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50 Jahre Volkshochschule Rhein-SiegSeit einem halben Jahrhundert am Puls der Zeit

Lesezeit 5 Minuten
Ein Mann und eine Frau hinter einem Tisch voller Broschüren

50 Jahre VHS, 100 Programmhefte, Leiter Holger Hansen und Jenny Kowalczyk, zuständig für Digitale Bildung und Kommunikation

Vor 50 Jahren nahm die Volkshochschule Rhein-Sieg den Betrieb auf. Ihre Programmhefte sind Zeitzeugen.

Den Gürtel enger schnallen sollte die Volkshochschule 1983, doch das wollte man sich nicht so einfach gefallen lassen: Auf dem Programmheft zum ersten Semester prangte ein VHS-Hörer, dem besagter Gürtel Kopf und Gehirn einschnürte. Doch die Karikatur zu einer Mittelkürzung durfte so nicht erscheinen: Das Heft wurde ohne Einband unters Volk gebracht.

100 Programme der Volkshochschule Rhein-Sieg erschienen seit 1974

Anlässlich des 50-jährigen VHS-Bestehens haben Leiter Holger Hansen und Jenny Kowalczyk, zuständig für Digitale Bildung und Kommunikation, die 100 Programmhefte gesichtet, die mittlerweile erschienen sind.

Ganz nüchtern, sachlich und in Tabellenform für die Kurse fing alles an. In schicken schwarz-weißen Streifen schwang sich das VHS-Logo über den Titel, „Freu Dich auf Kaufhof Siegburg – Parken und Einkaufen mitten in der Stadt“ warb die Anzeige auf der Rückseite. Das Bildungshaus sollte das Warenhaus überleben, wie man heute weiß.

Für eine D-Mark gab es etwa einen Vortrag zu japanischer Baukunst im Restaurant der Stadthalle, kostenlos war eine Veranstaltung zu „Festzügen und Festwagen – Gespräche, Vorschläge und Hinweise zur Gestaltung von Rosenmontagswagen.“ Natürlich waren Sprachen im Angebot, Kurse zu Buchhaltung und Finanzen, Koch- und Schwimmkurse und vieles mehr.

„Können Sie eine Diskette formatieren?“

Die VHS-Programme bilden ab, wie Computer mehr und mehr in die Privathaushalte einzogen. In einem Heft aus den 80ern wurden Grundkenntnisse abgefragt: „Können Sie eine Diskette formatieren?“, oder „Sind Sie vertraut im Umgang mit MS-DOS-Befehlen?“, lauteten Fragen, die heute kaum noch verständlich sind. Die praktische Stenografie fand sich damals noch, aber auch Themen, die über Jahrzehnte nicht an Aktualität verlieren sollten. „Der Klimawandel war in den 80er Jahren schon Thema“, stellt Jenny Kowalczyk fest.

Eine Broschüre auf einem Holztisch

Das erste Programm von 1974: Der Kaufhof verfehlte das 50-Jährige knapp und ist seit Januar Vergangenheit.

Erhalten sind auch bis in die 90er Jahre noch die Fahnen für Programme, die von Hand geklebt wurden. Auch damals noch waren die Hefte lange nicht so aufwendig bebildert und grafisch gestaltet wie die heutigen Bücher, die es im DIN A5-Format locker auf 300 Seiten bringen. Immer mehr Aufmerksamkeit, durchaus mit hohem künstlerischem und politischem Anspruch, wurde aber den Titelseiten gewidmet. Fotos eines vom Hunger gezeichneten Kindes illustrierte etwa eine Themenreihe zur „Dritten Welt“.

Dankbares Fotomotiv auf dem Alten Bonner Friedhof: Grabsteine zappeln nicht

Eine Dozentin bot vor vielen Jahren einen Kurs zur richtigen Pferdehaltung an, inklusive Tipps zu Hufpflege, Weidepflege und Düngung. Zu einer Fotoexkursion auf den Alten Friedhof in Bonn hieß es: „In dieser fast meditativ anzugehenden Exkursion wollen wir ohne die gewohnte Hektik (Grabsteine zappeln nicht) versuchen, das aufzunehmende Sujet beispielsweise aus der Statik zu befreien oder durch andere Sichtweisen bildnerisch zu subjektivieren, kurz künstlerisch vorzugehen.“

Drei VHS-Programmhefte auf einem Holztisch

Titelblätter aus den 80er Jahren: Die Karikatur in eigener Sache (Mitte) durfte nicht erscheinen

Zum Jubiläum meldeten sich auch Schüler. „Mit großer Freude haben wir in Ihrer Jubiläumsausgabe den Namen Jürgen Feurich entdeckt“, hieß es zu einem der Dozenten. „Herr Feurich hat uns vor vielen Jahren in die Windows-Welt eingeführt. Seine markigen Sätze ‚Erst markieren, dann agieren‘ und ‚Wer lesen kann, ist immer im Vorteil‘ begleiten uns noch heute.“

Sankt Augustiner Firma den Weg in die Computer- und Internet-Welt bereitet

„Die VHS hat uns die Schritte in die Computer- und Internetwelt beigebracht, mit Programmen, die keiner mehr kennt, Wordstar, Lotus 1-2-3, dBase“, schrieb eine Firma aus Sankt Augustin. Der Kurs und die Anwendung hätten „eine richtige Wende und Arbeitserleichterung“ gebracht.

Auch Freundschaften wurden in Kursen geschlossen: „Vor Jahren habe ich in Niederpleis an einem Englischkurs teilgenommen und fünf reisefreudige Freundinnen dort gefunden, mit denen ich schon viele europäische Städte bereist habe“, schrieb eine Teilnehmerin. Die Frauen besuchten London, Budapest, Lissabon, Porto, Antwerpen, Aachen, Bamberg, München und Danzig und treffen sich bis heute einmal im Monat zum Frühstück.

Freundschaften wurden in VHS-Kursen geschlossen

Holger Hansen war 1974 gerade einmal ein Jahr alt, im Oktober feiert er ein persönliches Jubiläum mit fünf Jahren als VHS-Leiter. „Ich bin überzeugt, dass man in ein paar Jahren auch über manche unserer Angebote schmunzeln wird.“

Am Puls der Zeit sein, einen guten Riecher zu haben, das sei heute noch bei der Arbeit wichtig, so Hansen. „Und da stehen wir trotz einiger Irrungen und Wirrungen gut da. Im Kern haben wir uns nicht verändert.“ Der Bildungsauftrag werde wahrgenommen, möglichst viele Zielgruppen angesprochen. „Lernen, was ich können will“ steht als Motto auf dem aktuellen Programm, eine Themenreihe widmet sich dem „Herzstück Kommunen“.

Ein Zeigefinger zeigt auf eine Satzfahne

In den 90er Jahren wurden Satzfahnen noch von Hand geklebt

Wichtig, so Hansen, sei heute der Inklusionsanspruch, für Menschen mit Behinderungen da zu sein. Stärker erfahrbar solle die VHS in den Kommunen werden, wofür eigens ein Info-Pavillon angeschafft wurde. Die Verstärkung von Kooperationen ist für ihn ein Zukunftsthema, wie mit dem Umweltamt in Sankt Augustin, dem Katholisch-Sozialen Institut in Siegburg oder dem Aquarena in Neunkirchen.

Anders als früher gebe es heute Angebote in den Ferien, und die heute gängige Anmeldung sei weit weniger umständlich als früher. Dinge, die er früher in einer Unterschriftenmappe gezeichnet habe, könne er heute mit einem „Daumen hoch in Teams“ erledigen.

Sanierung des Studienhauses in Siegburg bleibt auch im Jubiläumsjahr eine Herausforderung

Eine Herausforderung im Jubiläumsjahr, gerade für die Programmgestaltung, bleibt die immer noch nicht abgeschlossene Sanierung des Studienhauses, große Teil der VHS sind noch in Containern am Neuenhof untergebracht. Hansen hofft, dass Mitte 2025 der Umzug laufen kann. „Ich habe die Hoffnung, dass wir irgendwann drin sind und uns wohlfühlen werden.“