AboAbonnieren

„Wir haben Angst“Awo schließt Intensivgruppe für junge Frauen in Siegburg – Petition gestartet

Lesezeit 3 Minuten
ARCHIV - ILLUSTRATION - Eine junge Frau posiert am 28.08.2013 in einem Zimmer in einem Haus in Nienburg.  Foto: Peter Steffen/dpa  (zu dpa "Netzwerk hilft psychisch Kranken zu Hause - Klinik nur im Notfall" vom 26.05.2016) +++(c) dpa - Bildfunk+++

Die Bewohnerinnen der Intensivgruppe fühlen sich von der Awo im Stich gelassen. (Symbolbild)

„Wir wissen nicht, was auf uns zukommt“, sagt die Initiatorin einer Petition zum Erhalt der Gruppe. Wie die Arbeiterwohlfahrt die Schließung begründet.

Vor zweieinhalb Monaten ist Selina Öczelik in die Intensivgruppe für Mädchen und junge Frauen der Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg eingezogen. Lange habe sie auf diesen Platz gewartet, erzählt die 19-Jährige. „Ich hatte die Hoffnung, hier habe ich einen guten Start“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Doch nun wird die Gruppe zum Jahresende geschlossen.

Arbeiterwohlfahrt in Siegburg hat nicht genug Personal

„Wir haben Angst“, beschreibt Öczelik ihre Gefühlslage. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt.“ Dabei hätten alle Bewohnerinnen schon genug Probleme: Alle kämpfen mit psychischen Erkrankungen. „Die Gruppe kümmert sich gut um das, was uns belastet“, eng ist der Kontakt zu den Betreuerinnen. Und das oft auch in Einzelgesprächen.

Doch genau diese engmaschige Betreuung ist für die Awo das Problem: In Intensivgruppen müsse für jede Bewohnerin eine Fachkraft zur Verfügung stehen, sagte am Mittwoch Katja Ruiters, die Betriebsleiterin der Gruppe. Das bedeute aber auch: „Sobald eine Mitarbeiterin geht, muss auch ein Mädchen gehen.“ Und die Personalfluktuation ist hoch.

Häufiger Personalwechsel bringt Unruhe in die Gruppe

In den zurückliegenden zwei Jahren habe sich die Situation zugespitzt, erläuterte Ruiters; Fachkräftemangel und Fluktuation angesichts der nicht nur zeitlich anspruchsvollen Arbeit haben sich ungut verbunden. „Mit viel Hilfe der anderen Mitarbeitenden“ sei die Gruppe weitergeführt worden. Da die Awo Bonn/Rhein-Sieg keine andere vergleichbare Gruppe betreue, könne solcher Ausfall auch nicht anderweitig aufgefangen werden.

„Es fehlt immer irgendwo jemand“; erschöpfte Teams, so Ruiters, stünden am Ende dieser Kaskade. Der häufige Wechsel bringe permanente Unruhe in die Gruppe. Und auch den Betreuten gegenüber könne man so den Anspruch an die eigene Arbeit nicht erfüllen.

Es wird keine der Frauen zurückbleiben
Katja Ruiters von der Arbeiterwohlfahrt

Selbstverständlich würden die Bewohnerinnen anderweitig untergebracht, versicherte Katja Ruiters. „Mit Hochdruck“ arbeiteten daran die Jugendämter. Es sei ausgeschlossen, dass eine der Mädchen oder jungen Frauen am Ende ohne eine Betreuungseinrichtung dastehe: „Es wird keine der Frauen zurückbleiben.“

Selina Öczelik aber fühlt sich „im Stich gelassen“. Weder von der Awo noch vom zuständigen Jugendamt habe sie Informationen über eine mögliche Alternative für die Zeit nach dem 31. Dezember bekommen. „Da fehlen zehn Plätze für junge Frauen, die sich hier sicher fühlen“, sagt Alexandra Filzer, eine der anderen Bewohnerinnen. „Wir haben ohnehin Schwierigkeiten, und diese Stabilität wird uns jetzt genommen.“

„Es ist nicht so, dass wir das toll finden“, versicherte Ruiters, die auch stellvertretende Geschäftsführerin der Awo ist. Und natürlich habe sie Verständnis für die Sorgen der jungen Frauen. Zugleich aber sei es eine „verantwortungsvolle Entscheidung“. Und der Vorlauf von rund einem halben Jahr gebe ausreichend Zeit, gemeinsam mit den zuständigen Behörden nach einem Ersatz zu suchen, der den individuellen Bedürfnissen entspreche.

Bewohnerinnen aus der Siegburger Gruppe starten eine Online-Petition

„Es wäre einfach schön gewesen, wenn die Awo uns früher Bescheid gesagt hätte“, sagt Selina Öczelik. Alexandra Filzer beklagt, dass die Schließung weder mit den Bewohnerinnen noch den Betreuerinnen vorher besprochen worden sei. Eine Kritik, der Katja Ruiters widerspricht. „Schnellstmöglich“ habe die Awo die Betroffenen informiert, seither führten die Kolleginnen „ohne Ende“ Gespräche in der Gruppe.

Bis zum Jahresende eine neue Bleibe zu finden, dürfte schwer werden, fürchtet dennoch Alexandra Filzer. „Es gibt wenige Einrichtungen der Jugendhilfe“, da sei es schwierig, einen Platz zu bekommen. Und dann müsse ja auch noch das Konzept passen.

Nun wollen Selina und Alexandra „alles tun, damit die Gruppe bestehen bleibt.“ Sie haben eine Online-Petition gestartet, suchen die Öffentlichkeit und nehmen Kontakt mit Politikern wie auch Verwaltungen auf.