Mittelalterliche HandelsbeziehungSiegburger Krüge liegen in schwedischem Boden
Siegburg – Die erste Schweden-Tour unternahm Björn Langer nach dem Abitur. Mit seinem Vater wanderte er zehn Tage durch die Wildnis Lapplands. Seitdem hat ihn das Nordland-Fieber nicht wieder losgelassen – „die atemberaubende Landschaft mit ihrer Weite, die freundlichen, rücksichtsvollen und gelassenen Menschen“, so schildert der 45-Jährige seine Faszination.
Er lernte die Sprache, absolvierte ein Semester seines Studiums in Östersund und schrieb die Diplom-Arbeit in Geographie über einen schwedischen Nationalpark. „Inzwischen gibt es kaum eine Ecke in Schweden, die ich nicht kenne“, sagt Langer, der in der Pressestelle im Siegburger Rathaus arbeitet. Umso größer war seine Überraschung, als er jüngst im Internet zufällig einen Fund machte: Bei der Nachbereitung des jüngsten Urlaubs – wie jedes Jahr in Schweden – entdeckte Langer eine Straße namens „Siegburgska vägen“ in Falsterbo.
Falsterbo hatte im Mittelalter Beziehungen nach Siegburg
Selbstverständlich kennt er diesen Ort auf der Halbinsel Falsterbonäset, der für seine kilometerlangen Sandstrände berühmt ist und der wegen seiner spektakulären Vogelzüge im Herbst und Frühjahr Scharen von Ornithologen anlockt. Aber ein Straßenschild, das auf das 630 Kilometer südliche Siegburg hinweist, hatte er beim Spaziergang zwischen den kleinen weiß gekalkten Häusern nicht wahrgenommen.
„Falsterbo war im Mittelalter ein wichtiger Handelsplatz in Südschweden“, sagt Langer, der denn auch gleich eine Verbindung zu den Siegburger Tonwaren zog – damals eine begehrte Exportware. „Falsterbo – nie gehört“, hieß es allerdings auf seine Erkundigung im Stadtmuseum Siegburg. Doch eine Anfrage an die Gemeindeverwaltung von Vellinge (zu der Falsterbo gehört) zeigte, dass Langer richtig vermutet hatte.
Stadtarchivar löst das Rätsel um den Straßennamen
In einem Buch über die örtlichen Straßennamen fand Stadtarchivar Emil Ahlbertz den Hintergrund zum „Siegburgska vägen“: Benannt sei der Weg, so heißt es in dem Buch, „nach der mittelalterlichen deutschen Stadt Siegburg, früher bekannt für ihre Steingut- und Tonwarenproduktion, die nach dem Dreißigjährigen Krieg endete. »Siegburgerkrüge« – Weinkrüge aus Steingut – oder deren Scherben sind sehr häufig in mittelalterlichen Schichten zu finden, hauptsächlich in Falsterbo“.
Vom Heimatmuseum Falsterbos erfuhr Langer, „dass der Siegburgska vägen seinen Namen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erhalten hat. Damals wurden Straßen in Falsterbo nach Hansestädten benannt“. Siegburg war zwar keine Hansestadt, vertrieb die Töpferwaren aber über Köln, das zu den Gründern dieses Handelsbundes gehörte. An der interaktiven Karte im Stadtmuseum zeigt Langer, welchen Weg die zerbrechliche Ware genommen haben könnte: per Kogge über den Rhein in die Nordsee und weiter durch das wegen seiner Stürme gefürchtete Skagerrak in die Ostsee oder auf der Landroute über Bremen, Hamburg und Lübeck.
All diese Hansestädte sind auf der Karte in der Keramikabteilung sichtbar, das kleine Falsterbo als südwestlichster Punkt von Schweden könnte demnächst hinzukommen. Dort trafen sich im Mittelalter Händler der Hanse und der konkurrierenden Knudsgilde. Dort boten Krämer die Siegburger Keramik im Tausch gegen eine andere Ware an, die wiederum im katholischen Rheinland heiß begehrt war: „Eingelegte Heringe, die an den fleischlosen Freitagen und in der Fastenzeit auf den Tisch kamen“, berichtet Langer.
Schwedische Museen zeigen Tonscherben aus Siegburg
Für wohlhabende Familien in Skandinavien waren die reich verzierten Trinkgefäße aus dem typischen hellen Siegburger Ton Prestigeobjekte. In den Museen von Falsterbo, aber auch in Lund und Stockholm sind solche Scherben ausgestellt, die Siegburg zugeordnet werden.Doch der Diplom-Geograph und Journalist hat noch etwas über den „Siegbursgka vägen“ herausgefunden: Als die Schweden Mitte des 19. Jahrhunderts die Reiselust packte, bauten sie eine Eisenbahnlinie nach Falsterbo, die 1904 in Betrieb genommen wurde.
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„Der Endbahnhof wurde dort errichtet, wo heute der Siegburger Weg beginnt“, berichtet Langer. Das Gebäude steht noch, Züge fahren aber nicht mehr. In einem Lagerhaus, dem Magasinet, informiert stattdessen seit diesem Jahr eine Ausstellung über die Natur auf der Halbinsel.