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Bruch des Assad-RegimesSyrischer Geflüchteter aus Troisdorf: „Wir wollen Hoffnung“

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Exil-Syrer feiern in Mainz den Sturz des Assad-Regimes und schwenken dabei die syrische Nationalflagge.

Exil-Syrer feiern in Mainz den Sturz des Assad-Regimes und schwenken dabei die syrische Nationalflagge. Auch im Rhein-Sieg-Kreis gibt der Umsturz in Syrien Geflüchteten Hoffnung.

Das Assad-Regime ist in der Nacht von Samstag auf Sonntag zerbrochen. Ein syrischer Geflüchteter aus Troisdorf beschreibt die Situation aus seiner Sicht.

Die Ereignisse überschlugen sich in der Nacht auf Sonntag in Damaskus: Rebellen der islamistischen Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS) eroberten die syrische Hauptstadt unter der Führung von Abu Mohammed al-Dscholani. Das Assad-Regime brach zusammen, Baschar al-Assad flüchtete russischen Medien zufolge nach Moskau.

Der vom Regime ausgelöste Bürgerkrieg, der seit 13 Jahren getobt hat, forderte bis zu einer haben Million Todesopfer. Mehrere Millionen Menschen waren zur Flucht gezwungen. Einer von ihnen ist Jalil Amin, der heute in Troisdorf lebt. Wir haben mit ihm über die Ereignisse des Wochenendes gesprochen. Seinen Namen haben wir geändert, da er aus Furcht vor möglichen Folgen für sich und seine Familie anonym bleiben möchte.

Geflohener Jalil Amin aus Troisdorf: Vorsicht statt großer Freude

Seit 2015 lebt Jalil Amin in Troisdorf, der 54-Jährige flüchtete mit seiner Ehefrau und vier Kindern. Zwei seiner Geschwister leben in Damaskus. Von ihnen höre er aktuell aber nicht viel: „Die Situation ist mit großer Vorsicht zu behandeln. Wir wissen noch nicht, ob die Lage jetzt gut ist oder nicht. Wir warten und warten, 14 Jahre lang, unsere Städte sind zerstört, und dann kommt so etwas - ich verstehe noch nicht, wie das sein kann. Wir müssen also noch weiter warten.“

Als Jalil Amin am Wochenende die Nachrichten hörte, konnte er kaum glauben, was geschehen sein sollte. „Ich bin glücklich, natürlich – wir haben das hässliche Assad-Regime seit fast 60 Jahren. Es ist schon lange genug, es braucht einen Wechsel.“ Seit 1966 war Hafiz al-Assad Verteidigungsminister in Syrien, seit 1970, Jalil Amins Geburtsjahr, regierte er das Land diktatorisch. Im Jahr 2000 folgte die diktatorische Herrschaft seines Sohnes.

Wenn wir seinen Namen aussprechen, haben wir Angst.
Jalil A.

„Seit ich geboten wurde bis jetzt, immer gehörte die Macht in Syrien nur dieser Familie. Für uns war es unvorstellbar, dass das einmal enden würde. Von Anfang an haben wir in der Schule nur Fotos und den Namen von Assad gesehen, er war überall.“ Jalil Amin vergleicht das syrische Regime mit der DDR: „Die Hälfte unserer Leute waren Spione für ihn. Die Leute hatten kein Vertrauen mehr in ihren Bruder oder ihre Schwester. Wenn wir seinen Namen aussprechen, haben wir Angst.“

Natürlich habe er Hoffnung, dass sich jetzt endlich etwas ändern könnte. Er habe die Hoffnung, seine Familie in Syrien bald wiedersehen zu können. Seine Geschwister, seinen Onkel, seine Cousinen und andere Verwandte, die in Südsyrien leben. Das Dorf, aus dem seine Familie kommt, und sein Haus. „Jeder hat natürlich Heimweh. Es gab nie eine Chance, zurückzukommen. Jetzt kann es sein, dass etwas Neues auf uns zukommt.“

Amin ist skeptisch über die schnelle Wendung der Ereignisse: „Wer hat al-Dscholani geholfen? Wie konnte das so plötzlich passieren? Ich habe keine Antworten darauf. Aber wahrscheinlich ist er auch nur eine Marionette von internationalen Mächten, die ihn gestützt haben.“

Jeder hat natürlich Heimweh. Es gab nie eine Chance, zurückzukommen.
Jalil A.

Die Geschichte von al-Dscholani bleibe nach wie vor schwierig, sagt Jalil Amin: „Er hatte diese Verbindungen zu al-Kaida und sagt, er hätte sich davon entfernt. Mit ihm haben wir aber vielleicht das gleiche Problem wie der Iran, wie Afghanistan. Wir brauchen normale, zivile Menschen ohne militärische Geschichte in der Regierung.“ Amin befürchtet, dass es für Syrien letztendlich nur zwei politische Ausgänge geben könnte: eine Diktatur oder eine radikale muslimische Regierung.

„Wir wollen mit unserer Familie wieder nach Syrien, ohne Angst, ohne Zweifel. Wir wollen Hoffnung“, sagt Jalil Amin. Bilder von feiernden Menschen auf den Straßen von Damaskus solle man vorsichtig betrachten: „Haben sie in den Videos, die in den Medien sind, eine Frau ohne Kopftuch auf den Straßen feiern sehen? Wo sind diese Leute? Sie haben Angst.“

Politikerinnen und Politiker der deutschen Regierung diskutierten bereits über Abschiebungen syrischer Geflüchteter. Jalil Amin sieht dies gelassen: „Ich habe die deutsche Staatsangehörigkeit. Ich habe einen deutschen Pass. Deswegen habe ich nicht viel Angst. Ich arbeite in Vollzeit. Ich versuche, mir keine Sorgen zu machen und mich auf der sicheren Seite zu sehen.“