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Kommentar zum Parteitag im Weißen HausTrump hat Tabubrüche zum Markenzeichen gemacht

Lesezeit 3 Minuten
Trump White House

US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus

  1. Am Donnerstag tritt der US-Präsident Donald Trump beim Parteitag der Republikaner mit seiner großen Wahlkampf-Rede auf.
  2. Es wird ein Tabubruch: Denn zum ersten Mal veranstaltet ein Präsident seinen Wahlkampf im offiziellen Amtssitz.
  3. Dabei hat der Immobilienmogul Tabubrüche und Verstöße gegen Normen längst zu seinem Markenzeichen gemacht.
  4. Die wirklichen Probleme der USA blenden der Präsident und die Republikaner hingegen gekonnt aus. Ein Kommentar.

Man darf eine eindrucksvolle Inszenierung erwarten, wenn Donald Trump an diesem Donnerstag mit einer großen Rede vor ein paar hundert geladenen Gästen und der nächtlichen Kulisse des Weißen Hauses den Parteitag der US-Republikaner beendet. Es wird ein Tabubruch sein wie so viele bei dieser surrealen Veranstaltung: Nie in der jüngeren Geschichte hat ein Präsident seinen parteipolitischen Wahlkampf im offiziellen Amtssitz eröffnet.

Der Verstoß gegen Normen und die Geringschätzung des Rechts sind Markenzeichen des Immobilienmoguls. Trump findet nichts dabei, im Weißen Haus die Kopfkissen oder die Konserven von befreundeten Unternehmern anzupreisen. Für zwei Videofilmchen auf den Republikaner-Conventions hat er im Regierungssitz einen Bankräuber begnadigt und fünf Migranten eingebürgert. Alles ist Show und die amerikanische Präsidentschaft zum Marketingartikel eines Egomanen verkommen.

Donald Trump hat die Republikaner gekapert

Doch nicht nur das Amt hat Trump gekapert, sondern auch seine Partei. Dazu boten die vergangenen Tage drastisches Anschauungsmaterial. Die 1854 im Kampf gegen die Sklaverei gegründeten Republikaner sind unter dem Populisten zu einer prinzipienlosen Sekte von Opportunisten verkommen, deren gemeinsamer Nenner der Personenkult für den 74-Jährigen ist. "Ich bete jede Nacht: Gott, gib ihm vier weitere Jahre!", bekannte zu Beginn des Parteitags ein früherer Football-Star. Es folgten zahllose Oden an den Twitter-Pöbler, der mal als "Visionär", mal als "Hüter Amerikas" und mal als "Leibwächter der westlichen Zivilisation" gepriesen wurde. Sechs Familienmitglieder durften ihren Patriarchen beweihräuchern. Der nordkoreanische Diktator Kim Jong-Un hätte seine Freude gehabt.

Wo gemeinsame Werte, Inhalte und ein Programm fehlen, müssen Gefühle bedient werden. Für Trumps weiße, evangelikale Kernwählerschaft sind das vor allem die Furcht vor Gottlosigkeit, dem Kommunismus, der Abtreibung, dem Fremden und der Einschränkung des Waffenrechts. Also wurden diese Ängste bei dem Parteitag mit apokalyptischen Schilderungen von Chaos, Anarchie und Freiheitsverlusten bis an die Schmerzgrenze geschürt. Je finsterer die imaginären Aussichten, je größer der Groll auf die angebliche linke Meinungsdiktatur, desto heller strahlte das Bild des vermeintlichen Erlösers und eines wiederhergestellten Amerikas.

Pandemie, Wirtschaftskrise, struktureller Rassismus, Polizeigewalt

Dass Donald Trump bereits seit vier Jahren im Amt ist, vor allem die Reichen reicher gemacht hat und die patriotisch verklärte USA unter seiner Verantwortung weltweit führend alleine bei der Zahl der Covid-19-Opfer geworden ist, wurde bei dem Parteitag kollektiv ausgeblendet. Die Pandemie, die Wirtschaftskrise, der strukturelle Rassismus der Gesellschaft, die Polizeigewalt, das Versagen des Gesundheitswesens - alles das kam allenfalls am Rande zur Sprache. Stattdessen flüchten die Republikaner in eine alternative Realität, in der der Präsident die Corona-Krise glänzend gemeistert, die Rückkehr zur Normalität nur von den Demokraten verhindert wird und deren Präsidentschaftskandidat Joe Biden (der tatsächlich die Steuern für Einkommen jenseits von 400.000 Dollar erhöhen will und einen Abbau der Polizei ablehnt) zu einem marxistischen Anarchisten mutiert, der mehr als 80 Prozent der Bürger ihres Geldes berauben und den Rest dem plündernden Mob überlassen will.

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Das mag für Außenstehende bizarr klingen, entfaltet intern aber durchaus Wirkung. Plötzlich will nicht mehr Trump der Ukraine den Geldhahn zudrehen, sondern Biden. Nicht die Familie des amtierenden Präsidenten liefert täglich neue Beispiele für Nepotismus und Korruption, sondern die des Herausforderers. Der Höhepunkt der Perfidität aber wird erreicht, wenn Trump bei jeder Gelegenheit lautstark vor Wahlmanipulationen warnt, die er selber vorbereitet.

Spätestens nach diesem Parteitag ist klar: Donald Trump wird den Wahlkampf der kommenden Wochen nicht mit Argumenten, sondern als Kulturkampf führen. Er wird seine Basis wild aufpeitschen. Die aktuellen Bilder von brennenden amerikanischen Städten, wo sich nach rassistischer Polizeigewalt neben friedlichem Protest auch zielloser Zerstörungswille entlädt, kommen seinem zynischen Kalkül entgegen. Noch liegen die Demokraten in Umfragen vorne. Aber Trump wird buchstäblich alles tun, um deren Sieg zu verhindern.