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KommentarTrotz linker Annäherungsversuche wird R2G mit Scholz nicht kommen

Lesezeit 3 Minuten
Bartsch Regierungsbank

Dietmar Bartsch (Die Linke) redet im Bundestag, im Hintergrund hört die Regierungsbank zu.

Aus der Linken hört man neuerdings ungewohnte Töne. Der vielleicht ungewohnteste ist der vom Fraktionsvorsitzenden und Spitzenkandidaten Dietmar Bartsch, der am Donnerstag erklärte, wenn es eine rechnerische Mehrheit mit SPD und Grünen gäbe, dann würde seine Partei „bereit sein, über alles zu reden“. Tatsächlich: über alles.

Am Montag wollen Bartsch und seine Ko-Spitzenkandidatin Janine Wissler gar ein Sofortprogramm präsentieren. Gibt es am Ende eines irrsinnigen Wahlkampfes also, was lange niemand für möglich hielt: eine rot-rot-grüne Koalition unter Führung eines Kanzlers Olaf Scholz? Nach menschlichem Ermessen: Nein.

Wahlergebnis abwarten

Zwar lautete in linken Kreisen die Devise lange Zeit: Man dürfe über so ein Bündnis im Vorfeld wegen der zu erwartenden Widerstände nicht großartig reden. Man müsse es, wenn das Wahlergebnis es hergäbe, einfach schmieden. Das deckt sich mit den Angst-Fantasien in CDU, CSU und FDP.

Legt man die letzten Umfragen zugrunde, dann könnte es für Rot-Rot-Grün eventuell reichen – wenn auch nur sehr knapp. Dass die Linke jetzt öffentlich damit liebäugelt, hat einen wahltaktischen Grund: Sie muss sich in der Schlussphase noch mal interessant machen, damit potenzielle Wähler nicht am Ende doch wieder zur SPD überlaufen und die Partei selbst unter die Fünf-Prozent-Hürde fällt. Das Ziel hat die Linke erreicht. Man spricht wieder über sie. Und doch spricht nahezu nichts dafür, dass es zu Rot-Rot-Grün kommt.

Viele inhaltliche Gegensätze in der Außenpolitik

Da sind und bleiben vor allem die inhaltlichen Gegensätze in der Außenpolitik. Die Linke will die Bundeswehr aus allen Auslandseinsätzen zurückholen. Ja, sie will die Truppe gar Zug um Zug schrumpfen. Angesichts dessen gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder die Linke ignoriert, was sie wieder und wieder auf Parteitagen beschlossen hat und wovon sie mehrheitlich tief überzeugt ist – oder Deutschland verlöre, wenn die Beschlüsse umgesetzt würden, seine Bündnisfähigkeit.

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Letzteres würden Sozialdemokraten und Grüne nicht akzeptieren. Es stünde auch in diametralem Gegensatz zu dem, was nach dem Afghanistan-Desaster gerade in Europa debattiert wird – eine Stärkung der eigenen militärischen Fähigkeiten.

Ein erstes Angebot hätte sein können, dass die Linke wenigstens Auslandseinsätzen zustimmt, wenn sie unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfinden. Doch selbst dazu sah sie sich nicht in der Lage. Stattdessen enthielt sich die Bundestagsfraktion sogar zum Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Kabul. Ohnehin ist es so, dass bedeutende Teile der Linken den autoritären Regimen in Russland und China näherstehen als den USA. Ihr Kompass ist falsch justiert.

Linke muss den Konflikt mit den eigenen Leuten suchen

Um das zu ändern, müssten die linken Spitzenleute tun, was sie jahrelang vermieden haben: den Konflikt mit den eigenen Leuten suchen – so wie es der damalige Außenminister Joschka Fischer 1999 tat, als sich das rot-grün regierte Deutschland am Kosovo-Krieg beteiligte. Nichts deutet daraufhin, dass dies geschieht.

Dabei bräuchten SPD und Grüne wenn nicht Gewissheit, so doch ein gewisses Vertrauen darauf, dass sie sich auf ein solches Experiment einlassen könnten. Ein Scheitern würde nämlich sowohl Scholz als auch die Grünen-Spitzenleute Annalena Baerbock nund Robert Habeck in größte Nöte bringen – zumal ei Linksbündnis nicht zuletzt in den eigenen Reihen mindestens Unbehagen auslösen würde. Eines stünde jedenfalls nicht zur Verfügung: eine komfortable parlamentarische Mehrheit, aufgrund derer man die Linksaußen-Abweichler getrost ignorieren könnte.

Mag sein, dass die Perspektive auf eine Mehrheit links der Mitte bei manchen Begehrlichkeiten weckt. Nur: Mit der Realität haben sie nichts zu tun.