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Der Krieg ist auch ein Cyber-KriegWie Hacker der Ukraine helfen sollen

Lesezeit 5 Minuten
Kiew Flagge

Die ukrainische Flagge über Kiew

Hannover – Dass Krieg nicht nur aus der Luft und am Boden geführt wird, wird spätestens mit einem Blick auf die Schlagzeilen am Freitag deutlich. Das Hacker-Kollektiv Anonymous hat angekündigt, „groß angelegte“ Cyberangriffe auf die russische Regierung durchzuführen. Am Freitag waren beispielsweise Regierungswebsites und auch die Seite des Propagandasenders RT stundenlang nicht zu erreichen.

An anderer Stelle werden derweil Hackerinnen und Hacker dazu aufgerufen, der Ukraine zu helfen. Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, sollen in speziellen Foren Anzeigen gepostet worden sein, mit denen gezielt IT-Expertinnen und -Experten gesucht wurden. Welche Rolle spielen Cyberangriffe im Krieg Russlands gegen die Ukraine?

Vor den Angriffen kamen die Cyberattacken

Klar ist: Alle möglichen kritischen Infrastrukturen eines Landes laufen mit Computersystemen - und sind daher auch potenziell von Russland angreifbar. Dazu gehören beispielsweise Kraftwerke, die Finanzindustrie, die Ernährungsbrache oder Telekommunikationsdienste, wie der IT-Experte Manuel Atug dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) erklärt.

Schon in der Vergangenheit hatte es immer wieder Hackerangriffe auf die Ukraine gegeben, meistens wurde Russland als Verursacher vermutet. Zuletzt beispielsweise Mitte Januar, als zahlreiche Regierungswebsites des Landes von Hackern verunstaltet wurden - oder ein Angriff auf ukrainische Banken vorige Woche. Seit einigen Wochen gibt es beinahe tagtäglich neue Berichte über Attacken auf Websites, Banken, Regierungs- und Militärstellen.

Auch am Mittwoch, und damit einen Tag vor den tatsächlichen Angriffen auf die Ukraine, griffen russische Hacker in die kritische Infrastruktur der Ukraine ein. Die Internetseiten des Parlaments, der Regierung und des Außenministeriums wurden zeitweise lahmgelegt, auch die Seiten des Verteidigungs- und Innenministeriums sowie des Inlandsgeheimdiensts SBU wurden schwer gestört.

Eine Schadsoftware löschte zudem Daten auf hunderten Rechnern, wie das IT-Sicherheitsunternehmens Eset mitteilte. Sicherheitsanalysten und westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass bei den Angriffen die Elite der russischen Cybertruppen agiert.

Sicherheitslücken finden und stopfen

Manuel Atug vermutet, dass die aufgerufenen Hackerinnen und Hacker jetzt genau diese kritischen Infrastrukturen schützen sollen. Dabei sollten die Fachleute am besten versuchen, Schwachstellen zu finden, zu melden und schließen zu lassen, sagt der Experte. „Idealer Weise wird diese Aufgabe von der Regierung koordiniert, und zwar durch das Computer Emergency Response Team (CERT).“ Darunter versteht man ein Expertenteam, das gemeinsam an der Lösung von konkreten Sicherheitsvorfällen arbeitet.

Die Hackerforen, in denen die Aufrufe verbreitet wurden, hält Atug für genau die richtige Adresse, um Fachkräfte zu rekrutieren. „Es gibt ganz unterschiedliche Foren“, erklärt der Fachmann. Manche seien frei über den Browser zugänglich, andere seien eher versteckt und über den Tor-Browser aufrufbar, wenn man die genaue Adresse kennt. „In der Regel tauschen sich Hacker in diesen Foren aus und diskutieren beispielsweise über Schwachstellen in bestimmten Systemen und wie man diese absichert. Da liegt es nahe, dort auch Fachleute direkt anzusprechen, wie im aktuellen Fall.“

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Laut Reuters heißt es in einem Posting unter anderem: „Ukrainische Cybercommunity! Es ist an der Zeit, sich an der Cyberverteidigung unseres Landes zu beteiligen.“ Gesucht werden dem Bericht zufolge IT-Expertinnen und -Experten, die bereit sind, die kritischen Infrastrukturen des Landes zu schützen oder Cyberspionage-Aufträge gegen russische Truppen anzunehmen. Bewerbungen seien über ein Google-Doc möglich. Dort können Freiwillige berufliche Referenzen und ihre Fachgebiete angeben, wie zum Beispiel Malware-Entwicklung.

„Angriffe gegen Russland hochgefährlich“

Yegor Aushev, Mitgründer eines Cybersicherheitsunternehmens in Kiew, erklärte der Nachrichtenagentur, er habe den Beitrag auf Anfrage eines hochrangigen Beamten des Verteidigungsministeriums verfasst.

Die Freiwilligen würden in defensiv und offensiv agierende Cybereinheiten eingeteilt. Die defensive Einheit würde zum Schutz kritischer Infrastrukturen wie Kraftwerken und Wassersystemen eingesetzt. Die offensive Freiwilligeneinheit solle dem ukrainischen Militär helfen, digitale Spionageoperationen gegen russische Truppen durchzuführen.

IT-Experte Manuel Atug bereiten die Ankündigungen Sorgen. „Ich kann nur hoffen, dass sich die Hacker, die sich bei dem Aufruf melden, tatsächlich auf die defensive Cybersicherheit des eigenen Landes konzentrieren und auf keinen Fall versuchen, offensiv zu agieren und zum Beispiel Russland anzugreifen. Das gäbe Putin einen Grund, sich zu verteidigen und würde die Lage noch viel schlimmer machen. Des weiteren handelt man dann auch als Kombattant in einem Krieg. Die Ankündigung von Anonymous beispielsweise halte ich für sehr bedenklich und nebenbei für hochgefährlich“, sagt Atug.

Russische Websites offline

Das Hacker-Kollektiv hatte am Donnerstag nach eigenen Angaben einen „Cyberkrieg“ gegen Russland ausgerufen. So war schon in der Nacht zu Freitag die Website des Senders RT nicht mehr zu erreichen. Am Freitagnachmittag waren RT.com und auch die Seite kremlin.ru nicht aufrufbar.

Auf Twitter erklärten die Hacker dazu: „Das Anonymous-Kollektiv hat die Website des russischen Propagandasenders RT News abgeschaltet.“ In einem anderen Post hieß es: „Mehrere Webseiten der russischen Regierung sind nicht erreichbar.“

In weiteren Posts ruft das Hacker-Kollektiv dazu auf, die Ukraine zu unterstützen. „Es ist unvermeidlich, dass auch der private Sektor betroffen sein wird“, hieß es da etwa. So waren am Freitag auch verschiedene russische Internetprovider betroffen. Das Kollektiv setze sich für Frieden in der Welt ein. Die Aktion richte sich nicht gegen die russische Bevölkerung.

Aus dem Krieg könnte ein Cyber-Krieg werden

Die Cyber-Attacken Russlands auf andere Staaten sind derweil nicht neu. Schon 2008 hatte Russland die Infrastruktur und das Kommunikationssystem von Georgien angegriffen, ehe später die Truppen einmarschierten. Auch Websites der georgischen Regierung wurden lahmgelegt, später richteten sich die Angriffe auch gegen Banken, Unternehmen, Schulen und Nachrichtenmedien.

IT-Experten und die Politik befürchten, dass sich der Krieg auch zu einem Cyberkrieg zwischen Russland und dem Westen ausweiten könnte. So erwägt US-Präsident Joe Biden offenbar massive Cyberangriffe auf Internetverbindungen, die Stromversorgung und den Zugverkehr in Russland, wie der US-Sender NBC News unter Berufung auf amerikanische Sicherheitskreise berichtet.

Mit Attacken auf Internetverbindungen, Stromversorgung und Zugverkehr könne vor allem die russische Armee getroffen und ihr Vormarsch in der Ukraine gestört werden. Eine Entscheidung soll Biden allerdings noch nicht getroffen haben.

Cyber-Attacken in Deutschland befürchtet

Auch Sicherheitsbehörden in Deutschland befürchten massive Cyberattacken. Bundesinnenministerin Nancy Faeser erklärte bereits Anfang der Woche nach einer Beratung mit den Innenministern der Länder: „Die Sicherheitsbehörden haben die Schutzmaßnahmen zur Abwehr etwaiger Cyberattacken hochgefahren und relevante Stellen sensibilisiert.“

Zuvor hatte schon Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) mitgeteilt: „Ich habe unsere Behörden angesichts möglicher Cyberangriffe aus Russland angewiesen, sich auf alle möglichen Szenarien vorzubereiten“. Die Behörden der Landes- und auch Kommunalverwaltungen seien auf besondere Schutzmaßnahmen vorbereitet und sensibilisiert worden.