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Nach Brand in SiegburgMenschen sind geschockt – „Man realisiert es erst so langsam“

Lesezeit 5 Minuten
Buchmüller

Andreas Buchmüller und Tochter Milania haben alles verloren.

Siegburg – Der Gestank wabert über die kleine Brücke, beißt in der Nase, noch bevor das rot-weiße Flatterband in Sicht kommt. Scharfer, bitterer Brandgeruch. Vom Feuer gestutzte Büsche überall, sie geben den Blick frei auf verkohlte Flaschen und Zeitungspakete, hinunter bis zu den Bahngleisen, wo Arbeiter in Schutzkleidung neben den Schienen aufräumen. Langsam schleicht der ICE vorbei.

Nur noch Schutt und Asche

Oben, auf dem schmalen Steg, stehen Menschen. Sie schauen auf die verbrannten Balken, die aus aufgerissenen Dächern ragen. Sieben Gebäude mit neun Wohnungen sind bei dem verheerenden Großbrand nahe einer Bahnstrecke in Siegburg am Dienstagnachmittag schwerst beschädigt, 32 Menschen zum Teil schwer verletzt worden. „Eine Bekannte meiner Frau hat Verbrennungen erlitten“, berichtet ein Passant. „Ich wollte es mir vor Ort ansehen, wie das hier aussieht.“

Er geht ein paar Meter, bleibt stehen. Schüttelt den Kopf. „Freunde von mir wohnen im hinteren Haus“, erzählt Hubert Dziambotr aus Lohmar. Er hat seine Arme auf das Brückengeländer gestützt und blickt auf die Ruinen. „Sie waren im Urlaub, haben durch ihren Sohn davon erfahren, dass ihr Haus gebrannt hat und sind noch in der Nacht zurückgekommen.“ Er kam, weil er sehen wollte, ob er helfen kann.

Nun schweigt er. Wie alle auf der Brücke. Still ist es geworden, im Stadtteil Brückberg: Im parallel zur betroffenen Straße verlaufenden Hohlweg, wo Blumen in Kübeln wachsen und ein Anwohner Ruß vom Bürgersteig fegt. Still ist es auch im Urnenfeld, wo zertrümmerte Dachziegel auf ausgebrannten Autos liegen, wo fallen gelassene Habseligkeiten noch auf der Fußmatte liegen, verkokelte Gartenmöbel hinter den schwarzen Stümpfen einer Hecke stehen.

Brandopfer durften nicht zurück

Gitter versperren den Zutritt zu den schwerst beschädigten Häusern, vor denen die Polizei in der Nacht Wache gestanden hat, damit die Brandopfer nicht zurück in ihre womöglich einsturzgefährdeten Häuser gehen oder Plünderer kommen. Die Brandsicherheitswache hat die Freiwillige Feuerwehr aus Much übernommen, damit die erschöpften Siegburger Kollegen ausruhen konnten. Und dann wurde es wieder Tag. Der erste nach dem Feuer.

Die Brüder Knott stehen vor den Resten ihrer einstmals wunderschön restaurierten Oldtimer. „Ich habe geschlafen, als das Feuer kam. Das hörte sich an wie Granateneinschläge, durch die Luft flogen brennende Holzstücke“, sagt Rainer Knott. An zwei Wohnhäusern war das Feuer vorbeigelaufen, um anschließend die Garage in Brand zu setzen, in der der Desoto V 8 von 1954 und der Chevrolet Bel Air von 1954 standen. „Wir wissen noch gar nicht, ob wir da weiter wohnen können“, sagt Knott. Die Flammen waren auch in das Dach geschlagen.

Arno Knott vor seinen zerstörten Oldtimern.

Gartenzäune und Hütten nahm sich das Feuer am schnellsten, das berichtet auch der stellvertretende Wachleiter der Siegburger Feuerwehr, Torsten Becker. Er lief durch die Straße, um Menschen aus ihren Häusern zu holen. Plötzlich schlugen Flammen in eine Hecke neben ihm und setzten eine Rasenfläche in Brand. „Ich habe mich nur noch weggeduckt!“

„Ich bin obdachlos“

„Erst so langsam realisiert man, was passiert ist“, sagt Markus Bergen. Der 27-Jährige duschte, als seine Mutter ihn alarmierte. Die Böschung brannte. „Ich bin dann aufs Garagendach geklettert, um zu gucken, als ein ICE durchfuhr und die Flammen hoch loderten. Dann bin ich nur noch von Haus zu Haus gerannt, um alle zu warnen und rauszuholen.“

Markus Bergen wohnte in einem der abgebrannten Häuser und weiß nicht, wie es weitergeht.

Bergen, blaues Superman-Shirt, Baseballkappe, steht an einem Absperrgitter. Ganz ruhig wirkt er. Und sagt: „Ich bin obdachlos. Die Nacht habe ich bei einem Freund verbracht, aber wie es weitergeht, das weiß ich nicht.“

Auch seinen Verwandten geht es so. Die Häuser der Familie liegen gleich nebeneinander. Seinem Onkel Andreas Buchmüller half Bergen, dessen jüngste Tochter aus dem Souterrain der Doppelhaushälfte ganz am Ende der Straße zu holen.

Den Enkel gerettet und raus

Buchmüller rettete seinen Enkel, den er hütete. Da brannte es schon. „Ich habe nur noch den Kleinen aus dem Bett geholt und bin raus.“ In Shorts und Flip-Flops, ohne Hemd, rannte der 47-Jährige auf die Straße. Nun muss er sich Kleidung vom Schwiegersohn leihen. Er hat kein eigenes Shirt mehr. Wie es weitergeht? Schulterzucken.

Buchmüller

Andreas Buchmüller und Tochter Milania haben alles verloren.

Buchmüller lässt den Blick schweifen, über den abgesperrten Hauseingang seines Nachbarn, auf dessen Stufen ein paar Gummistiefel stehen. Rosa mit weißen Punkten. Daneben ein Keramikhund mit einem Schild im Maul: „Welcome“, steht darauf. Die Haustür ist offen.

Rein darf keiner. Ihre Häuser betreten dürfen die Besitzer frühestens am nächsten Tag, so ein Polizeisprecher vor Ort. Ein Statiker prüft noch die Standsicherheit. Dann können sie das Wichtigste herausholen. Wohnen darin ist wohl nicht mehr möglich.

Familie Buchmüller ist bei der ältesten Tochter und ihrem Mann untergekommen. „Aber da ist es eng, das geht nicht ewig.“ 20 Jahre hat der dreifache Vater in der Doppelhaushälfte am Brückberg gelebt, das Haus selbst mit ausgebaut. Jetzt weiß er nicht, ob und was noch zu retten ist. „Ich habe erst einmal der Versicherung den Schaden gemeldet, danach muss ich weitersehen.“

Die Böschung, über die die Flammen hinwegrasten, sei hoch und natürlich trocken gewesen, berichtet er. „Vor Jahren ist die mal runtergemäht worden, jetzt aber schon lange nicht mehr.“

„Das war ein Inferno!“

Roland Gläser, der ein paar Straßen weiter wohnt, hat die Böschung gesehen, hat die Flamme gesehen, die über sie hinüberraste. „Das war ein Inferno!“, sagt er. Bei einem Wohngebiet, das so dicht an der hoch bewachsenen Bahnlinie stehe, müsse doch Vorsorge getroffen, die Büsche regelmäßig gepflegt werden. „Aber die waren so hoch, dass das Feuer von ihnen nahezu senkrecht über eine Mauer geschossen ist.“ Als es brannte, nahm er die Leute zu sich in den Garten. Am Tag danach will er sehen, was die Flammen angerichtet haben. Eine Hausratversicherung, erzählt er, haben wohl einige Betroffene nicht. „Ich denke an die armen Menschen“, sagt er. „Die Leute haben ja alles verloren.“

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