Cyber-AngriffeWie gewappnet ist Deutschland für digitalen Krieg?
Berlin – Seit vier Monaten bombardiert das russische Militär ukrainische Städte, tötet Soldaten und Zivilisten. Doch einen anderen Krieg gegen sein Nachbarland führe Russland schon viel länger, sagt Christian Dörr. Mit dem Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar habe zwar der „kinetische Krieg“ begonnen, erklärt der Cybersicherheits-Professor des Hasso-Plattner-Instituts bei der Potsdamer Konferenz für Nationale Cybersicherheit. Doch schon viel früher habe Russland seinen Nachbarn im digitalen Raum angegriffen.
Cyberangriffe gehören seit Jahren zum Repertoire des russischen Staates. Auch in den Tagen vor Kriegsbeginn im Februar versuchten russische Angreifer, kritische Infrastrukturen im Nachbarland lahmzulegen.
Ukraine schwächen, Informationen gewinnen
Ziel dieser Angriffe sei es gewesen, die Ukraine zu schwächen und Informationen zu gewinnen, sagt Jürgen Setzer, Generalmajor des Heeres und stellvertretender Inspekteur im Kommando Cyber- und Informationsraum (CIR) der Bundeswehr auf der Potsdamer Konferenz.
Krieg, das gilt nicht nur in der Ukraine, ist längst eine digitalisierte Angelegenheit. Dank moderner Technik sei das ukrainische Militär in der Lage gewesen, Aufklärungsergebnisse aus Sensoren, Drohnen oder Meldungen aus der Zivilbevölkerung nahezu in Echtzeit in Zielkoordinaten für seine Artillerie zu übersetzen, erklärt Setzer. „Es ist davon auszugehen, dass das im Gefecht um Kiew und Cherson erfolgreich angewendet wurde“, sagt er.
Die Digitalisierung trägt auch zum Schutz der eigenen Truppen bei – etwa durch die Verwendung verschlüsselten und abhörsicheren Digitalfunks. Welche Auswirkungen es haben kann, wenn solche Kommunikationsmittel fehlen, zeigt sich ebenfalls im Krieg in der Ukraine – besonders auf Seiten der russischen Armee. Den russischen Soldaten fehlten entsprechende Funkgeräte gerade in der Anfangsphase des Kriegs häufig. Das habe wesentlich zu den Schwierigkeiten beigetragen, Putins Kriegsziele in den ersten Tagen zu erreichen, erklärt Jürgen Setzer.
Wie gut ist Deutschland für digitale Kriegsführung gewappnet?
Doch wie gut ist Deutschland gewappnet, für dieses neue Zeitalter der Kriegsführung? Die Struktur und die Fähigkeiten des Bundeswehr-Cyberkommandos hätten sich seit seiner Gründung vor fünf Jahren mehr als bewehrt, sagt Setzer. „Das wird auch international anerkannt.“
Kritischere Worte findet die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die FDP-Politikerin sieht bedenkliche Lücken. „Die Bundeswehr hat enormen Nachholbedarf im Bereich Cyber und Digitalisierung“, sagte sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Das zeigt sich schon dadurch, dass unsere Bundeswehr mit ihren unfassbar veralteten Funkgeräten nicht einmal mehr in der Lage ist, in gemeinsamen Übungen, teils auch unter deutscher Führung, mit Verbündeten zu kommunizieren“, kritisierte Strack-Zimmermann. „Und wenn sie es kann, hört der Feind direkt mit. Das ist inakzeptabel.“
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„Die Bundeswehr muss dauerhaft in der Lage sein, Angriffsversuche flächendeckend früh zu erkennen und abwehren zu können“, sagte die Verteidigungspolitikerin. Dafür brauche es auch mehr Austausch und Zuständigkeitsabsprachen mit zivilen Behörden, außerdem müsse mehr qualifiziertes Personal angeworben werden.Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter fordert nicht nur eine bessere digitale Abwehr, sondern auch Angriffskapazitäten für die Bundeswehr.
„Im Militär dienen Cyberangriffe häufig dazu, eine konventionell militärische Operation zu flankieren“, sagte Kiesewetter dem RND. „Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass die Bundeswehr in engen Grenzen des Völkerrechts und in Abstimmung mit den Partnern selbständig Cyberangriffe wie auch eine gestärkte Cyberabwehr durchführen können muss, allein schon als Fähigkeit zur Abschreckung“, ergänzte er.