Neues ZeitalterSiegburger Siegwerk entwickelte voll automatisierte Produktionsanlage
- Gestern stellte das Unternehmen eine neue voll automatisierte Produktionsanlage für Kundenfarben vor.
- Jetzt können aus 163 Komponenten Farben für unterschiedlichste Ansprüche gemischt werden.
- Doch was passiert jetzt mit der manuellen Produktion?
Siegburg – „In der Weihnachtszeit läuft viel Rot“, erläutert Oliver Diers, Chemie-Ingenieur im Siegwerk, bei der Führung durch die neue Produktion im Siegwerk. „Aber man braucht auch einen kleinen Eimer Blau für die Augen des Weihnachtsmanns.“ Diers versteht sich bestens darauf, zu verdeutlichen, warum die Fabrik am Fuß des Michaelsbergs eine riesige Produktpalette braucht: Weltweit bekommen Verpackungen mit den Erzeugnissen aus dem Siegwerk die richtige Farbe, mit hohen Anforderungen an Grifffestigkeit, Temperaturbeständigkeit und Lebensmittelechtheit. Diers: „Die Farbe muss auch noch gut aussehen, wenn sie aus der Mikrowelle kommt.“
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Bis vor kurzem waren noch manuelle Arbeitsschritte nötig, um die richtige Mischung aus Harzen, Lösemitteln und Farbpigmenten zu bekommen. Das ändert sich jetzt: Gestern stellte das Unternehmen eine neue voll automatisierte Produktionsanlage für Kundenfarben vor, die praktisch autonom die Hälfte der gesamten Buntfarbeneherstellung in Siegburg übernehmen kann. „In einem ganz anderen Zeitalter“ sei das Siegwerk angekommen, erläuterte der Vorstandsvorsitzende Herbert Forker in seiner Begrüßungsrede vor Mitarbeitern und Geschäftspartnern in der Halle mit der neuen Anlage. Mehrere Anläufe habe es gebraucht, um das Projekt zu realisieren, jetzt sei es ein „Beispiel für die vernetzte Industrie 4.0“.
Manuelle Produktion bleibt erhalten
15 Kilometer Rohrleitungen, 65 Kilometer Kabel wurden verlegt. Jetzt können aus 163 Komponenten Farben für unterschiedlichste Ansprüche gemischt werden. Beibehalten wird aber angesichts der vielfältigen Kundenwünsche auch die manuelle Produktion. Vorteile der Automatisierung sieht Forker in gleichbleibender Qualität, effizienteren und transparenteren Abläufen und der höheren Kapazität. Zudem werde die Produktion sicherer und umweltschonender.
Vorstandsmitglied Dr. Jan Breitkopf hebt hervor, dass die vier Abfüllköpfe direkt die Gebinde für die Kunden befüllen. 17 verschiedene Verpackungsarten können eingestellt werden und Mengen zwischen 30 und 1000 Litern. 300 Tonnen chemischer, gefährlicher Abfälle würden so vermieden. Denkbar sei eine Jahresproduktion von 25 000 Tonnen Buntfarbe, wobei man aber nur 16 000 Tonnen in Anspruch nehmen und eine Reserve behalten werde. Dem Inhaber und Aufsichtsratsvorsitzenden Alfred Keller zufolge investierte das Siegwerk 40 Millionen Euro.
Größte Anlage ihrer Art in Europa
Die Anlage, die zwei Etagen einer großen Halle einnimmt und nach Unternehmensangaben die größte ihrer Art in Europa ist, wird in einer Schicht von sechs Mitarbeitern bedient, die auch Proben zur Qualitätskontrolle entnehmen können. Diese gehen per Rohrpost zur Untersuchung ins Labor.
Anfänge in Köln
Das Siegwerk geht auf eine Kattunfabrik zurück, die Christian Rolffs 1830 in Köln gründete und 1844 nach Siegburg verlegte. 1911 folgte die Gründung des „Siegwerk Chemisches Laboratorium“ zur Herstellung von Druckfarben für den Kupfertiefdruck, 1970 die erste Auslandsgesellschaft in den USA.
Heute hat das Siegwerk weltweit 16 Produktionsstätten, 50 Misch- sowie Dosieranlagen und insgesamt 5000 Beschäftigte, davon rund 1100 in Siegburg. (ah)
Diers zufolge, der die Projektleitung für die neue Produktion hatte, erwies sich vor allem die Entwicklung der Steuerungssoftware als große Herausforderung. Am Ende habe man einen Prototyp für die Anlage gebaut, da man die enorme Komplexität und Flexibilität der Produktion abbilden musste. Zehn bis 100 000 Reihenfolgevarianten für die Produktionsschritte könne die Anwendung in kürzester Zeit durchrechnen, wobei ein „evolutionärer Algorithmus“ zum Einsatz komme.
„Weiterer Baustein für die Zukunft des Siegwerks“
Laut Diers gab es für die neue Anlage, die von der Firma Fluid Solutions in Norderstedt gebaut wurde, kein Vorbild. In Wuppertal habe man sich allerdings eine kleine Anlage ansehen können und für die Förderung der Farbbehälter durch die Produktion vergleichbare Technik aus der Papierindustrie. Stellen werden der Automatisierung nicht zum Opfer fallen, einige Mitarbeiter aber andere Aufgaben bekommen.
Alfred Keller sieht in der Investition einen „weiteren Baustein für die Zukunft des Siegwerks“ und den Standort Siegburg, an dem seine Familie auch wohne und sehr verwurzelt sei.