- Die Grünen sehen sich nach den Landtagswahlen von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im Aufwärtstrend.
- Sie wollen Veränderung, bemühen sich dabei aber, Ängste zu nehmen.
- Es besteht dabei das Risiko, allzu glatt zu werden, kommentiert Daniela Vates
Die Triumphgesten haben sich Annalena Baerbock und Robert Habeck gespart. Die Grünen haben die Landtagswahl in Baden-Württemberg deutlich gewonnen, in Rheinland-Pfalz gab es zumindest ein paar Prozentpunkte obendrauf.
Die Parteivorsitzenden im Bund verkniffen sich die hochgereckten Arme, die in Siegesfreude geballten Fäuste, die Jubelbilder. Ein Lächeln vielleicht, eine Spur Fröhlichkeit auch und das schmucklose Adjektiv „stark“, um das Wahlergebnis zu beschreiben. Aber sonst: ernste Mienen, sachliche Analysen.
Das lag auch daran, dass Wahlpartys wegen der Corona-Beschränkungen ausfielen. Vor allem aber wollen die Grünen eines unbedingt vermeiden: den Eindruck des Abhebens und der Abgehobenheit.
Baerbock und Habeck wollen ihre Partei in die Regierung bringen, am besten auch ins Kanzleramt. Dazu braucht man die eigenen Leute, aber eben auch noch ein paar mehr. Wer nicht das Gefühl hat, er sei besiegt worden, lässt sich eher mitziehen.
Auf die Wirkung kommt es an
Die politischen Gegner, vor allem die Unionsparteien, malen das Schreckensbild von den Systemveränderern. Gegen die Systemveränderer haben die Grünen gar nichts, der Aufruf zum Wandel steht in ihren Programmen. Aber sie wollen dabei vertrauensvoll wirken, seriös und am besten auch noch sympathisch. So wollen sie Ängste vor Veränderung nehmen.
Die Vorzeichen sind gut. Die grünen Landtagswahlerfolge leuchten umso stärker, da die Union als bislang stärkste Kraft auf Bundesebene gerade eine Korruptionsaffäre und damit ein Glaubwürdigkeitsproblem am Hals hat. Denn von der Bereitschaft zu schärferen Lobbyismus-Regeln für Abgeordnete, die die Union jetzt als Errungenschaft vor sich her trägt, hat sie zuvor über Jahre nichts wissen wollen.
Die zentrale Personalfrage für eine Bundestagswahl – die des Kanzlerkandidaten – ist bei Union wie bei den Grünen ungeklärt. Baerbock und Habeck haben bisher geschafft, was bei der Union Markus Söder und Armin Laschet auch ohne Friedrich Merz nicht schaffen: nicht gegeneinander zu sticheln und damit als Team aufzutreten, das sich scheinbar sogar etwas mehr als das Schwarze unter den Fingernägeln gönnt.
Sanftes Wiegen in Harmonie
Die Statik wird sich ändern, sobald bei den Grünen entweder Habeck oder Baerbock die Kanzlerkandidatur übernimmt. Einer oder eine wird dann der oder die Erste sein. Es wird Enttäuschte geben. Dass die derzeit in Zufriedenheit, Harmonie und Aufwärtstrend sanft sich wiegende Partei dann beieinander bleibt, muss erst einmal gelingen.
Viel Streit und Debatte können sich die Grünen an dieser Stelle nicht leisten. Sowohl in Baden-Württemberg wie in Rheinland-Pfalz zeigt sich, welch zentrale Rolle die Person des oder der Spitzenkandidatin spielt.
Das gute Ergebnis im Ländle, wo die Grünen im ländlichen Raum und bei den Älteren aufholten, lag auch an der Bedeutung des Thema Klimaschutzes und an der Schwäche der Gegner. Vor allem aber lag es an Kretschmann, der mit seinem Pragmatismus zur Angela Merkel der Grünen geworden ist.
Er hat damit im Wahlkampf sogar kokettiert, indem er ihren Wahlkampfspruch „Sie kennen mich“ übernahm.
Es mag sein, dass die Lust aufs Regieren Differenzen in der Partei verblassen lässt. Es kann auch sein, dass die Grünen sich von der nächsten Landtagswahl in Sachsen-Anhalt, die für sie schwierig werden könnte, nicht aus dem Konzept bringen lassen.
Fokussierung wäre ja auch vernünftig – im ewigen Streit lässt sich der Zugriff auf die Macht verpassen, die die Umsetzung der eigenen Ziele ermöglicht.
Aber Pragmatismus glättet auch Konturen und lässt inhaltliche Schärfe verschwimmen. Das ist ein Risiko für die Grünen. Als bloßer Kanzler- oder Kanzlerinnenwahlverein sind sie nicht geeignet.