Startnummer tragen. Die ist wichtig und quasi das drei Euro teure Los, mit der die Paten die Chance auf einen der 200 Preise im Gesamtwert von diesmal 12 000 Euro erwerben konnten.
Bevor die Prominenz aus Politik, Sponsoren und JBH-Vorstand die gelben Wassersportler aus sechs großen Kübeln in die Fluten entließen, erklärte Bürgermeister Franz Huhn den vielen Zaungästen und Enten-Paten, warum ihr Einsatz „gut angelegtes Geld“ sei. Es fördere die Integration von Menschen mit Handicap. Das bereite beiden Seiten Freude, Menschen mit wie Menschen ohne Handicap, so Huhn.
DLRG rettete die Verirrten
Das Gewässer
Im zwölften Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wurde der Mühlengraben, der am Siegwehr den Fluss verlässt und knapp fünf Kilometer weiter, rund 400 Meter östlich der Aggermündung, in die Sieg zurückfindet. Fünf Mühlen wurden mit dem Wasser betrieben, etwa zur Herstellung von Mehl, Tuch oder Papier. Im 15. Jahrhundert war der Mühlengraben Transportweg für Kähne. Annähernd 400 Jahre lang gab es echte „Möllejraven“-Kapitäne, die Material und Waren für den Kölner Markt lieferten. Später gab es sogar eine Badeanstalt oberhalb des Siegwerks.
Heute steht der Kanal unter Denkmalschutz. Von den fünf Mühlen blieb nur die Mahlmühle erhalten. Sie ist heute ein Wohnhaus,ein Mühlrad erinnert an die Vergangenheit. (loi)
Bis zum Wehr bei Bertrams Mühle blieb das Feld dicht zusammen, nutzte die Fließgeschwindigkeit und war den Paddlern vom Kanuclub Siegburg eine unaufdringliche Begleitung. Dann wirbelte die Wasserwalze des Wehrs den gelben Knubbel durcheinander und schleuderte manche Entchen in die Uferbepflanzung oder stehende Wirbel, was sie am Weiterkommen hinderte. Jetzt kam, wie später am Ziel, wo die Renn-Enten eingefangen werden mussten, der große Auftritt der Strömungsretter der DLRG. Sie befreiten die zur Wettkampfpause Verdonnerten aus ihrer misslichen Lage. Alles unter der Aufsicht von DLRG-Einsatzleiter Rene Bobrich. Der sah keinen Unterschied zwischen dem Rennen und lebensrettenden Einsätzen: „Das ist eine Veranstaltung wie jede andere und wird sehr ernst genommen.“
Beim Ziel am Obi-Parkplatz waren zwischenzeitlich die Paten und viele Zuschauer eingetroffen. Karussell, Bungee-Trampolin und ein Asphalt-Entenrennen boten den Pänz Kurzweil, bis 50 Minuten nach dem Start die ersten Enten eintrafen. Den orangefarbenen Schnabel vorn hatte die Nummer 553. Kaum war diese verkündet, stand Beate Schlüter mit Siegerlos an der Gewinnausgabe und nahm strahlend von Organisator Jörg-Peter Schlieder den 1. Preis entgegen: Ein Einjahres-Abo für Tai Chi und Qi Gong „All you can train“, was etwa „Soviel wie du trainieren kannst“ heißen soll.
Schlieder strahlte nicht minder. „Ich freue mich, wie toll alle mitziehen.“ Damit meinte er auch die 44 Sponsoren, die unterstützenden Vereine und Organisationen wie DLRG, DRK, Jugendfeuerwehr, Kanuclub und Ehrengarde. Seit vielen Monaten bereitete das Team um Schlieder das Ereignis vor. Doch der war in Gedanken bereits im kommenden Monat Juli, wenn die Planungen fürs nächste Jahr beginnen. Dafür bemühte Schlieder Sepp Herberger: „Nach dem Entenrennen ist vor dem Entenrennen.“