Die Ausstellung „Exil: die verschollene Generation 1933 - 1945“ zeigt Werke von während der NS-Zeit verfolgten Künstlerinnen und Künstlern.
Ausstellung im Siegburger Stadtmuseum und KSIKunst aus dem Exil
Als Thomas Schumann 15 Jahre alt war, klingelte er während eines Besuchs in der Schweiz an der Haustür von Katia Mann. Er wollte die Ehefrau des bereits gestorbenen Schriftstellers Thomas Mann nach einem Autogramm fragen. Tatsächlich folgte ein persönliches Treffen. Katia Mann erzählte dem Teenager von der Zeit, als sie mit Thomas Mann das nationalsozialistische Deutschland verlassen musste. Ein „Schlüsselerlebnis“, wie Schumann heute sagt. Das Sammeln von Literatur und Kunst aus dem Exil wurde zu seiner Lebensaufgabe.
Katia und Thomas Mann sei es im Exil gut gegangen, erzählt der Kunstsammler, „aber viele Künstlerinnen und Künstler hatten geradezu tragische Biografien, und viele dieser Geschichten und Werke wurden bereits vergessen“. Daher trägt die Ausstellung der von ihm über viele Jahrzehnte gesammelten Kunstwerke den Namen „Exil - Die verschollene Generation 1933 - 1945“.
Literatur, Filme und Musik exilierter Künstler gehören zum Ausstellungsprogramm
Am Sonntag, 26. Januar eröffnet die Kunstausstellung, parallel im Siegburger Stadtmuseum und im Katholisch-Sozialen Institut (KSI) auf dem Michaelsberg. Mehr als 50 Werke von während der NS-Zeit im Exil lebenden Künstlerinnen und Künstlern werden dort bis zum 6. April zu sehen sein. Sie erinnern an den „kulturellen Kahlschlag der Nationalsozialisten, wie es ihn bis dato nie gegeben hatte“, sagt Thomas Schumann.
Die Siegburger Stadtbibliothek wird, angebunden an das Projekt, Literatur von während der NS-Zeit verfolgten Schriftstellerinnen und Schriftstellern zeigen. Zeitgleich plant die Engelbert-Humperdinck-Musikschule Konzertaufführungen mit Werken exilierter Komponisten. Das Programm um die Ausstellung wolle die Ausmaße des kulturellen Einbruchs, der mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten einherging, zumindest ansatzweise zeigen, sagt Gundula Caspary, Leiterin des Siegburger Stadtmuseums.
Auch Vorstellungen von Filmen exilierter Filmschaffender, Lesungen, Vorträge und eine Abendveranstaltung mit Poetry-Slam soll es in den kommenden Wochen begleitend zur Ausstellung geben. Das komplette Programm ist online und im Siegburger Stadtmuseum zu finden.
Verhindern, dass die Geschichten hinter der Kunst vergessen werden
Es werde oft fälschlicherweise davon ausgegangen, dass Künstlerinnen und Künstler, die das nationalsozialistische Deutschland verließen, im Exil ein sicheres Leben geführt hätten, sagt Gundula Caspary. „Künstlerisch schaffende Menschen kamen in Ländern an, die sich auch im Notzustand befanden. Sie hatten meistens keinen praktischen Beruf gelernt, und erst recht keine Möglichkeiten, weiter künstlerisch zu arbeiten. Da ging es ums nackte Überleben.“
Aus den mehreren Hundert Kunstwerken in Thomas Schumanns Besitz eine Ausstellung zu kuratieren, sei alles andere als einfach gewesen, berichtet Kirsten Lange-Wittmann, Kultur-Referentin des KSI: „Es ergeben sich unzählige Themen aus den Geschichten der Künstlerinnen und Künstler, die man nicht in Gänze abbilden kann.“
Ein leerer Rahmen ist zwischen den Gemälden in der Ausstellung an die Wand gedruckt. Er erinnert an die Künstlerinnen und Künstler, deren Werke aus Platzgründen nicht gezeigt werden können oder deren Geschichten verloren gegangen sind.
Lange habe man überlegt, auch Brückenschläge zur heutigen Zeit in die Ausstellung einzubauen, sagt Gundula Caspary. Dies hätte jedoch den Rahmen der Ausstellung zu einem ohnehin komplexen Thema gesprengt. „Sicher werden unsere Besucherinnen und Besucher aber selbst diese Verbindungen herstellen“, sagt Caspary, „Die Ausstellung legt nahe, sich in Menschen hineinzuversetzen, denen es heute ähnlich geht wie den exilierten Künstlerinnen und Künstlern damals.“
Gundula Caspary dankt dem Kunstsammler Thomas Schumann besonders für das Verleihen der Werke: „Ich habe das Gefühl, die Kunstwerke sind für Sie wie Ihre Kinder - so, wie Sie die seit vielen Jahren hegen und pflegen“.
Nach seiner Begegnung mit Katia Mann begann der gebürtige Kölner, sich mit ehemals verfolgten Autorinnen und Autoren in ganz Europa zu treffen und über deren Geschichten zu sprechen. Einige Jahre lang sammelte er ausschließlich Literatur aus dem Exil, bis er bei einer Auktion sein erstes Kunstwerk erstand: ein Stilleben des Malers Hein Heckroth, das jetzt ebenfalls im Siegburger Stadtmuseum zu sehen ist.
Museum für Exilkunst in Bonn geplant - Umsetzung noch unsicher
„Danach waren alle Dämme gebrochen“, sagt der Sammler lächelnd. Allein im ersten Jahr nach dieser Auktion habe er mehr als 50 weitere Werke erstanden. Dabei habe er zahlreiche Künstlerinnen und Künstler oder deren Angehörige persönlich kennenlernen dürfen. Kontakte, die er bis heute pflegt – und von denen er gern die ein oder andere Erinnerung teilt.
So habe einmal die Schriftstellerin Irmgard Keun im Bonner Landeskrankenhaus besucht, die dort wegen ihrer Alkoholsucht in eine psychiatrische Abteilung eingewiesen worden war. Für Schumanns Besuch hatte sie Ausgang bekommen. „Wir gingen in ein Café, und sie bestellte sich erstmal einen doppelten Cognac“, erzählt Schumann.
Um seinen Werken ein dauerhaftes Zuhause zu geben, möchte der Kunstsammler das deutschlandweit erste Museum für Exil-Kunst in Bonn eröffnen. Raum dafür sollte im leerstehenden Windeckbunker sein, über Verträge sprach er bereits mit der Stadtverwaltung. Angesichts des möglichen Regierungswechsels im Februar, sagte Schumann, sei er jedoch unsicher, ob das Exil-Museum tatsächlich entstehen werde.