Schwerkraft überwundenArtistenschule Berlin zeigte in Troisdorf ihr Können
Troisdorf – „Genießen Sie noch ein paar Minuten den leichten Sommerregen“, übte sich Moderator Maik Paulsen in Zweckoptimismus, als pünktlich zu Beginn der Absolventenshow „Popcorn“ die ersten Tropfen fielen.
Dass das Regenradar zu diesem Zeitpunkt eher Gegenteiliges verkündete, war für den Tour-Manager der Staatlichen Artistenschule Berlin wenig hilfreich. Das Podium vor der Troisdorfer Freilichtbühne war seifenglatt, machte eine geplante Bodenakrobatik (Raoul Rogula, Karim el Nakib) und die Artistik auf einem BMX-Rad (Tim Höfel) unmöglich.
Die rund 250 Besucher nahmen es größtenteils gelassen und harrten unter Regencapes aus, gespannt auf das abgespeckte Restprogramm, das Paulsen („falls es irgendwie geht“) in Aussicht stellte. Die Geduld lohnte sich, zumal ein prächtiger Regenbogen farbenfrohe Abwechslung in die Wartezeit brachte.
Die letzten Tropfen waren noch unterwegs, als sich Larissa Reckter unter das Gestänge für ihre Zwillingsschleifen-Darbietung wagte. Es war ein rassiger Auftakt zu einer letztlich faszinierenden Aufführung, die sogar profitierte von der einsetzenden blauen Stunde mit dem Sonnenuntergang als zusätzlichen Beleuchter, was dem eher nüchternen Begriff Absolventenshow durchaus Strahlendes verlieh.
Perfekt mit Abendsonne
Odilo Natzel (65) ist Dauerabonnent der Troisdorfer Kulturveranstaltungen in den Sommermonaten, auch von Tropen Air. Das Alter gibt der gebürtige Bochumer mit „so alt wie Herbert Grönemeyer, mit dem ich in einer Klasse war“, also mit 65 an. Sein Loblied auf die Kulturveranstaltungen Open Air in diesem Sommer:
„Ich bin total begeistert von dieser Reihe. Beim Straßentheater bringt jeder Künstler seine Handschrift ein und versucht sich auszutesten für die fertigen Programme. Die großen Konzerte sind zwar nicht unbedingt meine Sparte, aber ich komme trotzdem gerne hin. Und der Jazz ist immer ein Traum für mich. Die Möglichkeit, an der Stadthalle innen und außen etwas zu bieten, ist fantastisch. Und wenn hier draußen die Abendsonne die Bühne in unterschiedliche Farben taucht, ist das einfach ein herrliches Ambiente.
Ich sehe mich hier gut aufgehoben, die Leute vom städtischen Kulturamt haben immer ein Auge für die Gäste, kümmern sich auch um individuelle Anliegen. Ich fühle mich familiär angesprochen.“ (loi)
Das war auch so bei Reckters zweitem Auftritt, bei dem sie an der Vertikalstange die Gesetze der Schwerkraft umging und für staunende Gesichter sorgte.
Spielerisch leicht
Viola Schley hatte das Pech, sich durch einen Zwischendurch-Schauer jonglieren zu müssen, was sie indes mit stoischer Ruhe meisterte. So originell wie naheliegend war ihre Art der Präsentation, bei der sie die Erdanziehung nutzte und mit ihren weißen Bällen auch nach unten jonglierte. Es wurde vom dankbaren Publikum ebenso gefeiert wie später ihre Nummer mit fluoreszierenden Stäben.
Johanna Häußlers geplante Tanzakrobatik musste ebenfalls ausfallen. Dafür begeisterte sie umso mehr mit einer atemberaubenden Nummer, an Tüchern durch den Abendhimmel wirbelnd. Im selben Medium waren Lenya Lev am Trapez und Luzie Marschke am Luftring unterwegs. Sie agierten mit einer Selbstverständlichkeit, die ihre komplizierten Balance-Aktionen, tänzerischen Elemente und kraftraubenden Körperverdrehungen spielerisch leicht aussehen ließen.
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„Es war schon speziell heute“, sagte Maik Paulsen hinterher. Er hatte vor einigen Jahren die Idee, mit den Absolventen, die sich nach ihrem erfolgreichen Abschluss „Staatlich geprüfte Artisten“ nennen dürfen, auf Tournee zu gehen. „Sonst waren die zunächst immer beschäftigungslos“, so der Manager: „Mittlerweile hat sich das Projekt mit großem Erfolg etabliert.“