SiegburgCellistin berichtet über Probleme beim digitalen Musikunterricht
Siegburg – „Ich spüre eine Energie im Raum, die mich trägt“, sagt Beate Starken über die Atmosphäre bei Konzerten. „Das hat etwas Magisches.“ Doch auf diesen Zauber muss die Cellistin in der Corona-Krise verzichten. „Kein einziges Konzert“ hat die Musikerin seit März bestritten. Sie arbeitet viel mit Ensembles zusammen, die bei Chorkonzerten die Begleitung übernehmen.
Normalerweise ist die 54-Jährige gut gebucht – gerade im Herbst, wenn die großen geistlichen Vokalwerke in der Region aufgeführt werden. Doch alle diese Konzerte sind abgesagt, wie auch der beliebte, schon traditionelle Abend an Silvester in der Hennefer Meys Fabrik, den Starken mit wechselnden Formationen organisiert.
„Das Konzert habe ich schon im September storniert. Ich wollte mit Blick auf eine zweite Welle nicht in die Situation kommen, den Musikern kurzfristig absagen zu müssen“, sagt die Siegburgerin, die ein Drittel ihrer Jahreseinnahmen als Verlust für 2020 kalkuliert hat. „Glücklicherweise habe ich vom Land NRW ein Stipendium für ein Projekt bekommen: Stücke für Cello solo und Loop-Station (siehe Kasten, d. Red.) zu schreiben und daraus ein Unterrichtswerk zu entwickeln. Das ist eine Neuheit.“
Unterricht ist wichtigste Einnahmequelle
Wie zahlreiche ihrer Kollegen fährt die Cellistin, die auf Klassik und Jazz gleichermaßen spezialisiert ist, zweigleisig. Wichtigste Einnahmequelle ist der Unterricht, und damit hat Beate Starken seit drei Jahrzehnten Erfahrung. An der Musikschule in Hennef ist sie fest angestellt; ein Arbeitsverhältnis, das sich immer weniger Musikschulen leisten. Sie beschäftigen Dozenten bevorzugt als Honorarkräfte, was weniger Geld kostet. Auf dieser Basis ist Starken an der Musikschule Sankt Augustin beschäftigt und erhält für eine halbe Unterrichtsstunde 16,50 Euro. „Findet die Einheit nicht statt, bekomme ich in der Regel nichts.“
Rund 20 Schülerinnen und Schüler unterrichtet die Cellistin, davon die Hälfte privat. Inzwischen ist sie überwiegend in den Präsenzunterricht zurückgekehrt, mit Maske und Mindestabstand von anderthalb Metern. Mit der digitalen Vermittlung hat Starken nun genügend Erfahrungen gesammelt, um ein erstes Fazit zu ziehen. Die Musikschulen hätten enorme Energie aufgewendet, um die digitalen Plattformen zu schaffen, lobt sie. Viele Schüler hätten auch Spaß am Experimentieren mit den neuen Formaten.
Die Loop-Station
In der Musik steht ein Loop, englisch: Schleife, für eine wiederholt wiedergegebene Sequenz. Musiker können eine Loop-Station dazu nutzen, diese Sequenzen aufzuzeichnen und in Dauerschleife wiederzugeben – als Begleitung für sich selbst. (EB)
„Für eine störungsfreie Verbindung ist ein Kabelanschluss erforderlich“, sagt Starken. „Über den verfügen aber die wenigsten Schüler. Die meisten nutzen den WLAN-Anschluss, der aber nicht genügend Datenmengen übertragen kann.“
Rückkopplungen und eingefrorene Bilder
Die Folge: Die Kommunikation wird immer wieder unterbrochen, das Bild bleibt stehen, wird zeitlich verzögert. „Die Software ist außerdem auf die menschliche Stimme, nicht auf einen Streicherklang zugeschnitten“, sagt die Lehrerin, die von Kratz- und Krachgeräuschen in der Übertragung berichtet. „Ich kann nur beurteilen, ob der Schüler den Ton trifft oder rhythmisch richtig spielt. Aber die Klangschönheit lässt sich nicht beurteilen.“
Dass Schüler und Lehrerin im Duo spielen, sei durch die Rückkopplungen ebenfalls ausgeschlossen. „Das ist aber ein wichtiges Element in meinem Unterricht“, sagt Beate Starken. „Das Cello ist ja ein Melodie-Instrument, und wenn eine begleitende Stimme dazu kommt, erhöht das den Spielspaß und die Motivation.“ Um die Haltung zu korrigieren, sei es auch manchmal wichtig, „den Schüler anzufassen, mal einen Ellbogen zu heben oder die Finger zu sortieren“, sagt die Siegburgerin, die resümiert: „Für Anfänger ist der digitale Unterricht nicht geeignet, für erfahrene Schüler kann es eine Überbrückung sein.“
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Den „Aspekt der gemeinsamen Anwesenheit“ schließlich findet Beate Starken elementar. „Abgesehen von den akustischen Nuancen in meinem Instrumentenklang und meiner Stimme, die beim Schüler durch die Laptop-Speaker sicher nicht ankommen: Wir kommunizieren doch auf so vielen Ebenen gleichzeitig und schaffen um unsere Person eine Atmosphäre, die digital überhaupt nicht übertragbar ist.“ Und das gelte auch fürs schmerzlich vermisste Konzerterlebnis.
Die Cellistin aus Siegburg setzt auf das Jahr 2021. Dann will sie ihrem Publikum das neue geförderte Soloprogramm präsentieren.