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Kommentar zur Vize-KandidatinJoe Bidens eloquente Kämpferin Kamala Harris

Lesezeit 3 Minuten
Kamala Harris ap

Joe Biden und seine Vize-Kandidatin Kamala Harris (r.)

Washington – Wirklich überraschend ist die Personalentscheidung nicht. Und doch sieht das Rennen um die amerikanische Präsidentschaft plötzlich ganz anders aus. Zuvor standen – bei allen fundamentalen persönlichen und politischen Unterschieden – zwei weiße Männer jenseits der Siebzig gegeneinander. Nun kommt mit Kamala Harris das jüngere, das weibliche und das schwarze Amerika ins Spiel. Und auf einmal freut man sich auf die Debatten der kommenden Wochen.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden hat sich mit der Auswahl seiner Stellvertreterin viel Zeit gelassen. Nun hat er sich für die entschieden, die insgeheim länger als Favoritin galt. Das mag jene verwundern, die sich noch an die scharfen Attacken der kalifornischen Senatorin gegen den damaligen Wettbewerber um die Präsidentschaftskandidatur im vergangenen Sommer erinnern. Doch es macht politisch Sinn: Die 55-jährige Tochter einer indischen Mutter und eines jamaikanischen Vaters ist auf der nationalen Bühne längst bekannt. Als eloquente Kämpferin hat sie sich im Senat einen Namen gemacht. Inhaltlich steht sie Bidens Pragmatismus nahe. Vor allem aber hat die Frau mit dem ansteckenden Lachen als erste schwarze Vizepräsidenten-Kandidatin das Potenzial, der bislang zwar erfolgreichen, aber wenig aufregenden Kampagne des Trump-Herausforderers einen kräftigen Energieschub zu verpassen.

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Die persönlichen Reibereien zwischen Harris und Biden aus der Debatte des vergangenen Sommers sind offenbar längst vergessen. Tatsächlich sind die beiden Politiker seit langem bekannt. Als damalige Generalstaatsanwältin von Kalifornien arbeitete Harris eng mit Bidens verstorbenem Lieblingssohn Beau zusammen. Diese persönliche Ebene spielt für Biden eine große Rolle: Der 77-Jährige hat immer erklärt, dass er eine Stellvertreterin sucht, der er vertrauen kann.

Dass der Posten an eine Frau gehen würde, hatte Biden schon vor längerer Zeit verkündet. Nach den aufgefühlten Protesten gegen Rassismus verstärkte sich in der Partei der Druck für eine schwarze Kandidatin. Damit haben die linke Senatorin Elizabeth Warren und Gretchen Whitmer, die Gouverneurin von Michigan, das Nachsehen. Warren wäre programmatisch wohl die spannendere Wahl gewesen. Sie hätte inhaltlich aber auch mehr Reibungsfläche mit Biden gehabt. Als schwarze Kandidatin konkurrierte Harris vor allem mit der ehemaligen Sicherheitsberaterin Susan Rice. Die hätte nun aber endgültig das alte Partei-Establishment verkörpert und den Eindruck einer Obama-Nostalgie-Paarung genährt.

Harris steht für den Generationenwechsel

Mit Kamala Harris tritt eine wortgewandte, selbstbewusste und ambitionierte Frau in die erste Reihe der Demokraten. Und eine Politikerin, die deutlich jünger als das aktuelle Spitzenpersonal in Washington ist. Kamala Harris war acht Jahre alt, als Joe Biden zum ersten Mal in den Senat gewählt wurde. Sie steht auch für einen Generationenwechsel. Biden selbst hat seine eigene Kandidatur im Frühjahr als eine "Brücke" weg von den Ungeheuerlichkeiten der Trump-Zeit zurück zur Normalität bezeichnet. Seine mehr als zwanzig Jahre jüngere Stellvertreterin weist weit darüber hinaus. Ursprünglich hatte sie sich selbst für die Präsidentschaft beworben. Nichts spricht dafür, dass sie das Interesse an diesem Job verloren hat. Damit weist die Personalentscheidung weit in die Zukunft. Sollte Biden am Ende der ersten Amtszeit mit dann immerhin 81 Jahren nicht noch einmal antreten, stünde seine Stellvertreterin auf dem vordersten Startplatz für die Nachfolge.

Dieser Ehrgeiz, der ihr von manchen Kommentatoren vorgeworfen wird, muss kein Fehler sein. Problematischer ist der Verdacht, dass die Juristin für den politischen Erfolg bisweilen auch ihre Positionen wechselt. Nicht nur ihre Attacke gegen Biden in der Debatte wirkte ziemlich inszeniert. Auch andere Positionen – etwa in der Gesundheitspolitik - hat sie überraschend verändert. Und bei den schwarzen Wählern muss sie noch kräftig um Vertrauen werben: Als Staatsanwältin in Kalifornien von 2011 bis 2017 hat sie nämlich eine harte Politik betrieben und wenig gegen die nun viel kritisierte Polizeigewalt unternommen.