Stadtmuseum SiegburgKatharina Krenke häkelt Blüten an die Fassade
Siegburg – Überdimensionale Garnspulen hat Katharina Krenkel ins Stadtmuseum gerollt. Die darauf gewickelten Bordüren könnten zum Gewand eines Riesen passen. Zart wirken dagegen Häkeldeckchen, die Formen alter Zahnräder und anderer Maschinenteile vom Schrottplatz nachahmen. Zwischen filigran und brachial changieren die Skulpturen der Saarbrückerin (Jahrgang 1966), die gern mit Größenverhältnissen spielt und dabei viel Witz aufblitzen lässt.
Das Coronavirus blies sie zum feuerroten flauschigen Spielball auf, die Welt spiegelte sie im Kleinformat – wie im Juni 2020 ihre „Fuzzy World“ zeigte, die in eine Vitrine passte. Das weckte Neugier auf die große Einzelschau Krenkels, die zweimal wegen der Pandemie verschoben werden musste. Und nun endlich unter dem Motto „Ornament – Natur von der Rolle“ präsentiert wird.
Mathematische Genauigkeit prägen die Gebilde
Das Ornament als sich wiederholende abstrakte Verzierung zieht sich durch die Kulturgeschichte, findet sich auf Gebäuden, Stoffen, Gefäßen, Möbeln und Tapeten. „Schon früh hatte der Mensch einen Blick dafür, dass man bestimmte Strukturen in der Natur schematisieren und als Muster nutzen kann“, erklärt Museumsleiterin Gundula Caspary.
Als Vorbild dienten oft Wellenmuster, Knospen, Ast- und Blattwerk. Wie riesige rote Blüten prangen denn auch Arbeiten von Katharina Krenkel an der Fassade des Stadtmuseums.
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Wenn die mehrfach preisgekrönte Künstlerin ihre Imaginationen mit Nadel und Textil konkretisiert, reiht sie sich in eine Linie mit Avantgarde-Künstlerinnen wie Louise Bourgeois, Rosemarie Trockel oder Annette Messager. Doch mit der Häkelnadel als wichtigstem Werkzeug kreiert sie ganz eigene Gebilde, geprägt durch mathematische Genauigkeit in einem additiven Verfahren.
Ihren runden Fundstücken vom Schrottplatz gesellt sich jeweils ein gehäkelter Baumwoll-Zwilling zu, der die Universalität dieser Bildersprache beglaubigt. Und so entdeckt man das Ornament in der Radkappe oder im Zahnrad.
Auf Analogien, aber auch Kontraste zielt Krenkel, etwa mit dem „Spitzensound“: ein Plattenspieler, auf dem sich statt LP ein Häkeldeckchen dreht. Und dann gibt es „Sinninseln“ auf dem Fußboden; tellergroße braune Soft Sculptures, jede mit einem Häuschen im Mittelpunkt. „Hier lebt jeder in seiner eigenen Welt“, kommentiert die Künstlerin und ironisiert damit auch die Betulichkeit, die einst mit der Handarbeit als Zeitvertreib verbunden war.
Für Krenkel ist sie freilich Schwerarbeit, wenn sie rotes Absperrband oder harte Polypropylenschnur mittels Stäbchen und Maschen in Bordüren verwandelt und dabei eine Häkelnadel in der Größe 15 verwendet.
Katharina Krenkel hat Grafik an der Kunsthochschule Saar studiert. Ihr Sinn für die Linie spricht aus den Textil- wie auch Papierarbeiten. In Zeichnungen und Druckgrafiken greift sie ihre Eindrücke aus der Natur auf, wenn sie ins Innere der Erde blickt, Schichtungen von Gestein mit Kupferdraht stickt oder in Holz schnitzt. Mit Bleistift hat die Künstlerin grasbewachsene Dünen gezeichnet. Diese kleinen Formate bilden eine Sequenz, in der rhythmisch gesetzte Linien das naturgetreue Abbild schließlich in die Abstraktion überführen.
Eröffnung am Sonntag, 8. Mai, 11.30 Uhr. Ausstellung bis 3. Juli. Dienstag bis Samstag 10 bis 17 Uhr, Sonntag bis 18 Uhr. Performance mit der Künstlerin auf der Außentreppe am 21. Mai, 14 Uhr.