Sanfter Grusel im DunkelnNachtwächtertour führt durch Siegburger Stadtgeschichte
Siegburg – Der sommerliche Freitagabend auf dem von Kneipen-, Eiscafé- und Restaurantgästen gesäumten Siegburger Marktplatz entsprach eher nicht den Arbeitsbedingungen des mittelalterlichen Nachtwächters. Denn es habe zu dessen Zeit weder Straßenbeleuchtung noch Remmidemmi an gewöhnlichen Werktagen gegeben, erläuterte Walter Siebold.
Der Diplomhistoriker stand am Freitag mit Leinenhemd und Krempenhut bekleidet sowie mit Fackel ausgestattet an der Siegessäule am Oberen Markt.
Testlauf fürs Programm
Dort mimte er den Nachtwächter und schrie sein „Hört, ihr Leut, und lasst euch sagen, unsere Uhr hat Neun geschlagen“ in die Nacht. Er wusste, dass sein Ruf im Gewimmel nur bis zu seiner kleinen Gästegefolgschaft und Partner Theobald Schneider vordringen konnte, der ebenfalls als mittelalterlicher Stadtbeschützer auszumachen war.
Nach kurzer Begrüßung zog das Trüppchen von dannen, durch die Kirchgasse hin zu St. Servatius, wo sich ein sanfter Geräuschpegel moderat kontrastierend zum historischen Thema gesellte. Die zweistündige „Nachtwächterfackeltour“ durch den abendlichen Siegburger Stadtkern war ein Probelauf der Rheinland-Eventagentur.
Diese strebe an, so Siebold, künftig regelmäßig Erlebnisrunden durch die Innenstadt anzubieten. Dann werde Einheimischen wie Touristen die Siegburger Geschichte aus dem Blickwinkel eines Standes erklärt, der damals - wie der des Henkers oder Abdeckers zu den „unehrlichen Berufen“ gehörte und alles andere als gemütlich war, wie der in Wittenberg geborene Historiker berichtete: „Anstrengend, saugefährlich, schlecht bezahlt.“
Nachtwächter auch in Bonn und Köln unterwegs
Dafür hat sich die Tätigkeit in der Siegstadt, wo in der Regel Nachtwächter in fünf Stadtbezirken unterwegs waren, vom 12. Jahrhundert bis 1899, als die Straßenbeleuchtung eingeführt wurde und die Aufgabe an die Polizei überging, lange gehalten. „Die Franzosen hatten sie von 1800 bis 1814 abgeschafft, die Preußen dann aber wieder eingeführt“, berichtete der seit vielen Jahren in Siegburg lebende Siebold. Der hatte sich mit dem Troisdorfer Theobald Schneider, mit dem er im gleichen Genre in Bonn und Köln unterwegs ist, ein halbes Jahr lang der Stadt- und Nachtwächtergeschichte gewidmet und die Tour erarbeitet.
Das könnte Sie auch interessieren:
Heraus kam ein informativer, zweistündiger Abriss im Zeitraffer, der die Hexenverfolgung ebenso streifte wie das Wirken Humperdincks und des heiligen Anno sowie die Geschichte des Mühlengrabens und des Zeughauses. Dabei verstand sich das Duo auf eine kurzweilige Mischung aus Fakten und Überlieferungen sowie Berichte über Sitten, Gebräuche und Gruseliges.
Etwa wenn Siebold von der Zeit erzählte, als die Toten, anstatt in Särgen, in Tüchern eingewickelt beigesetzt und auch nicht allzu tief eingegraben wurden. Da habe sich, so sei unter Nachtwächtern weitergegeben worden, beim Gang über den Friedhof rund um St. Servatius häufiger eine Hand aus dem Erdboden gestreckt.