Dänemark als VorreiterBrauchen Kinder und Jugendliche noch Corona-Impfungen?
Berlin – Kinder und Impfungen – das war schon immer ein gesellschaftliches Streitthema. Ganz gleich, ob es um Impfungen gegen Polio oder Masern ging, oder wie jetzt gegen Covid-19. Für die einen sind Impfstoffe der beste Schutz vor gefährlichen Krankheiten, für die anderen sind sie ein potenziell gefährlicher und schädigender Eingriff in den kindlichen Körper. Auch bei den Corona-Impfstoffen standen Eltern vor der schwierigen Entscheidung: Lasse ich mein Kind impfen, oder nicht?
Behörden und Fachleute waren sich einig: Der Nutzen der Corona-Impfung für Kinder und Jugendliche ist größer als mögliche Risiken. Mittlerweile sind knapp 70 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen in Deutschland grundimmunisiert, rund 30 Prozent haben sogar bereits eine Auffrischungsimpfung erhalten. Bei den Fünf- bis Elfjährigen fällt die Impfquote geringer aus: In dieser Altersgruppe haben aktuell 20 Prozent zwei Impfungen erhalten.
Kinder und Jugendliche erkranken seltener schwer
Kinder und Jugendliche haben den Vorteil, dass sie grundsätzlich seltener schwer an Covid-19 erkranken. Mit der Virusvariante Omikron ist das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf noch einmal gesunken. Deshalb hat Dänemark nun beschlossen: Unter 18-Jährige brauchen sich künftig nicht mehr gegen Covid-19 impfen lassen.
Nur wer ein erhöhtes Risiko hat, schwer zu erkranken, soll nach individueller Beurteilung durch einen Arzt oder eine Ärztin weiterhin die Möglichkeit einer Impfung erhalten. Sollte Deutschland ähnlich verfahren?
Was die Ständige Impfkommission empfiehlt
Für Burkhard Rodeck ist die Antwort darauf klar: „Nein.“ Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) rät weiterhin, sich an der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zu orientieren.
Die Impfempfehlung des Gremiums sieht vor: Alle Kinder und Jugendliche zwischen zwölf und 17 Jahren sollten sich dreimal gegen Covid-19 impfen lassen. Zwei Impfdosen braucht es für eine Grundimmunisierung, die dritte Dosis dient zur Auffrischung des Impfschutzes. Zum Einsatz kommen soll das mRNA-Vakzin von Biontech und Pfizer. Zwölf- bis 17-Jährige, die ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf infolge einer Grunderkrankung haben, brauchen auch noch eine zweite Auffrischungsimpfung, rät die Stiko.
Virusevolution ist entscheidend
Vier Impfungen empfiehlt die Impfkommission auch für Fünf- bis Elfjährige, die Vorerkrankungen haben. Dazu zählen beispielsweise Übergewicht, Diabetes mellitus, Trisomie 21, Tumorerkrankungen, angeborene Herzfehler oder eine Immunschwäche. Gesunde fünf- bis elfjährige Kinder sollen wiederum nur eine einzelne Impfdosis erhalten. Auf Wunsch, nach ärztlicher Aufklärung und mit Einwilligung der Eltern kann aber noch eine zweite Impfung verabreicht werden. Für unter Fünfjährige gibt es aktuell keine Impfempfehlung.
Kinder und Jugendliche gar nicht mehr gegen Covid-19 zu impfen, kann riskant sein. Denn noch ist nicht klar, wie sich das Coronavirus weiter entwickeln wird, welche neuen Varianten sich herausbilden werden. „Die Möglichkeit, dass hochvirulente Varianten entstehen, die also wieder krankmachender sind, ist nicht von der Hand zu weisen – und wir sollten uns auch dagegen schützen“, sagte Kindermediziner Rodeck.
Impfungen und Infektionen schaffen „Superimmunität“
Die Impfungen sorgen für einen gewissen Basisschutz. Die Antikörper, die dabei vom Immunsystem gebildet werden, verhindern, dass sich das Virus im Körper ausbreiten und vermehren kann. Entsprechend sinkt das Risiko, im Fall einer Infektion schwer zu erkranken und zu sterben. Diese Wirkung haben die Impfstoffe nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern.
Deutschland setzt vor allem auf eine Hybridimmunität. Gemeint ist damit ein Immunschutz basierend auf Impfungen und Infektionen. In internationalen Studien hat sich gezeigt, dass Geimpfte, die sich mit Corona anstecken, eine stärkere und länger anhaltende Immunantwort aufbauen. Oftmals ist von einer sogenannten „Superimmunität“ die Rede.Auch deshalb wäre es wichtig, Kinder und Jugendliche weiter zu impfen. Ohne die Impfungen bleibt ihnen nur eine Infektion mit dem Coronavirus, um eine Immunität aufzubauen. Und diese Form des Schutzes hat sich als wenig langlebig herausgestellt.
Long Covid und PIMS auch bei Omikron-Infektionen möglich
Mit Omikron sind Reinfektionen, also erneute Infektionen innerhalb kurzer Zeit, sogar wahrscheinlicher geworden. Zudem müssen nicht alle, die sich mit dem Virus infizieren, eine gute Immunreaktion entwickeln. Eine Impfung kann die Immunantworten von Genesenen noch einmal verstärken. Deshalb betonte DGKJ-Generalsekretär Rodeck: „Wenn wir jede Corona-Infektion und Impfung nutzen und so einen guten Immunschutz aufbauen, sind wir einfach besser geschützt.“
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Die dänischen Behörden argumentieren jedoch, dass Kinder und Jugendliche diesen Schutz gar nicht brauchen. Denn infizieren sie sich mit Omikron, erkranken sie ohnehin nur in seltenen Fällen schwer. Es stimmt zwar, dass die Virusvariante weniger krankmachend ist als noch die vorherige Variante Delta. Nichtsdestotrotz kann es bei den Jüngsten weiterhin zu Spätfolgen kommen, auch als Long Covid bekannt. Wie häufig und wie stark sie davon betroffen sind, ist nach wie vor nicht ganz klar.
Ebenso besteht weiterhin die Gefahr, dass mit Corona infizierte Kinder PIMS entwickeln – das sogenannte Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome. Diese Entzündungsreaktion tritt meist wenige Wochen nach der Corona-Infektion auf. Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte spricht davon, dass es statistisch jeden Tag ungefähr einen PIMS-Fall in Deutschland gibt. „Auch diese schwere Erkrankung hoffen wir, durch eine Impfung vermeiden zu können“, teilte der Verband auf Anfrage mit. (rnd)