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Kommentar zu Scholz' Charme-OffensiveDie neue Sehnsucht nach Rot-Grün

Lesezeit 3 Minuten
Triell Scholz

Olaf Scholz beim RTL-Triell 

In der Frage, welche der drei Parteien mit dem Ziel Kanzleramt nun als echter Favorit auf den 26. September zusteuert, hat auch das erste Triell im TV keine neue Erkenntnis gebracht. Das Rennen ist offen. Umso interessanter ist eine neue alte Allianz, die sich gezeigt hat: Rot-Grün. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz und Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock waren bei aller Konkurrenz auffällig nah beieinander. Vor allem Scholz ließ immer wieder durchblicken, dass er die Grünen als Partner sieht - freilich in einer Kanzlerschaft mit ihm.

Wenn die Demoskopen aktuell nach den bevorzugten Koalitionen fragen, ergibt sich ein noch viel bunteres Bild als in der Sonntagsfrage. Keine der vielen möglichen Dreier-Bündnisse hat wirklich Rückhalt in der Bevölkerung. Dennoch interessant: Die jeweils beliebtesten Bündnisse führen SPD und Grüne an: eine Ampelkoalition oder ein Linksbündnis mit den Linken. Letzteres haben SPD und Grüne trotz der offensichtlichen Regierungsunfähigkeit der Linken auf Bundesebene nicht ausgeschlossen. Das wiederum ist Anlass für die Union zu Kampagnenzwecken die roten Socken aus dem Schrank zu holen.

Linke als taktische Option

Dass SPD und Grüne tatsächlich mit den Linken eine Bundesregierung bilden, ist äußerst unwahrscheinlich. Als taktische Option sind die Linken aber nützlich. Denn für FDP-Chef Christian Lindner dürfte es schwierig werden, seine Basis zu überzeugen, sollte er in einer Ampel-Koalition den Steigbügelhalter für Rot-Grün macht. Wenn er aber heldenhaft darauf verweisen kann, damit die Republik vor einem Linksbündnis bewahrt zu haben, sieht die Sache schon wieder anders aus.

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Das unentschlossene Bild der Wählerinnen und Wähler in den Umfragen lässt sich mit dem Gemütszustand der Nation erklären: Die Menschen wissen einerseits, dass in Sachen Klimaschutz, Digitalisierung, Verkehr, alternde Gesellschaft und Bildung dringend Innovationen angeschoben werden müssen. Für Umschwung und Innovation wählt man normalerweise eine neue Regierung - wie 1998, als auf 16 Jahre Helmut Kohl das sogenannte rot-grüne Projekt folgte. Andererseits sehnen sich die Bürgerinnen und Bürger in Zeiten von Corona, Flut und internationaler Krisen nach einer Fortsetzung des Prinzips Merkel, durch das stets globale Krisen vom Alltag in Deutschland weitgehend ohne Auswirkungen blieben.

Es läuft ein Wer-macht-es-wie-Merkel-Wettbewerb

Die besten Chancen auf den Wahlsieg hat also die Partei, die vermittelt, in Koalition mit einer oder zwei anderen Parteien beides abdecken zu können. Lange sah es so aus, als liefe diese Anforderung auf die Bewahrer-und-Modernisierer-Kombi Schwarz-Grün hinaus - möglicherweise noch im Bündnis mit der FDP.

Nun aber hat ausgerechnet der Sozialdemokraten Olaf Scholz die Nase vorn im Wer-macht-es-wie-Merkel-Wettbewerb. Seine Charme-Offensive gegenüber den Grünen, die im Triell am Sonntagabend sichtbar wurde, ist also nachvollziehbar: Wenn Scholz im Wahlkampf darauf setzt, dass er niemandem etwas zumuten möchte, außer vielleicht dem äußerst geringen Anteil der Best-Verdiener und sehr Vermögenden im Land, dann braucht er dringend einen Reformmotor an seiner Seite. Das wären die Grünen, die einzige Partei, die im Wahlkampf so ehrlich ist, auch zu formulieren, dass echter Klimaschutz nicht zum Nulltarif und am Ende auch nicht ohne Einschränkungen zu haben ist.

Durch diese SPD-Taktik ist die Union in die Defensive geraten. Selbst für diejenigen, die sich ein Weiter-So wünschen, ist Laschet nicht unbedingt die erste Wahl, so lange sich Scholz derart durch den Wahlkampf merkelt. Wenn sich aktuelle Trends verfestigen, könnte am Ende Rot-Grün eine Koalitionsoption sein. Als Schreckgespenst taugt diese Kombination anders als ein Linksbündnis jedenfalls nicht.