Studiobühne SiegburgBöse Komödie begeistert Publikum zur Wiederöffnung
Siegburg – Die Tristesse des Beamten-Alltags macht David zu schaffen: Sein Chef ist unfähig und die Kollegen nicht minder. Er beschließt, fortan nicht mehr zu lügen, „nur damit Leute sich besser fühlen“ – und redet „Klartext“. So lautet der Titel des Stücks, in dem David (Koray Tuna) auf bissigste Weise mit seinen Kollegen abrechnet. Zu sehen war die Komödie am Wochenende in sechs Aufführungen im Theatersaal der Studiobühne Siegburg.
David arbeitet seit neun Monaten in Berlin, im Ministerium für Soziales und Chancengleichheit. „Ich habe keine Ahnung, was die da machen“, lautet sein Zwischenfazit. Sicher ist nur: Der Job sorgt für Frustration.
Das Schlimmste sind für ihn die regelmäßigen Feierlichkeiten zu einem nur irgend nichtigen Anlass: „Dann gibt es Hanuta, Kekse und Sekt, ein riesiges kleinbürgerliches Bankett.“ Anschließend gehen die Kollegen noch ins Vapiano oder Maredo, „Hauptsache groß und gesichtslos“. Und enden in einer Tanzbar, in der wahlweise Musik aus den 80ern oder von Helene Fischer läuft.
Die Hauptperson gerät mit ihrem Chef aneinander
Hier gerät David, notgedrungen sturzbetrunken, mit seinem Chef Ben aneinander, dem er die Meinung über dessen Unfähigkeit geigt. Der Vorgesetzte fährt aufgelöst nach Hause. Einige Drinks später beschließt David, Ben zu besuchen. Es liegen nur eine Sauftour durch halb Berlin und zwei Besuche bei McDonald’s dazwischen, bis sich dem Zuschauer erschließt, dass damit Davids gleichnamiger, zehnjähriger Neffe gemeint ist.
Es ist die Pointe eines bis zum Ende wahnwitzigen und sarkastischen Stücks, das Tuna als Monolog vorträgt. Die Persiflage deutschen Spießbürgertums und Alman-Angewohnheiten im Großraumbüro untermalt er mit Gitarrenklängen, bei denen er Stücke wie „Mein Job“ von der Rap-Gruppe Massive Töne zupft. „Keiner begrüßt mich, keiner mag mich, hab echt Bock auf diesen Job“, heißt es darin.
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Die wenig subtilen, anzüglichen Vergleiche, mit denen Tuna die Bedeutungslosigkeit von Davids Job unterstreicht, überspannen den Bogen etwas. Gelungener ist hingegen seine urkomische Verkörperung sämtlicher australischer Tiere, die sich in ihrem geschützten Habitat ungestört ausbreiten können – so wie Davids einfältiges Kollegium in den Räumen des Ministerialbüros. Tuna springt durch den Saal, klettert auf Stühle und fällt gekonnt herunter.
Koray nutzte die Zwangspause
Der Schauspieler befand sich in den letzten Monaten seiner Ausbildung an der Schauspielschule Siegburg, als die Pandemie begann. „Er hatte den Text von D.C. Moore, einem britischen Theaterautoren, schon einmal hervorgebracht. Wir verloren ihn etwas aus den Augen, die Pandemie dagegen machte es notwendig, dass die Schauspieler alleine arbeiteten. Da beschäftigte sich auch Koray wieder mit dem Stück“, sagt Regisseur René Böttcher.
Im englischen Original spielt „Klartext“ in London, Tuna passte es entsprechend an und verlegte die Handlung nach Berlin. „Mir kamen beim Schreiben auch noch viele weitere witzige Ideen, wenn ich selber lachen musste, wusste ich: Das ist gut“, sagt er.
Erst jetzt, führt Böttcher aus, habe man das Stück endlich aufführen können. Dies sei insbesondere dem Förderprogramm „Neustart Kultur“ zu verdanken, das Gage und Probenzeit bezahle.
„Bei den ersten Aufführungen nach dem Lockdown waren alle erlaubten Plätze der Studiobühne voll besetzt, die Leute schreiben uns sogar Dankesbriefe, dass wir wieder spielen“, sagt Böttcher. „Daran sieht man die Bedeutung von Kunst und Kultur: Wir brauchen einen Ort der Begegnung, an dem man sich austauscht. Und für uns bildende Künstler ist das natürlich Gold wert.“