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Katholische LaienFranz Meurer ruft Gläubige im Kreis zu selbstbewusstem Auftreten auf

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Erfahrungen mit Armut waren ein Thema Franz Meurers.

Siegburg – Einen wohlig-weichen rheinischen Tonfall können beide anschlagen, der Siegburger Pastor Karl-Heinz Wahlen ebenso wie „Sozialpfarrer“ Franz Meurer. Das änderte aber nichts daran, dass Meurer auf Einladung der Gemeinde St. Servatius zu einem ernsten Thema in die Annokirche gekommen war: „Was ist mit der Kirche los?“

Darum sollte es, moderiert von Wahlen, in Vortrag und Diskussion gehen, und Meurer nahm kein Blatt vor den Mund. „Religion ist hochgefährlich, sie kann Menschen kirre machen“, warnte er. Dabei müsse sie doch „den Menschen helfen, bei sich selbst anzukommen“.

Mit Bezug zu den Missbrauchsfällen katholischer Geistlicher sagte er: „Wenn ich gewusst hätte, was es alles gibt, hätte der Herr mich vor 44 Jahren nicht berufen können.“ Das Thema Missbrauch – Meurer zieht den Begriff sexuelle Gewalt vor – trieb viele der mehr als 100 Zuhörerinnen und Zuhörer, die immer wieder darauf zu sprechen kamen.

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Wahlen zeigte sich nach eigenem Bekunden „entsetzt“ von den Fällen, wie auch von der fehlenden Empathie für die Opfer. „Missbrauch von Kindern und Behinderten ist das Schlimmste, was es gibt“, sagte ein Diskussionsteilnehmer, für die Verfolgung müsse die Justiz statt der Kirche zuständig sein.

Was die Gemeindearbeit angeht, kam Meurer immer wieder auf seine Erfahrungen zurück, mit vielen Beispielen aus der Arbeit für und mit armen Gemeindemitgliedern in den Kölner Ortsteilen Höhenberg und Vingst. Diese dürfe man nicht aus dem Blick verlieren: Bei einem Gemeindefest müsse alles kostenlos sein, sonst schließe man „die liebsten Freunde Jesu“ aus.

Viel brauche es dazu nicht, auch auf Hochzeiten und Taufen dürften es schon einmal Frikadellen aus dem Discounter und Sekt aus dem preiswerten Piccolofläschchen sein – aber auf jeden Fall Süßigkeiten für die Kinder.

Immer wieder appellierte er an das Selbstbewusstsein der Laien, vor allem der Älteren: Diese hätten Zeit, Geld und Erfahrung, und wenn sie eines gut könnten, dann sei es, Netzwerke zu schaffen. Demokratie dürfe dabei nicht nur zur Papstwahl stattfinden, sondern gehöre an den Anfang. „Bei mir entscheidet alles der Gemeinderat. Ich bin doch nicht blöd.“

In der Arbeit vor Ort solle man sich nicht fremdbestimmen lassen, der „Pastorale Weg“ zur Neuausrichtung des Gemeindelebens dürfe niemandem Angst machen, so wie es ein Zuhörer angesichts der Bildung von Großgemeinden geäußert hatte. „Die Leute sollen stolz darauf sein, was sie machen.“

Meurer sieht eine besondere Rolle für Frauen

Eine besondere Rolle misst Meurer dabei den Frauen zu. „Wenn wir die nicht an allem beteiligen, werden wir eine kleine, kleine Sekte.“ Daher habe er auch Probleme in Kauf genommen, nachdem in seiner Gemeinde eine Frau die Predigt übernommen hatte.

Elegant baute Meurer Gedanken von Thomas von Aquin, Habermas oder Romanautor William Golding („Herr der Fliegen“) in seine Beiträge ein. Gegen Ende des Abends hob er noch einmal den sozialen Gedanken hervor. „Warum konnten die Christen im Römischen Reich so schnell Fuß fassen?“, fragte er und lieferte die Antwort gleich hinterher. „Sie kümmerten sich um die Armen, das war damals völlig ungewöhnlich.“

Wahlen verabschiedete sich herzlich von dem Kollegen, der die Teilnehmer zwei Stunden lang gefesselt, inspiriert, ermutigt und durchaus auch zum Lachen gebracht hatte. Und was dem Siegburger Pastor besonders wichtig war: „Wir haben einander gehört.“