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BilderbuchmuseumBurg Wissem kauft deutschlandweit einmaligen Zyklus zum Holocaust

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Den Bilderzykus stellten Museumsleiterin Pauline Liesen und Mitstreiterinnen vor. 

Troisdorf – Ein Bilderbuch ist nicht zwangsläufig ein Kinderbuch. „Wir sind kein Museum nur für Grundschulklassen“, betont Pauline Liesen, die Leiterin des Bilderbuchmuseums Burg Wissem. Mehr als deutlich macht das ein Ankauf, den Liesen und der Vorstand des Fördervereins für das Bilderbuchmuseum am Donnerstag vorstellten: ein Konvolut von Siebdrucken der israelischen Künstlerin Merav Salomon, die sich auf höchst außergewöhnliche Weise mit dem Holocaust befassen.

Der Zyklus „The Archive of the Hand of Chance“, wobei „Hand of Chance“ in etwa zu übersetzen ist mit der „Hand des Schicksals“, aber auch des Zufalls, war im Jahr 2018 in einer größeren Ausstellung Salomons in Troisdorf gezeigt worden. Und blieb dort auch, als Merav Salomon wieder abreiste. „Ich hatte immer gehofft, eines Tages die Arbeiten ankaufen zu können“, sagt Liesen. Im vergangenen Jahr gelang der Erwerb dank des Fördervereins um die Vorsitzende Monika Wegener, der mit 5000 Euro die Hälfte des Kaufpreises beisteuerte.

Leben der Urgroßmutter

Die 1967 geborene Illustratorin Merav Salomon erzählt in dem Bilderzyklus die Geschichte ihrer Urgroßmutter aus der Perspektive ihrer Großmutter. Regina Korn ist noch 1939 in Palästina zu Besuch, um ihr neugeborenes Enkelkind zu sehen. Gegen allen Rat kehrt sie mit ihrem Mann nach Polen zurück – und wird von den Nationalsozialisten nach Auschwitz deportiert.

Was die Tochter in Israel nur ahnt, bringt ein schier unglaublicher Zufall später ans Licht: Eine Nachbarin in Jerusalem erzählt von ihren Albträumen und der Geschichte dahinter. Von der Verschleppung nach Auschwitz, von der Hilfe, die „Big Mama“ immer wieder mutig einer Gruppe junger Mädchen zuteil werden lässt.

Vor der heranrückenden Roten Armee werden die überlebenden Insassen des Lagers nach Westen getrieben, die Befreiung von Bergen-Belsen durch britische Truppen überlebt „Big Mama“ nur um drei Wochen. Tatsächlich kennt die Nachbarin auch den richtigen Namen der Retterin: Es ist Regina Korn.

Nie als ganzes Buch erschienen

Als Buch sind die Blätter nie erschienen, einzelne Schlagzeilen stehen an der Stelle eines geschlossenen Textes. Ein Lippenstift, mit dem die Uroma jungen Mitgefangenen die Wangen rötete, damit sie als arbeitsfähig eingestuft wurden und zumindest vorerst überlebten, ist da „The Instrument“ (das Werkzeug).

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Die „Schreie hinter der Tür“ –  erlebte Geschichte, aber auch Anstoß zum Nachdenken. 

„Die Einladung“ zeigt eine Tür, vielleicht kommt hier die Nachbarin, um endlich die Frage nach Regina Kochs Schicksal zu beantworten. „The Not Knowing“ ist ein anderes Blatt überschrieben, Ausdruck der Ungewissheit, des Fragens ohne Antwort.

Anstoß zum Nachdenken

Wer die Familiengeschichte Regina Kochs kennt, wird sie in den Blättern erkennen. Aber, so betont Pauline Liesen, die Drucke seien ein Anstoß der Künstlerin, über die eigene Geschichte nachzudenken und sie zu erzählen.

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Ausdrücklich ermutigt Merav Salomon auch dazu, die Bildfolge beliebig zu verändern. „Das ist neu für uns“, betont Pauline Liesen; eine neue Facette der Bilderbuchkunst, die sonst eher linear Texte begleitet. Auch thematisch hält sie den Zyklus für etwas Besonderes: „In Deutschland finden Sie so etwas nicht.“