Kommentar zu MoriaDie „Traumschiff“-Idee zeigt die Ungerechtigkeit der Welt
- Einige Politiker haben gefordert, den Geflüchteten von Moria Kreuzfahrtschiffe als Unterkunft zur Verfügung zu stellen.
- Doch die EU intervenierte und machte klar, dass das keine Option sei.
- Die „Traumschiff“-Idee zeigt die krasse Ungerechtigkeit der Welt, in der wir derzeit leben, kommentiert unser Autor.
Wo ist die Verbindung zwischen Erik Marquardt, Katarina Barley und Friedrich Merz? Ratlos blickt das politische Berlin derzeit auf diese drei sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten, die noch nie an einem Strang gezogen haben – es aber jetzt erstmals tun: Der Grüne, die Sozialdemokratin und der CDU-Mann fordern die Entsendung von Kreuzfahrtschiffen nach Lesbos, um den Obdachlosen aus dem abgebrannten Flüchtlingslager Moria schnell eine Unterkunft zu geben.
Eine Schnapsidee sei das, sagten rundherum spontan viele andere. Doch den dreien war das egal.
Marquardt (32), Fotograf, jetzt Europaabgeordneter, ist ein flüchtlingspolitischer Aktivist, er will Aufmerksamkeit schaffen. Bei Barley (51), Vizepräsidentin des Europaparlaments, zuvor Justizministerin, ist der Fall schon komplizierter. Sie ist Idealistin und Juristin zugleich, hat einen Sinn fürs Machbare und war nie für Schnellschüsse bekannt.
Merz (64), Hoffnungsgestalt deutscher Konservativer, ist in diesem Kreis die größte Überraschung – und für manche Fans die größte Enttäuschung. Wollte Merz, zuletzt Manager des US-Konzerns Blackrock, den Deutschen mal neues, hemdsärmeliges Denken „outside the box“ vorführen? In der Zwielichtzone zwischen Union und AfD tippen sich viele an den Kopf und lassen im Internet Gehässigkeiten kursieren: Den Flüchtlingen auch noch ein Kreuzfahrtschiff finanzieren? So weit kommt es noch!
„Ein Schiff ist gewiss besser als der Straßenrand“
Doch niemand muss sich aufregen: Das „Traumschiff“ wird nicht kommen. Kreuzfahrtschiffe seien „im Vergleich zu anderen Optionen nicht kosteneffizient“, ließ ein EU-Sprecher inzwischen wissen. Dennoch hallt die Debatte jetzt nach. Denn in ihr berühren sich zwei ansonsten immer mühsam auseinandergehaltene Realitäten dieser Zeit: ein Reichtum, der maßlos geworden ist, und eine gleichzeitig gewachsene Armut, die den Betroffenen die Menschenwürde nimmt. Ein „Traumschiff“ für Moria hätte Bilder ganz eigener Art entstehen lassen, etwa wenn man Flüchtlinge vorbei an blinkenden Pools und Wellnesslandschaften in die Speisesäle gelotst hätte, wo unter funkelnden Kronleuchtern normalerweise zur „Captain’s Night“ gebeten wird oder zum allabendlichen Bingo.
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Johannes Zurnieden, Geschäftsführer von Phoenix Reisen, sah trotz allem die Sache ganz praktisch: „Wir haben Schiffe, die nutzlos hier in Deutschland liegen, während die Menschen auf Lesbos ohne Toiletten sind und nicht wissen, wo sie schlafen sollen. Ein Schiff ist gewiss besser als der Straßenrand.“ Hand aufs Herz: Hat der Mann nicht recht? Und hat nicht auch der Impuls von Marquardt, Barley und Merz im Grunde etwas Sympathisches?
Noch absurder jedenfalls als die „Traumschiff“-Idee ist die krasse Ungerechtigkeit der Welt, in der wir derzeit leben.