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Musik bringt Leben ins ViertelAlbrecht Pohl gibt Balkonkonzerte in Troisdorf

Lesezeit 3 Minuten
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Von der Straße aus lauschen Albrecht Pohls Nachbarn seinem Saxofonspiel.

  1. Als aktiver Musiker suchte der 75-jährige Albrecht Pohl aus Troisdorf eine Möglichkeit, wieder vor Publikum aufzutreten.
  2. Also baute der passionierte Künstler sein Mikrofon samt Verstärkeranlage und Mischpult auf dem Schlafzimmerbalkon auf und begann zu singen.
  3. Mittlerweile sind Pohls Balkonkonzerte populär in der ganzen Siedlung.

Troisdorf – Immer wenn John Miles’ „Music Was My First Love“ durch die Weidengasse in Sieglar tönt, wissen die Anwohner, dass Albrecht Pohl wieder auf seinem Balkon steht. Seit das ganze Land, seine Stadt und auch seine Nachbarschaft in den Lockdown musste, steht Pohl regelmäßig auf dem Balkon und muntert die Menschen in seiner Umgebung mit Live-Musik auf. Ende März spielte er noch täglich, mittlerweile steht er sonntags und mittwochs auf dem Balkon, immer um 18.30 Uhr. Für die Nachbarschaft in der Weidengasse ist das zu einem festen Termin geworden.

Als aktiver Musiker suchte der 75-jährige eine Möglichkeit, wieder vor Publikum aufzutreten – auch wenn es ihn nicht sehen kann. In Köln sah er Menschen auf ihren Balkonen musizieren und beschloss, es ihnen gleich zu tun. Also baute der passionierte Künstler sein Mikrofon samt Verstärkeranlage und Mischpult auf dem Schlafzimmerbalkon auf und begann zu singen. Der John-Miles-Song ist seine Erkennungsmelodie, er kommt vom Band. Alle anderen Songs spielt Pohl selbst, lässt auf der Posaune oder dem Saxofon die Melodie von Klassikern wie „Freude schöner Götterfunken“ und „What A Wonderful World“ ertönen oder singt zu „Route 66“ von Nat King Cole – stets über Playback-Tracks.

„Ein Highlight in der schlimmen Zeit“

„Das Playback ist ein Orchester, das sich nie verspielt“, sagt Pohl. So spielt er eine Mischung aus Latin, Jazz, Rock, auch kölsche Tön sind schon mal dabei. In all den Monaten hat er nur eine Handvoll Lieder ein zweites Mal gespielt.

„Für uns war das immer ein Highlight in der schlimmen Zeit. Wir haben uns wirklich zurückgehalten und sind drinnen geblieben, nur zum Einkaufen haben wir das Haus verlassen“, sagt Nachbarin Christine Schneider, die in Hörweite zu Pohls Haus wohnt. „Andere Leute haben wir nur gesehen, wenn Albrecht gespielt hat und sie in ihren Gärten oder in den Fenstern gestanden haben.“

Zweimal wöchentlich gibt Albrecht Pohl sein Balkonkonzert.

Als Treffen in größeren Runden wieder erlaubt waren, kamen die Nachbarn auch wieder zusammen. Öfter auf der Terrasse der Schneiders. „Da haben wir Wein ausgeschenkt, natürlich mit Abstand. Jeder hat sich ein Glas genommen und sich in den Garten gestellt. Später brachte jeder ein Geschenk an die Nachbarn mit, eine Tomatenpflanze oder Kanapees mit Wachteleiern“, berichtet sie. Die Schneiders genießen das gewachsene Verhältnis mit den Leuten von nebenan oder gegenüber – noch heute kleiden sie sich, als ginge es auf eine Silberhochzeit oder die Taufe eines Enkels.

„Wir haben unseren Lebensrhythmus an die Konzerte angepasst – wir essen entweder vorher oder nachher“, sagt Schneider. Mittlerweile treffen sie sich nach einem Gläschen Wein auf der Straße zu einem weiteren vor Pohls Haus.

Pohl erfüllt auch Musikwünsche

Auch Nancy und Uli Meyer stehen an der Brombeerhecke gegenüber, ihre Kinder John und Tom toben über das Pflaster. Sie träfen sich hier immer auf ein Bier mit den Nachbarn, sagen sie. „Sich hier mit ihnen zu treffen ist schöner als beispielsweise in der Kneipe, wo ja noch nicht alles ist wie vorher“, sagt Nancy Meyer. Natürlich erfülle ihr Nachbar Albrecht auch Musikwünsche. „Ich habe mir einmal »Happy Birthday« für meine Frau gewünscht“, erzählt Uli Meyer.

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Seit 1961 spielt Pohl in wechselnden Bands, auch im Kölner Gürzenich trat er schon auf. Mit seinen Balkonkonzerten hält er es wie die Corona-Pandemie: „Ende offen.“