- In der Türkei hat sich Annalena Baerbock auf offener Bühne mit ihrem Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu gestritten. Sie sagt, es bringe nichts, Plattitüden auszutauschen.
- Das kann Verkrustungen lösen und Themen deutlicher konturieren. Zum Problem wird es, wenn Direktheit allein zum Markenzeichen gerinnt
- Ein Kommentar.
Diplomatie ist häufig eine Sache des Ungefähren. In gewundener Sprache werden Probleme mehr umschifft als beschrieben, garniert mit Höflichkeiten. Das Vokabular enthält zwar neben Feinheiten auch Fiesheiten, die aber sind für Aussenstehende nur schwer dechiffrierbar Die Idee ist: Wenn es ohnehin schon schwierig ist, ist vorsichtiges Herantasten besser.
Annalena Baerbock pflegt als neue Außenministerin und damit Chefdiplomatin einen anderen Stil: Sie ist direkt bis ins Burschikose hinein – es ist ein deutlicher Unterschied zu ihren Vorgängern, dem verzagten Heiko Maas, dem bedächtigen Frank-Walter Steinmeier, dem fachlich unsicheren Guido Westerwelle.
Es nütze niemandem, nur Platitüden auszutauschen, so hat Baerbock ihre Herangehensweise beim Treffen mit ihrem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu erklärt. Es hat dann dabei ja auch ziemlich geknallt.
Das muss kein Drama sein. Konfrontation kann Verkrustungen lösen. Wer immer „Vielleicht“ und nie „Nein“ sagt, zeigt seinem Gegenüber nicht die Notwendigkeit an, Positionen zu überdenken. Erfrischender als die üblichen diplomatischen Verrenkungen ist eine klare Sprache allemal – und in Staaten, in denen die Opposition unterdrückt wird, hilft es, wenn autokratisch geprägte Regierungsvertreter und auch die Öffentlichkeit zumindest von den Staatsgästen mal ein paar deutliche Worte zu hören bekommen.
Zum Problem wird es, wenn Direktheit vor allem als Markenzeichen gepflegt wird und wenn dabei das Gefühl für Feinheiten und für die Momente verloren geht, in denen Zurückhaltung mehr bringt als das Drauflosstürmen. Bei Sigmar Gabriel – ja, auch der war mal Außenminister - war das zuweilen zu beobachten. Baerbock findet die Balance bislang. Sie prägt das Amt mehr als sich durch das Amt prägen zu lassen. Das kann gut gehen, so lange sie an der Sache orientiert bleibt. Und so lange sie nicht abhebt.