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Kommentar

Kommentar zu Russland
Stausee-Sprengung in der Ukraine ist ein weiteres Kriegsverbrechen

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Lesezeit 3 Minuten
Dieses von Planet Labs PBC zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt einen Überblick über die Schäden am Kachowka-Damm im Süden der Ukraine. Im von Russland besetzten Teil des südukrainischen Gebiets Cherson sind ein wichtiger Staudamm und das angrenzende Wasserkraftwerk zerstört worden.

Dieses von Planet Labs PBC zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt einen Überblick über die Schäden am Kachowka-Damm im Süden der Ukraine. Im von Russland besetzten Teil des südukrainischen Gebiets Cherson sind ein wichtiger Staudamm und das angrenzende Wasserkraftwerk zerstört worden.

Die Sprengung des Staudamms im Südosten ist ein weiteres Kriegsverbrechen, das zugleich die Schwäche der russischen Armee offenbart.

Mit der Sprengung des Staudamms Nowa Kachowka hat der Krieg Russlands gegen die Ukraine die nächste Grenze überschritten. Es ist ein bisher beispielloser Angriff auf die Infrastruktur der Ukraine und damit auf das Leben von mindestens 16.000 Menschen. Zudem droht eine Umweltkatastrophe.

Was Russlands Präsident Wladimir Putin seit Beginn des Krieges zynisch eine „Militäroperation“ nennt, mündet gerade in totaler Zerstörung der Lebensgrundlagen in den russisch besetzten Gebieten. An internationale Hilfe, wie sie sonst bei solchen Katastrophen aus den Nachbarländern anrollen würde, ist in dem Kriegsgebiet nicht zu denken.

Rückeroberungen werden ausgebremst

Wenn sich beide Seiten für eine solche Katastrophe die Schuld zuweisen, muss man fragen: Wem nutzt es? Die Ukraine jedenfalls hat an der Vernichtung der Existenzgrundlage ihrer Bevölkerung kein Interesse. Zumal sie gerade - wenn auch nur eine mühsam vorankommende - Frühjahrsoffensive betreibt. Nun werden ihre Kräfte in der Eindämmung der Staudamm-Katastrophe gebraucht, was die Rückeroberungen ausbremsen wird.

Russland wiederum steckt in diesem Krieg fest und muss sogar Geländeverluste hinnehmen. Der Kreml ist weit von seinen Kriegszielen entfernt. Diese Flut nutzt also dem Aggressor Russland, dem jedes Mittel recht ist. Bei Putin muss man auf alles gefasst sein. Menschenleben sind ihm egal. Nach 15 Monaten Krieg Russlands gegen die Ukraine wächst auf beiden Seiten der Druck, endgültige Entscheidungen herbeizuführen.

Zwei Optionen für die Nachkriegsordnung

International wird längst über eine Nachkriegsordnung nachgedacht, für die es aktuell zwei Optionen gibt: Entweder es gelingt ein Friedensabkommen mit Gebietsverlusten für die Ukraine - dafür mit einer Mitgliedschaft in der Nato und perspektivisch in der EU. Oder der Konflikt wird nur eingefroren und die Ukraine wird für ihre eigene Sicherheit wie in den vergangenen Monaten mit Waffen aus dem Westen versorgt. Für beide Varianten wird die Frage entscheidend sein, wo zum Kriegsende welche Truppen stehen und welche Seite welche Stadt als erobert ausgerufen hat.

Das erklärt auch die immer komplizierter werdende Nachrichtenlage, wer die Hoheit über welche Gebiete errungen hat. Dass die Ukraine den Krieg umfänglich gewinnen wird, wodurch auch die Krim ihr Staatsgebiet bleibt und Russland Reparationen zahlt, ist leider kein realistisches Szenario. Nun könnte man fragen: Warum wird im Südosten der Ukraine so erbittert und so verlustreich um jeden Quadratmeter gekämpft? Es geht dort eben um mehr als die eine oder andere für die Infrastruktur wichtige Anlage.

Dort im Südosten der Ukraine entscheidet sich gerade, ob sich die Ukraine als Nation gegen Russland verteidigen kann. Wenn die Ukraine die russische Armee nicht ein für alle Male stoppt, wird diese weiter und erneut auch Kiew angreifen. Es geht also - wie vom ersten Tag des Kriegs - um die Existenz der Ukraine als Nation.

Und an eben dieser Frage wiederum hängt die Entscheidung, ob Putin mit seinem imperialistischen Streben nach einem Großrussland Erfolg hat. Ein Großrussland, wie es Putin vorschwebt, vernichtet nicht nur die Existenz der Ukraine. Es bedroht auch die Freiheit der früheren Sowjet-Republiken und der ehemaligen Satelliten-Staaten von Litauen bis Polen und damit alle Nato-Staaten.

Für die demokratische Welt bleibt die Herausforderung, die Ukraine weiter mit Waffen, Geld und humanitärer Hilfe zu unterstützen und zugleich den Zeitpunkt nicht zu verpassen, zu dem ein Ende des Krieges möglich ist. Das wird wahrscheinlich noch viele Monate, möglicherweise so lange dauern, wie Putin im Kreml herrscht - auch wenn jetzt schon gekämpft wird, als sei das Ende nah.