Manch einem gilt Runda als Schlüssel für die Lösung des Migrationsstreits. Bei Außenministerin Annalena Baerbock steht bei ihrem Besuch das Gedenken an den Völkermord von 1994 und die Eröffnung einer Biontech-Impfstoffproduktionsstätte auf dem Programm. Und es gibt eine Besonderheit fürs Reisegepäck.
Die Außenministerin auf ReiseWas macht Annalena Baerbock in Ruanda?
Kurz vor Weihnachten macht sich Außenministerin Annalena Baerbock noch einmal auf die Reise und dabei gibt es eine Vorgabe: Keine Plastiktüten mitnehmen.
Für einen Tag fliegt die Grünen-Politikerin nach Ruanda. Dort sind Plastiktüten wegen ihrer Umweltschädlichkeit verboten.
Zentraler Programmpunkt für Baerbock ist die Eröffnung einer Produktionsstätte für mRNA-Impfstoff der durch ihren Corona-Impfstoff bekannt gewordenen deutschen Firma Biontech in der Hauptstadt Kigali. Die Produktion von Impfstoffen gegen Covid-19 und später möglicherweise auch gegen Tuberkulose und Malaria soll im kommenden Jahr starten.
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Die Ansiedlung der Produktionsanlage ist auch eine Folge der Erfahrungen aus der Corona-Pandemie: Afrikanische Länder beklagten, dass die finanzstarken westlichen Industrieländer bei der Impfstoff-Verteilung zuerst an sich selbst gedacht hätten. Was in Kigali produziert wird, soll künftig an die Mitgliedsstaaten der Afrikanischen Union verteilt werden. Die Afrikanische Union strebt an, das bis zum Jahr 2040 60 Prozent der auf dem Kontinent gebrauchten Impfstoffe auch dort produziert werden.
Gedenken an den Völkermord
Nach einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen Vincent Biruta besucht Baerbock zudem die Gedenkstätte für die Opfer des Völkermords an den Tutsi. Die Hutu-Mehrheit hatte 1994 Jagd auf die Tutsi-Minderheit gemacht. Mindestens 800.000 Menschen wurden innerhalb von 100 Tagen ermordet, Hunderttausende Opfer sexueller Gewalt.
Ein anderes Thema schwingt mit bei dieser Reise, und es lässt sich vermuten, dass Baerbock ihre Reisepläne auch danach ausgerichtet hat. In der Debatte um die Migrationspolitik hat das Stichwort Ruanda in Europa gerade einen besonderen Klang. Der „Ruanda-Plan“ wirkt auf manche offenbar wie ein Zaubermittel.
Die britische Regierung will irregulär eingereiste Menschen künftig nach Ruanda ausfliegen – ohne ihren Asylantrag zu prüfen. Auch die Herkunft der Betroffenen soll dabei keine Rolle spielen. Das Oberste Gericht Großbritanniens hat den Plan für rechtswidrig erklärt. Die Regierung will dies umschiffen, indem sie Ruanda zum sicheren Drittland erklärt. Ausgeschlossen werden soll per Gesetz, dass die Betroffenen auf Einhaltung von Menschenrechten klagen. Premierminister Rishi Sunak hat entsprechende Gesetze vergangene Woche knapp durchs Parlament gebracht.
Das Ruanda-Modell in der Migrationsdebatte
Auch der Migrationsforscher Gerald Knaus von der Denkfabrik Europäische Stabilitätsoffensive hält das Ruanda-Modell für eine gute Idee. Knaus war in der Regierungszeit von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wesentlich beteiligt an der Erarbeitung des EU-Türkei-Abkommens, durch das die Weiterreise von Migrantinnen und Migranten aus der Türkei in die EU gebremst wird.
In Deutschland hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) ins Gespräch gebracht, Asylverfahren in Länder außerhalb der EU zu verlagern. Rechtlichen Bedenken gegen die Ruanda-Idee kommen allerdings ebenfalls aus der Union. „Es liegt kein Segen darauf. Es stellen sich Fragen nach den Sozialstandards und den Menschenrechten vor Ort. Solche Modelle können selbst auch zu Spannungen in den Ländern führen - das wäre am Ende kontraproduktiv“, sagte der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder im November in einem RND-Interview.
Widerstand gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Europa
Ruanda hat mit die höchste Bevölkerungsdichte afrikanischer Länder. Es ist eines der ärmsten Länder der Welt. 50 Prozent der Bevölkerung lebt nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Armut. Die Menschenrechtslage gilt als kritisch. Um Flüchtlinge aus Deutschland aufnehmen zu können, müsste es zum sicheren Drittstaat erklärt werden.
Widerstand gegen die Aufnahme von Flüchtlingen aus Europa kommt durchaus auch aus Ruanda. „Das sind nicht unsere Flüchtlinge, sondern die der Briten“, sagte der Vorsitzende der grünen Partei von Ruanda, Frank Habineza, kürzlich der Wochenzeitung „Die Zeit“ mit Blick auf die Londoner Vorhaben. „Die Menschen aus Großbritannien haben nie darum gebeten, nach Ruanda zu kommen.“
Außenministerin Baerbock hat Ruanda zuletzt noch aus ganz anderen Gründen erwähnt: Der Anteil von Frauen im Parlament von Ruanda liege deutlich über dem im Bundestag, betonte sie bei der Vorstellung der Leitlinien für feministische Außenpolitik. „Wir sehen, dass in anderen Regionen der Welt man uns auch in manchem voraus ist.“