Tag der KleiderspendeSoziale Organisationen und RSAG verwerten gebrauchte Klamotten
Rhein-Sieg-Kreis – Zu eng, aus der Mode, ein Fehlkauf oder – weitaus seltener – zu weit geworden. Es gibt viele Gründe, sich von Kleidungsstücken zu trennen. Den „Tag der Kleiderspende“ hat daher vor fünf Jahren die Deutsche Kleiderstiftung ausgerufen: Am 11. November – dem Tag des heiligen Martin – erinnert die Non-Profit-Organisation daran, dass es bessere Ideen gibt, als gebrauchte Kleidung in den Müll zu werfen.
Nachbarschaftshilfe Rhein-Sieg sammelt an vier Standorten
„Ein ganz wichtiges Standbein“ seien für die Nachbarschaftshilfe Rhein-Sieg die Kleiderspenden, sagt Geschäftsführer Heinz-Peter Schumacher. Tausende Säcke gingen wöchentlich an den vier Standorten ein, „wir können die Filialen mehr als gut bestücken“. Auf Kleiderständer und in die Regale der Sozialkaufhäuser komme nur „das wirklich Gute“ mit Chancen auf einen Verkauf, erklärt Schumacher. Die Erlöse sicherten die Beschäftigung von rund 100 Mitarbeitern, „die meistens nicht auf der Sonnenseite stehen“.
In regelmäßigen Transporten bringt die Sankt Augustiner Baptistengemeinde weniger gut erhaltene Spenden nach Osteuropa. Weitere Säcke, die als Restmüll zu deklarieren sind, holt ein Betrieb regelmäßig aus dem Westerwald ab.
Manche der abgegebenen Textilien taugten aber nicht einmal mehr zum Herstellen von Putzlappen, berichtet Schumacher. Anderer „Schrott“ bringt Schumacher in Wut: Unten drin finden die Beschäftigten immer häufiger Müll. „Wir können aber nicht in jeden Sack reinschauen“, so der Geschäftsführer.
RSAG hat 420 Altkleider-Container aufgestellt
Die Rhein-Sieg-Abfallwirtschaftsgesellschaft (RSAG) hat im Kreis 420 Altkleider-Container aufgestellt und betreibt mehr als die Hälfte selbst. Partner in der Verwertung ist seit 2012 die Arbeiterwohlfahrt Bonn/Rhein-Sieg, die schon Jahre zuvor dafür einen Inklusionsbetrieb gegründet hatte.
16 Beschäftigte hat das Projekt inzwischen, mehr als 40 Prozent seien Menschen mit Behinderungen, erklärt Awo-Geschäftsführer Franz-Josef Windisch. „Sie sammeln ein, entleeren die Container, machen die Standorte sauber.“ RSAG und der Bonner Entsorger Bonn Orange zahlen dafür eine bestimmten Betrag je Woche und Container.
Viele Tonnen Klamotten gehen in den Export
Eine Millionen Tonnen Textilien bei Ausmisten
60 Kleidungsstücke kaufe im Durchschnitt jeder Deutsche jährlich, berichtete die Zeitschrift Ökotest im September 2019. Beim „Ausmisten“ der Kleiderschränke komme im gleichen Zeitraum eine Million Tonnen Textilien zusammen. Das ist weit mehr, als hierzulande im Second-Hand-Geschäft oder bei Bedürftigen Abnehmer findet.
Export wird unterschiedlich gesehen
Der Export ins Ausland wird allerdings unterschiedlich bewertet: Einerseits finden im globalen Süden Menschen Arbeit im Handel und in der Aufarbeitung gebrauchter Kleidung, andererseits sehen Experten die lokale Produktion bedroht.
Einige afrikanische Länder wollten bereits Importverbote verhängen. „Viele Menschen bestreiten mit Gebrauchtkleidung ihren Lebensunterhalt“, heißt es auf der Internetseite der Organisation Fairwertung, dem Dachverband der gemeinnützigen Altkleidersammler in Deutschland. Vor allem Frauen und junge Menschen in den Ländern südlich der Sahara verdienten daran. Der Markt für neue Kleidung hingegen werde inzwischen weitgehend von asiatischer Importware bestimmt; mangelhafter Zugang zu Kapital und Knowhow, häufige Stromausfälle oder fehlende Ersatzteile hemmten die dortige Textilindustrie. (dk)
„Besonders wichtig zu Corona-Zeiten“ seien diese Zahlungen gewesen, für Altkleider bekommt die Awo laut Windisch derzeit weniger als 20 Cent je Kilogramm. Was nicht in Kleiderstuben verkauft werden kann, geht über einen türkischen Aufkäufer im Wesentlichen nach Asien. So wie früher andere Dienste zu unterstützen, sei derzeit nicht möglich. „Das ist nicht mehr profitabel, wir tun Geld dazu“, erläutert Windisch.
„Der Altkleidermarkt erholt sich gerade“, sagt RSAG-Sprecher Joachim Schölzel. „Er hat aber das alte Niveau noch nicht wieder erreicht.“ Bis zu 300 Euro je Tonne erzielt das kreiseigene Unternehmen beim Verkauf – es waren auch schon 370 Euro, aber phasenweise nur 60 bis 70 Euro. „Das schwankt sehr“, so Schölzel.
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Von den 600 bis 700 Tonnen, die jährlich in den von der RSAG betriebenen Containern landen, bleiben laut Schölzel nur fünf Prozent – „gute bis sehr gute Ware“ – in Deutschland. Zehn Prozent seien Restmüll, etwa 40 Prozent gingen in die Industrie. Daraus werden beispielsweise Fußmatten oder Innenverkleidungen für Autos, Dämm-Material oder Malerfilz.
Mehr als gründlich werde in der Anlage des Kunden mit Sitz in Rotterdam sortiert, betont Schölzel: in rund 300 Kategorien würden die Altkleider aufgeteilt, teilweise auch nach Farben. „Gerade afrikanische Länder kaufen auch nach Farben ein“, erklärt er. Über einen guten Verkaufserlös können sich am Ende alle RSAG-Kunden freuen: Er fließt nämlich in die Berechnung der Müllgebühren ein.
Viele Kleiderstuben arbeiten im kleineren Stil
In weit kleinerem Stil arbeiten die Kleiderstuben, die Parteien, Vereine und Initiativen zum Teil seit Jahrzehnten betreiben. Seit 1976 gehört die Kleiderstube des Sozialen Arbeitskreises der Frauen-Union Troisdorf dazu. „Wir sind eine ganz kleine Kleiderstube“, sagt Margot Dumont, seit acht Jahren die Leiterin der Einrichtung und Kopf des Teams von derzeit sieben Frauen, die dringend Unterstützung suchen. Spenden annehmen, aufarbeiten und für ganz wenig Geld wieder verkaufen – so funktioniert hier das „Geschäft“ mit gebrauchter Kleidung.
„Wir haben meistens ganz tolle Kleiderspenden“, erzählt Margot Dumont. Eine gute Winterjacke verkaufen sie und die Kolleginnen dennoch für fünf oder sechs Euro, mit dem Erlös unterstützen die Frauen Projekte in der Stadt. „Trotz Corona können wir wieder 4000 Euro spenden“, berichtet Dumont. Wie in den vergangenen Jahren schon sind die integrative Kita Heidepänz, das Hospiz St. Klara, das Frauenhaus und die Kinderstiftung die Empfänger.