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KommentarPutin soll nicht sein Gesicht wahren, er gehört vor Gericht

Lesezeit 3 Minuten
Putin 060622

Wladimir Putin

Einer zumindest hat jetzt Grund zur Freude: Olaf Scholz. Unter Europas Staats- und Regierungschefs erscheint der deutsche Kanzler aus ukrainischer Sicht nicht mehr als der Hartherzigste. Den Pokal hat sich Emmanuel Macron geschnappt. Zu Beginn des Pfingstwochenendes unterstrich der französische Präsident ein politisches Ziel, das eine Mehrheit der Europäerinnen und Europäer längst abgeschrieben hat: Gesichtswahrung für Wladimir Putin.

“Wir dürfen Russland nicht demütigen“, mahnte Macron in einem Interview. „Ich bin davon überzeugt, dass es die Rolle Frankreichs ist, eine vermittelnde Macht zu sein.“

Macrons Analysen deuten auf ein altes Denken, umweht vom Hauch des Elysee-Palasts. Ungeachtet der von Putin geschaffenen neuen Realitäten träumt Macron den alten französischen Traum weiter: Rettung der Welt durch französische Diplomatie – als müssten sich nur einige kluge Köpfe am Quai d„Orsay im Pariser Außenministerium ein paar neue Kompromisspapiere ausdenken, Minsk III oder IV oder V.

Doch so läuft es leider nicht mehr. Und das ist nicht die Schuld des Westens. Putin selbst hat sich in monströser Weise erhoben über alle alten Kategorien von Diplomatie und regelbasiertem Miteinander.

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Wochenlang tat Putin einen Einmarsch in die Ukraine als böse Unterstellung des Westens ab. Seit dem 24. Februar 2022 nennt er den Einmarsch plötzlich unvermeidlich. Wer will dem Mann jemals wieder vertrauen?

Indem Macron noch immer eine Gesichtswahrung für Putin fordert, wirft er sich hinter einen längst abgefahrenen Zug. Die Europäerinnen und Europäer wissen es besser. Sie erkennen Putin inzwischen als den, der er ist und der er ja auch sein will: ein furchterregender Kriegsherr. Putin schickt derzeit Woche für Woche Zehntausende, die ohne ihn noch leben würden, ins Grab. Den Schlächtern von Butscha verlieh er Medaillen. Derzeit lässt er Weizensilos bombardieren. Er will maximales Leid für Millionen: Teuerung, Hunger, Flüchtlingsströme. Seit 1945 hat in Europa niemand so viele Verbrechen in so kurzer Zeit begangen wie er.

Macron unterstreicht Sonderrolle Frankreichs

Dieser Mann muss vor Gericht, je eher desto besser. Die in der nachfolgenden Haft liegende Demütigung wird man ihm weder ersparen können noch ersparen wollen.

Eigentlich müsste Russlands Krieg die Stunde eines uneitlen Zusammenrückens aller Demokratien sein. Macron aber streicht nun eine Sonderrolle seines Landes heraus als „vermittelnde Macht“. Dies führt zu Augenrollen in der EU, von Finnland und Schweden über die baltischen Staaten bis Polen.

Will Macron vor den französischen Parlamentswahlen am Sonntag um die Putin-Versteher buhlen, die in der Linkspartei ebenso eine wichtige Rolle spielen wie bei Le Pen? Macron muss aufpassen, dass diese Verbeugung nicht zu tief ausfällt. Die “vermittelnde Macht“ muss als allererstes den Zusammenhalt in der EU im Auge haben.