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Kungeln, Klima, KohleausstiegEnergiewende-Talk bei „Anne Will”

Lesezeit 4 Minuten
Anne Will Talk

Anne Will diskutierte diesmal mit ihren Gästen über die Energiewende.

Berlin – Es sind die Bilder der vergangenen Woche. Greta Thunberg, die Kanzlerin und der amerikanische Präsident beim Weltwirtschaftsforum in Davos – es waren Auftritte, die sich prima gegeneinander schneiden lassen. Hier die junge Schwedin, die mahnt und fordert, dort Donald Trump, der die Menschheitsherausforderung des Klimaschutzes negiert. Irgendwo in der Mitte die Kanzlerin mit ihrer Position.

Mit diesen Sequenzen startet Anne Will am späten Sonntagabend in ihre Sendung. Und mit der Frage: „Klimaschutz und Kohleausstieg – werden die Milliarden richtig investiert?“

Es folgen 60 Minuten TV-Zoff um Kungelrunden im Kanzleramt, um Klimaschutz, Kompromisse und den Kohleausstieg, der an diesem Mittwoch vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden soll. Schluss mit der Kohleverstromung bis spätestens 2038 sieht das Gesetz vor, wenn möglich früher. 120 Kraftwerke würden dafür Schritt für Schritt abgeschaltet. Für die Betreiber gibt es Milliarden-Entschädigungen.

Es ist ein Abend, an dem es heiß es hergeht im Fernsehstudio. Aber leider auch ein Abend ohne größeren Erkenntnisgewinn. Zu hoch das Tempo, zu wenige Fakten, zu viel Meinung.

Die Gäste:

Grünen-Fraktionschef Anton HofreiterReiner Haseloff (CDU), Ministerpräsident im „Kohleland“ Sachsen-AnhaltMarie-Luise Wolff, Präsidentin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)Antje Grothus, Umweltaktivistin und Mitglied der Kohlekommission, die vor einem Jahr ihre Empfehlungen an die Politik vorstellte.Sebastian Lachmann, Industriekaufmann beim Energieunternehmen „LEAG“ in Cottbus.

Überraschend ist nicht, welche Argumente jeder Einzelne in der Runde vorbringt. Überraschend ist allenfalls, wie viele Emotionen dabei im Spiel sind.

Zum Beispiel bei Umweltaktivistin Grothus, die sich betrogen fühlt. „Wir hatten einen gesellschaftlichen Minimalkompromiss in der Kommission gefunden“, sagt sie und erinnert an die Empfehlungen von vor einem Jahr. Dieser sei vergangene Woche „in der Kungelrunde“ im Kanzleramt leichtfertig aufs Spiel gesetzt worden. Was das Kabinett nun verabschiede, gebe die Einigung der Kommission „nicht 1:1“ wieder. Dass nun trotz Ausstiegsbeschluss am Tagebau Garzweiler noch Dörfer weggebaggert werden sollten, sei „ein Akt der Unmenschlichkeit“.

Das alles will CDU-Mann Reiner Haseloff so nicht stehen lassen. Er erinnert an Frankreich, an die Gelbwesten-Bewegung dort, die entstand, als beim Klimaschutz ernst gemacht werden sollte. „Wir haben in Deutschland gezeigt, dass wir andere Mechanismen haben, Probleme zu lösen“, meint Haseloff.

Die Kumpel und die Beschäftigten in den Kohleregionen müssten nun auch mal in Ruhe gelassen werden. „Jetzt ist dieser Konsens gefunden. Und der muss durchgezogen werden“, warnt der CDU-Politiker aus Magdeburg vor einem rascherem Vorgehen beim Kohleausstieg. Schon jetzt würden in den betroffenen Regionen viele blaue Fahnen der AfD wehen: „Wenn wir davon noch mehr wollen, müssen wir nur so weitermachen.“

„Wer jetzt 10 oder 20 ist, hat zu Recht Angst”

Es sind Sätze wie diese, bei denen der Grünen-Mann Hofreiter tief durchatmen muss. Er glaube nicht, dass die Menschen in den betroffenen Regionen mit dem nun vorliegenden Gesetz wirklich Planungssicherheit bekämen. Denn die Gesellschaft werde diesen – aus Hofreiters Sicht – zu langsamen Kohleausstieg nicht akzeptieren. „Wer jetzt 10 oder 20 Jahre alt ist, hat zu Recht Angst um seine Lebensgrundlage“, sagt der Grünen-Politiker.

Was seine Partei aber nun im Detail verkehrt findet am Ausstiegsgesetz und was sie mitzutragen bereit ist, verrät Hofreiter nicht.

Planungssicherheit – das ist das Stichwort für Industriekaufmann Lachmann aus der Lausitz. „Wir müssen mal aufhören, das Thema immer wieder von Neuem aufzurollen“, fordert er. Mit anderem Worten: Er ist ziemlich zufrieden mit dem Gesetz, das nun ins Kabinett kommt. Die Regionen bräuchten eben Zeit für den Strukturwandel, für die Ansiedlung neuer Arbeitsplätze.

„Eine Sensation”

Marie-Luise Wolff, oberste Interessenvertreterin der Energiewirtschaft in der TV-Runde, erinnert an die Größe der Aufgabe. 30 Jahre habe die Republik über den Ausstieg aus der Atomenergie debattiert, bis er beschlossen gewesen sei, bei der Kohle habe es nicht mehr als ein Jahr gedauert. „Aus meiner Sicht ist das eine Sensation“, sagt Wolff. Aber Ausstieg bedeute eben auch Einstieg: Einstieg in ein neues Energie-Zeitalter, mit Ökostrom statt Kernkraft und Kohle.

Anne Will hält sich nicht lange mit Fakten auf. Von ein paar Einspielfilmen und einem kurz eingeblendeten Diagramm zum deutschen Strommix einmal abgesehen. Tiefergehende Information bleibt auf der Strecke.

Nach 45 Minuten kommt die Moderatorin immerhin zur eigentlichen Frage. Und zwar der, ob es überhaupt verantwortbar ist, aus der Kohleverstromung auszusteigen, wenn es keine bezahlbare und keine versorgungssichere Alternative gebe.

„Eine Lüge aufgetischt”

„Wir sind hier von vielen Studien und Zahlen überfrachtet“, seufzt Sebastian Lachmann, der Industriekaufmann aus der Lausitz. Dem Steuerzahler werde doch eine Lüge aufgetischt, der Strom müsse auch in den nächsten Jahren teurer werden: „Weil wir noch immer nicht wissen: Wie kriegen wir die Kohle und die Atomkraft ersetzt?“

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„Auf Speicherung setzen“, ruft Hofreiter noch schnell. Doch da ist die Sendezeit auch schon vorüber – und mit ihr ein Talkshow-Abend der eher unbefriedigenden Art. (rnd)