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Jetzt liveDie Anhörung von Trumps Verfassungsrichterin Barrett hat begonnen

Lesezeit 4 Minuten
Amy Coney BArrett

Die Republikaner wollen, dass Amy Coney Barrett Nachfolgerin von Ruth Bader Ginsburg wird.

Washington – Auf dem Tisch vor ihr stehen Wischtüchter und Handdesinfektionsmittel. Äußerlich regungslos verfolgt die Frau mit einer großen schwarzen Maske im Sitzungsaal 216 des Senatsgebäudes ihre Vorstellung. „Höchst anerkannt und äußerst qualifiziert“ sei sie für den Posten, schwärmt der republikanische Senator Lindsey Graham. "„Ruth Bader Ginsburg hat sehr große Fußstapfen hinterlassen“, schlägt die demokratische Senatorin Dianne Feinstein einen deutlich anderen Ton an: „Die Erwartungen sind extrem hoch.“

Die Anhörung der von Donald Trump nominierten Verfassungsrichterin Amy Coney Barrett im Senats-Justizsausschuss des Senats mitten in der Corona-Pandemie und der heißen Phase des US-Wahlkampfes dürfte als die ungewöhnlichste und umstrittenste in die Geschichte des Gremiums eingehen. Unmittelbar vor dem Urnengang am 3. November soll die Juristin im Plenum der Parlamentskammer bestätigt werden. Die streng katholische Barrett verkörpert in vielerlei Hinsicht das Gegenteil der verstorbenen liberalen Justizikone Ginsburg. Sie dürfte für Jahrzehnte eine rechte Mehrheit am Supreme Court sichern. Die Demokraten sind aufgebracht, aber machtlos.

Fatale Vorstellungsfeier

Als sei dies noch nicht genug Dramatik, wütet im Umfeld des Weißen Hauses gerade die Corona-Pandemie. Mindestens 34 Personen sind infiziert – und viel spricht dafür, dass die Ansteckungskette ausgerechnet bei der Vorstellungsfeier für Barrett vor zwei Wochen ihren Anfang nahm. Zwei Mitglieder des Justizausschusses wurden ebenfalls positiv getestet. Obwohl seine Selbstisolierungsfrist noch nicht abgelaufen ist, erschien der Senator von Utah, Mike Lee, am Montag persönlich bei der Sitzung.

Entsprechend aufmerksam wird die Turbo-Berufung in der amerikanischen Öffentlichkeit verfolgt. Die viertägige Anhörung wird live im Fernsehen übertragen. Vor der eigentlichen Befragung konnten die Richterin und die Politiker am Montag erst einmal Statements abgeben. Das ist für viele Senatoren wichtig: Vier Republikaner müssen um ihre Wiederwahl fürchten. Die kalifornische Senatorin Kamala Harris, die dem Ausschuss ebenfalls angehört, kandidiert für das Amt der Vizepräsidentin. Sie nimmt an der Anhörung wegen der Covid-Gefahr nur per Video-Schalte teil.

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Barrett selbst soll am Nachmittag zu Wort kommen. In ihrem zuvor schriftlich veteilten Vortrag präsentiert sich die 48-Jährige als freundliche Familienmutter und Anhängerin einer traditionalistischen Rechtsauslegung. „Ich gehöre zur Gruppe der Neun“, sagt sie mit Bezug auf ihren Mann und ihre sieben Kinder und hob hervor, dass sie die erste Frau mit schulpflichtigen Töchtern und Söhnen am Obersten Gericht sein werde.

Zugleich betont sie, dass sie der Auffassung sei, die 1787 beschlossene Verfassung der USA müsse „wie geschrieben“ angewendet werden: „Politische Entscheidungen und Werturteile über die Regierung müssen von den politischen Gewalten vorgenommen werden. Die Öffentlichkeit sollte dies nicht von den Gerichten erwarten, und die Gerichte sollten es nicht versuchen.“

Linksliberale Kritiker befürchten, dass die streng konservative Katholikin entsprechend rigide argumentieren könnte, dass der Supreme Court mit dem 1973 beschlossenen Recht auf Abtreibung seine Kompetenzen überschritten hat. Barrett hatte eine Zeitungsanzeige gegen Abtreibung unterzeichnet, die sie in den Unterlagen für den Senat aber nicht erwähnte. Zudem soll sie Mitglied der Sekte "People of Praise" sein, die reaktionäre Vorstellungen zu Geschlechterrollen und Homosexualität vertritt. Dazu sagte sie bei ihrer Vorstellung nichts, nur dieses: "Ich glaube an die Macht des Gebetes."

Die Republikaner pushen, wo sie einst blockierten

Politisch umstritten ist auch das beispiellose Tempo der Neubesetzung. Die Republikaner hatten in einem ähnlichen Fall 2016 den Kandidaten des damaligen Präsidenten Barack Obama bis zur Wahl blockiert und später ausdrücklich versichert, sie würden sich in umgekehrter Lage genauso verhalten. Entsprechend aufgebracht sind die Demokraten, die sich aber in der Minderheit befinden. Sie befürchten, dass Barrett nicht nur das Abtreibungsrecht angreifen, sondern bei einer bereits kurz nach der Wahl anstehenden Entscheidung auch zentrale Elemente der Krankenversicherung Obamacare kippen könnte. Ihr Fraktionschef Chuck Schumer fordert eine freiwillige Selbstverpflichtung von Barrett, an Urteilen zu Obamacare und zur wahrscheinlichen Anfechtungen der Präsidentschaftswahl nicht teilzunehmen.

Dass Barrett sich dermaßen selbst beschränkt, erscheint eher unwahrscheinlich. Wirksamer könnte der Plan einiger Demokraten sein, im Falle einer Mehrheitsübernahme im Senat einfach die Zahl der Supreme-Court-Richter so weit aufzustocken, dass die rechte Mehrheit gebrochen wird. Vefassungsrechtlich wäre das möglich. Politisch ist der Plan jedoch extrem heikel. Entsprechend vorsichtig zeigt sich der demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden. Er versucht seit Tagen, eine Festlegung in der Frage zu vermeiden.