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Sensation im PoesiealbumStadtmuseum Siegburg startet Humperdinck-Jubiläumsprogramm

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Kai Diekmann steuerte ein Poesiealbum bei, in dem der junge Humperdinck sich mit einem Klavierstück verewigt hat.

Siegburg – Im Poesiealbum eines jungen Mädchens hinterließen Freundinnen, Tanten und Cousinen auch im 19. Jahrhundert erbauliche Sprüche. Nicht anders in dem Büchlein, das Ernestine Humperdinck gehörte. Doch auf drei Seiten findet sich eine kleine Sensation: Dieser Eintrag nämlich stammt vom zwei Jahre älteren Bruder Engelbert, später berühmt als Schöpfer von „Hänsel und Gretel“.

Verewigt hat sich der Teenager mit einem Klavierstück namens „Erinnerung“ – gewidmet der geliebten Schwester, die mit 17 Jahren an Tuberkulose starb. „Eine sehr bedeutende Entdeckung, denn dieses Stück ist das zweitälteste erhaltene Werk Humperdincks“, freut sich Dr. Christian Ubber, Leiter der Musikwerkstatt, der mit einem Kuratoren-Team im Stadtmuseum Siegburg die große Schau zum 100. Todestag des Komponisten vorbereitet hat.

Buch auf einer Auktion erworben

Dass dieses kostbare Poesiealbum nun unter zahlreichen Exponaten seinen Platz finden konnte, ist Kai Diekmann zu verdanken. Der einstige „Bild“-Chefredakteur hat das Buch auf einer Auktion erworben. Er sei „Fan von Richard Wagner, und zum Humperdinck-Fan wider Willen geworden“, bekannte Diekmann. Im Stadtmuseum, dem Geburtshaus von Humperdinck, überreichte er das Album nun den Ausstellungsmachern als Leihgabe.

Umfangreiche Würdigung

Engelbert Humperdinck (1854-1921) wird anlässlich seines 100. Todestages mit einem umfangreichen Programm gewürdigt. Dazu haben sich die Orte, an denen der Komponist lebte und wirkte, zum Programm „Humperdinck 21“ zusammengeschlossen.

Der Geburtsort Siegburg bietet mit Vorträgen und Museumsgesprächen ein Rahmenprogramm zur Ausstellung, die anschließend nach Bonn und Bayreuth wandert. Die Oper „Königskinder“ in der Urfassung als Melodram wird am 4. September im Rhein Sieg Forum aufgeführt. Außerdem gibt es diverse Konzerte und vom 4. bis 12. September für Familien ein „Walking Theatre Hänsel und Gretel“ im Waldkindergarten i-Tüpfelchen.

In Köln gibt es Opernaufführungen, außerdem spielt das Oreneta-Quartett am 23. November Kammermusik von Humperdinck und seines Schülers Kurt Weill.

Schloss Homburg präsentiert die Schau „Ein Komponist auf Wanderschaft“ und bietet Touren auf den Spuren des Komponisten an. Xanten zeigt die Ausstellung „Lebenslinien“ und bietet Konzerte in der Klosterkapelle Mörmter sowie im St. Viktor Dom, wo am 20. November Humperdincks Chorkantate „Wallfahrt nach Kevlaar“ aufgeführt wird. (as)

www.humperdinck.de

Musikliebhaber Diekmann, der früher selbst Cello spielte, hat vor einigen Jahren eine Villa auf Usedom gekauft. Just dort, so fand Diekmann heraus, hatte sich 1906 auch Humperdinck eingemietet. Das Meer direkt vor der Nase, das ihn zu Shakespeares Bühnenmusik „Der Sturm“ inspirieren sollte. Und in diese von Wagner beeinflusste spätromantisch opulente Musik hat sich Diekmann prompt verliebt.

Villa mit Meerblick

Die Beziehung des Siegburger Komponisten zum Bayreuther Meister klingt immer wieder in der lebendig gestalteten Ausstellung an, etwa in einem Bühnenbild-Modell zum „Parsifal“, bei dessen Uraufführung der junge Humperdinck assistierte. „Hümpchen“, wie er von der Wagner-Familie liebevoll genannt wurde, führte ein Leben im Spannungsfeld zwischen Abhängigkeit vom Bayreuther Clan und kompositorischer Eigenständigkeit, geprägt von finanzieller und beruflicher Ungewissheit.

Mit Hexenbesen im Trickfilm: Richard Strauss dirigiert 1893 die Uraufführung von „Hänsel und Gretel“ – der Durchbruch für Humperdinck.

Neben zahlreichen Dokumenten, Fotos und Partituren zeigen Video- und Audiobeispiele kurzweilig das Auf und Ab eines Lebens zwischen Siegburg, Xanten, Köln und Bonn, zwischen Barcelona, Bayreuth und Berlin – wobei der Titel „Hokuspokus Hexenschuss“ Humperdincks Welterfolg in den Mittelpunkt rückt, an den die späteren Werke nicht heranreichen sollten. „Hänsel und Gretel“ ist denn auch eine ganze Regalwand mit Devotionalien gewidmet: von Glanzbildchen über die Backform bis zu alten Schallplatten reicht die Palette dieser Leihgaben, die Privatleute nach einem Aufruf des Museums eingereicht haben.

Andere Facetten

Ein Zeichentrickfilm nimmt die Besucher mit auf eine märchenhafte Fahrradtour – solch ein historisches Exemplar Marke „Victoria Blitz“, wie es der junge Komponist benutzte, ist in der Ausstellung zu bewundern. Mit Witz und Charme wird der Arbeitsprozess an „Hänsel und Gretel“ illustriert, doch die Schau weitet den Blick auch für andere Facetten, zeigt Humperdinck als Komponisten von Kammermusik, als Schöpfer von Melodram („Königskinder“) und Chorkantate („Wallfahrt nach Kevlaar“). Werke, die im Humperdinck-Jahr an seinen verschiedenen Wirkungsstätten wiederentdeckt werden wollen (siehe Infokasten). Nicht nur silberne Lorbeerkränze werden dem Weinliebhaber und Naturfreund Humperdinck geflochten.

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Das Projekt stellt auch die Frage nach dem Antisemitismus im deutschen Märchenwald. „Nationalistische Tendenzen, wie sie damals im deutschen Bürgertum gang und gäbe waren, sind auch bei Humperdinck festzustellen“, so Christian Ubber. Ebenfalls antisemitische Äußerungen, die im Umkreis der Familie Wagner fielen. Das Begleitbuch (19,80 Euro) diskutiert solche Verstrickungen im Kontext der Kaiserzeit differenziert.

Ausstellung ab 21. März bis 9. Mai. Markt 46. Dienstag bis Samstag 10 bis 17 Uhr, Sonntag 10 bis 18 Uhr. Für den Besuch ist eine Anmeldung unter 02241/1027410 oder online notwendig.

stadtmuseum@siegburg.de