Kreisende KlanglandschaftKünstlerin Dorissa Lem stellt im Siegburger Stadtmuseum aus
Siegburg – „Klatbutne“ hat der lettische Komponist Peteris Vasks sein zweites Cellokonzert genannt. Ein Titel, der das Erleben von Präsenz, von Gegenwärtigsein umschreibt. Solche intimen Momente fängt auch Dorissa Lem ein, die sich gern von Musik inspirieren lässt.
Zu „Klatbutne“ entstand das gleichnamige Bild, das mit anderen Arbeiten der Kölnerin nun im Stadtmuseum zu sehen ist. Eine abstrakte, in sich kreisende Klanglandschaft, die aus zahlreichen Farbschichten entstand. Im Atelier stehen die offenen Tuben griffbereit, unvermischt trägt Lem die Ölfarben auf – nicht auf Leinwand, sondern auf Tischlerplatten. „Ich brauche den Widerstand des Materials“, erläutert die 68-Jährige. Im Rhythmus der Musik arbeitet sie kraftvoll mit Spachteln verschiedener Größen, kratzt, klopft und ritzt auf, damit sich die Farbe einnisten kann, reißt wieder ab.
Die Ausstellung
Die Ausstellung ist zu sehen bis 22. August, dienstags bis samstags von 10 bis 17 Uhr, sonntags von 10 bis 18 Uhr im Stadtmuseum Siegburg, Markt 46. Am Samstag, 31. Juli, um 15 Uhr findet ein Gespräch mit der Künstlerin statt, bei dem der Katalog präsentiert wird. Anmeldung hierzu ist erforderlich unter 02241/102 74 10.
„Ich produziere Klänge“, sagt Dorissa Lem über ihr Werk. Das entsteht nicht nur zu Musik aus der Konserve, wenn die Künstlerin etwa ein Streichquartett von Philip Glass hört – gerade die Minimal Music mit ihren Schichtungen und Repetitionen bietet Malerei, Zeichnung und Frottage mit Graphit den passenden Resonanzraum.
Lem greift auch direkt Impulse von Musikern auf, reagiert zum Beispiel auf Improvisationen des jungen Kontrabassisten Jonas Gerigk. So entstehen auch Blindzeichnungen, in denen die Künstlerin mit geschlossenen Augen intuitiv der Musik folgt, sie mit schwungvollem Gestus in dynamische grafische Muster verwandelt.
„Polyphonie“ hat Dr. Gundula Caspary, Direktorin des Stadtmuseums, denn auch die Ausstellung überschrieben. Ein Titel, der anspielt auf die Mehrstimmigkeit und Vielfalt dieses Werks. Denn Dorissa Lem ist gleichermaßen in der Bildhauerei zu Hause. Aus Ahorn-, Holunder oder Nussbaumholz schnitzt und schleift sie runde, weiche Formen; dabei verzichtet sie auf den Einsatz von Maschinen, verwendet ausschließlich traditionelles Handwerkszeug.
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Die körperliche Auseinandersetzung mit dem Material soll sichtbar, die haptische Erfahrung für den Betrachter greifbar werden. Der ist schnell in Versuchung, diese Gebilde zu berühren, die an Gefäße oder Pflanzenteile oder aber auch an archaische Wächterstelen erinnern.
Die Schwere und Robustheit des Materials verbindet sich auf verblüffende Art mit Leichtigkeit und einer sanften Ausstrahlung. Etwa die Serie der „kleinen Tempel“; sie entstanden nach einer Tibetreise, die Dorissa Lem auch rund um den Berg Kailash führte. Das zyklische Lebensgefühl, das sich auf diesem buddhistischen Pilgerweg einstellte, schlug sich in diesen plastischen Formen nieder.
Als Inspirationsquelle nennt nennt Dorissa Lem auch die britische Bildhauerin Barbara Hepworth, die in ihren eleganten Skulpturen mit der Spannung von Innen und Außen spielte. Vorbildern und Kolleginnen huldigt Lem mit einer Installation aus 23 kleinen, verschiedenartigen Holzskulpturen, die auf Stahlschnüren aufgereiht sind.
Doch nur die weiblichen Rundungen einer Miniplastik erinnert exemplarisch an das Werk von Louise Bourgeois. Mit dem Titel des Ensembles „Widmungsreihe – für dich und dich“ belässt es die Künstlerin bei einer anonymen Hommage, die sie eigens auf den Raum im Stadtmuseum abstimmte. Hier wie auch in der fremdartigen Installation „Horbotschki“ fasziniert der Mix aus Verspieltheit und Bodenständigkeit, aus den kompakten Holzelementen und den filigranen Stahlseilen, die Lem am liebsten in einem Laden mit Segelzubehör kauft.