- Friedrich Merz nimmt zum dritten Mal Anlauf auf den CDU-Vorsitz.
- Im Interview erklärt er, warum diesmal alles anders ist, wie er CDU und CSU versöhnen will und ob er schon eine Kanzlerkandidatur in den Blick nimmt.
Herr Merz, Sie versuchen zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren, CDU-Chef zu werden. Was haben Sie neu im Angebot, damit es diesmal klappt?
Friedrich Merz: Die Lage ist heute anders. Die CDU ist in der Opposition, und wir beteiligen die Mitglieder an der Entscheidung. Und anders als bei den ersten beiden Malen gibt es jetzt die Gelegenheit, eigene Personalvorschläge zu machen. Damit lässt sich deutlicher machen, wofür man steht.
Schauen wir auf konkrete Themen: Sind Sie für eine Kindergrundsicherung?
Ich bin kein Anhänger einer allgemeinen Grundsicherung im Sinne eines bedingungsloses Grundeinkommens. Aber wenn man eine Kindergrundsicherung intelligent macht und auf die konzentriert, die es wirklich brauchen, bin ich nicht dagegen.
Was ist Ihr Konzept gegen Kinderarmut?
Ich werde weder zu diesem noch zu anderen Themen fertige Antworten geben. Wir sind jetzt in der Opposition und da haben wir zwei Aufgaben: Wir müssen die Regierung kritisch begleiten und uns selbst auf Regierungsverantwortung vorbereiten. Zum Thema selbst: Generell ist für mich der Ausbau der Infrastruktur wichtiger als die Anhebung der Transferleistungen. Es ist besser, Ganztagsbetreuung und gezielten Förderunterricht für Schwächere zu stärken als mit der Gießkanne Geld über alle auszuschütten.
Reden wir über die Finanzierung des Gemeinwohls. Ein Vorschlag ist eine Vermögenssteuer.
Das ist eine regelmäßig wiederkehrende Scheindebatte. Ich bin bereit, Wetten einzugehen: Es wird in diesem Land keine Vermögensteuer mehr geben, egal unter welcher Regierung. Das Bundesverfassungsgericht hat an die Gleichmäßigkeit der Besteuerung so hohe Anforderungen gestellt, dass sie mit einer Vermögensteuer nicht erfüllt werden können. Und der wesentliche Vermögenbestand hierzulande, nämlich Grund und Boden, wird über die Grundsteuer ohnehin schon besteuert. Alles andere ist nicht machbar. Deshalb bitte: Sparen wir uns die Zeit.
Wie sieht es aus mit einer Änderung der Erbschaftssteuer?
Ich sehe das Thema. Mir sind auch Leute unsympathisch, die herumprotzen, wenn sie Geld oder Unternehmen geerbt haben. Aber eine Erbschaftsteuer steuerrechtlich so umzusetzen, dass man mehr Einnahmen als bisher erzielt, ist extrem schwierig. Wir dürfen schließlich die Existenz der eigentümergeführten Unternehmen nicht gefährden, bei denen Betriebs- und Privatvermögen nicht zu trennen sind. Deshalb wird man über die Erbschaftsteuer nicht so viel einnehmen, dass man damit größere Staatsaufgaben finanzieren kann.
Thema Corona: Sind Sie für eine Impfpflicht?
Ich bin dafür, staatliche Anordnungen nur zu treffen, wenn man sie auch durchsetzen kann. Wer soll das tun? Die Polizei? Die Ordnungsämter? Mit Bußgeld und Haftandrohung? Auch die Einführung würde lange dauern, möglicherweise bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Ich bin nicht grundsätzlich dagegen, weise aber auf die Umsetzungsschwierigkeiten hin.
Dann also nichts tun?
Nein. Aber warum nicht die ganz konsequente Umsetzung von 2G? Wer nicht geimpft oder genesen ist, kann dann nur noch zur Apotheke, in den Supermarkt und zum Arzt. Das wäre angesichts der Lage wohl auch verhältnismäßig und könnte vor allem sofort umgesetzt werden.
Und in die Arbeit?
Mit konsequenter 2 G-Regelung wäre der Zugang zum Betrieb und zur Arbeitsstelle auch nur noch für Geimpfte und Genese möglich – mit allen Konsequenzen. Also: Kein Ungeimpfter mehr im Büro, kein ungeimpfter Fußballspieler mehr auf dem Rasen, kein ungeimpfter Abgeordneter mehr im Bundestag, kein ungeimpfter Student mehr im Hörsaal.
Wie wollen Sie die Beziehungen zur CSU reparieren, die nach diesem Wahlkampf sehr ramponiert sind?
Es gibt einen Satz, der für mich in Stein gemeißelt ist: Diese Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU muss aufrechterhalten werden und leben. Wir müssen diese geniale Konstruktion von zwei Parteien in einer Fraktion, die sich auch territorial klar voneinander abgrenzen, aufrechterhalten. Damit schaffen wir Synergieeffekte, die wir auf anderem Weg nicht erreichen können.
Das Verhältnis von Ihnen und CSU-Chef Markus Söder gilt als sehr schlecht . . .
Das ist es nicht. Es ist nicht unkritisch, und zwar in beide Himmelsrichtungen. Wir reden aber vernünftig miteinander und haben ein vertrauensvolles Verhältnis. In verschiedenen Bereichen sind wir nicht immer einer Meinung. Deshalb möchte ich auch, dass CDU und CSU aus dem Ad-hoc-Modus herauskommen und regelmäßig zum Meinungsaustausch mit den beiden Parteipräsidien zusammenkommen. Und dann Verabredungen treffen, die wir auch einhalten, auch was Personalentscheidungen betrifft. Es sollte nicht mehr so sein, dass wir nachmittags etwas entscheiden müssen, was dann abends durch die Tagesschau läuft.
2023 muss erneut über den Parteivorsitz entschieden werden und dann auch über die Kanzlerkandidatur. Streben Sie beides an?
Erster Teil meiner Strategie ist, mal einen Parteivorstand zu führen, der eine volle Amtsperiode auch zu Ende macht. Teil 2: Die Partei in eine Situation führen, aus der heraus sie überhaupt glaubwürdig den Anspruch ableiten kann, für die nächste Bundestagswahl einen aussichtsreichen Kanzlerkandidaten zu stellen.
Ein Kanzlerkandidat Friedrich Merz im Jahr 2025 wäre möglich?
Theoretisch ja. Aber dieser Friedrich Merz ist dann 70 Jahre alt. Ob der das dann will und kann und ob die Partei das dann auch will, ist eine Frage, über die ich mir jetzt keine Gedanken mache. Im Vergleich zu anderen Staatschefs dieser Welt wäre ich dann zwar immer noch ein Mann mittleren Alters, aber wie gesagt: Kein Thema heute.