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Erschossen, vergiftet, attackiertSo gefährlich leben Israels Todfeinde

Lesezeit 4 Minuten
Demonstranten schwenken Fahnen und halten Bilder des Führers der militanten palästinensischen Hamas-Gruppe, Ismail Haniyeh, (C) und des hochrangigen Führers Saleh al-Arouri während einer Demonstration am 31. Juli 2024.

Demonstranten schwenken Fahnen und halten Bilder des Führers der militanten palästinensischen Hamas-Gruppe, Ismail Haniyeh, (C) und des hochrangigen Führers Saleh al-Arouri während einer Demonstration am 31. Juli 2024.

Palästinensische oder iranische Spitzenmilitärs, Atomwissenschaftler oder Raketeningenieure leben gefährlich.

Der gewaltsame Tod von Ismail Hanija, des politischen Anführers der islamistischen Hamas, sowie des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Schukr und, wie am Donnerstag bestätigt, des Hamas-Militärchefs Mohammed Deif reiht sich in eine Kette von direkten Anschlägen oder mysteriösen Todesfällen ein, die Israels Feinde seit Jahrzehnten ereilen.

„We can hit you anytime, anywhere“ – Wir können euch jederzeit und überall treffen, lautet die Botschaft der israelischen Führung nunmehr seit vielen Jahren, wie es Scott Lucas, Professor für internationale Politik am Clinton Institute der Universität Dublin formulierte. Mit tödlicher Konsequenz für Israels Feinde, die sich weder in der Hisbollah-Hochburg im libanesischen Beirut noch in der abgeschotteten Diktatur der Islamischen Republik Iran sicher fühlen können.

Die spektakulärsten Fälle der letzten zwei Jahrzehnte

Am 10. April 2024 wurden durch eine Attacke der israelischen Luftstreitkräfte drei Söhne und drei Enkelkinder des jetzt im Iran umgekommenen Hamas-Chefs Ismail Haniyyeh getötet. Wie die Hamas damals bekannt gab, sollen sie in einem Fahrzeug im Flüchtlingslager Al-Schati im Norden des Küstenstreifens getroffen worden sein.

Trauernde tragen den mit einer Flagge bedeckten Sarg von Brigadegeneral Sejed-Rasi Mussawi während seiner Beerdigungszeremonie.

Trauernde tragen den mit einer Flagge bedeckten Sarg von Brigadegeneral Sejed-Rasi Mussawi während seiner Beerdigungszeremonie.

Am 25. Dezember 2023 war in einem Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus Sejed-Rasi Mussawi, ein ranghoher General der iranischen Revolutionsgarden, bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Mussawi war in Syrien einer der „erfahrensten Berater“ der Al-Kuds-Brigaden – der für Auslandseinsätze zuständigen Abteilung der iranischen Revolutionsgarden – wie die iranische Nachrichtenagentur Iran berichtete. Mussawi war die rechte Hand des am 3. Januar 2020 durch einen US-Luftschlag auf dem Bagdader Flughafen getöteten General Qasem Suleimani, dem ranghöchsten Divisionskommandeur der Al-Kuds-Brigaden.

Am 2. Januar 2024 starb Saleh al-Arouri bei einer Explosion in der libanesischen Hauptstadt Beirut, ausgelöst mutmaßlich durch eine israelische Drohne. Al-Arouri sprach fließend Hebräisch, pflegte gute Kontakte zum Regime in Iran und galt als strategischer Kopf der Hamas. Berichten zufolge war er an der Planung der mörderischen Hamas-Angriffe aus israelische Zivilisten am 7. Oktober beteiligt, für das Schicksal der verschleppten Geiseln wurde er maßgeblich verantwortlich gemacht.

Unter dem Druck der israelischen Invasion hielt sich al-Arouri in Katar, dann in die Türkei und im Libanon versteckt, er verschwand aber nie ganz aus der Öffentlichkeit, weil er die Verbindung zur Hisbollah und zu Vertretern Irans unterhielt. Beim Drohnenangriff auf ihn starben auch zwei hochrangige Hamas-Kommandeure und mehrere andere Mitarbeiter.

„Vater des iranischen Atomprogramms“

Auf einer Landstraße in Absard, einer Kleinstadt 50 Kilometer östlich von Teheran, wurde am 27. November 2020 Mohsen Fachrisadeh in seinem Fahrzeug durch Schüsse getötet. Fachrisadehwar, ein iranischer Kernphysiker und Angehöriger der Revolutionsgarde, galt als „Vater des iranischen Atomprogramms“ und war zuletzt als Leiter der Abteilung Forschung und technologische Entwicklung im iranischen Verteidigungsministerium für das Raketenprogramm des Landes verantwortlich. Der Iran macht Israel und die USA für den „Märtyrertod“ der 59-Jährigen verantwortlich. Wie stets gab es aus Israel keinen Kommentar zum Tod des Wissenschaftlers.

Oberst Sayad Khodayee, ein Offizier der iranischen Revolutionsgarden, starb am 22. Mai 2022 durch die Schüsse eines Motorradfahrers direkt vor seinem Haus. Der Islamische Republik machte umgehend die „globale Arroganz“ für den Mordanschlag verantwortlich – ein häufig gebrauchter Begriff, wenn die Vereinigten Staaten oder Israel der Tat bezichtigt werden. Israelische Beamte informierten, der 50-jährige Khodayee sei als stellvertretender Kommandeur der Einheit 840 der Revolutionären Garden vor allem für verdeckte Operationen auf der ganzen Welt verantwortlich gewesen – einschließlich Morde und Entführungen.

Eine iranische Frau hält ein Plakat,

Eine iranische Frau hält ein Plakat, auf dem (v.l.n.r.) der verstorbene Generalsekretär des Islamischen Dschihad, Fathi Shaqaqi, der verstorbene iranische Physiker und Wissenschaftler Mohsen Fakhrizadeh, der verstorbene irakische Befehlshaber Abu Mahdi al-Muhandis, der verstorbene Hamas-Führer Ismail Haniyah, der verstorbene iranische Quds-Force-Chef Qasem Soleimani, der verstorbene Hisbollah-Befehlshaber Imad Mughnieh und der verstorbene geistliche Führer der Hamas, Scheich Ahmed Yassin, abgebildet sind, für deren Tod Israel verantwortlich gemacht wird.

Ayoub Entezari, ein Luft- und Raumfahrtwissenschaftler in einer iranischen Militärforschungseinrichtung, starb Ende Mai 2022 an einer Lebensmittelvergiftung. Auch dafür machten iranische Vertreter Israel verantwortlich – weil gleichzeitig den Geologen Kamran Aghamolaei, der in der iranischen Atomanlage Natanz arbeitete, ein ähnliches Schicksal ereilte.

Der Hamas-Gründer starb 2004

Selten gehen die Israelis bei ihren Attacken gegen ihre Feinde so offen vor wie 2004, als Scheich Ahmed Yassin, der erste Anführer der palästinensischen Hamas-Bewegung, beim Verlassen einer Moschee im nördlichen Gazastreifen durch israelische Hubschrauber getötet wurde. Der im Rollstuhl sitzende, 67-jährige Hamas-Gründer war sofort tot, mit ihm starben an jenem 22. März 2004 acht Begleitpersonen.

Dessen Nachfolger Abd al-Aziz ar-Rantisi ereilte knapp einen Monat später, am 17. April 2004, das gleiche Schicksal. Bei der Hubschrauberattacke in Gaza-City wurden auch ein Leibwächter und sein Fahrer getötet. Knapp ein Jahr zuvor, am 10. Juni 2003, war ar-Rantisi einem Angriff der israelischen Streitkräfte noch um Haaresbreite entkommen.