Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich früh für einen Wiederaufbau der Ukraine nach dem Vorbild des Marshallplans für Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg ausgesprochen. Wer, wenn nicht Deutschland weiß aus eigener Erfahrung, dass vereinte Hilfe aus dem Ausland die einzige Rettung für eine vom Krieg zerstörte Wirtschaft - und damit für die Zukunft des Landes ist.
Mit dem großen Unterschied, dass Deutschland damals geholfen wurde, obwohl es Tod und Verderben über die Welt gebracht hatte. Die Ukraine hingegen ist das Opfer von Kremlchef Wladimir Putin. Er will den Nachbarstaat vernichten und sich die Reste einverleiben, um Russland und seine Macht zu vergrößern.
Deutschland muss etwas zurückgeben
Es ist die richtige Entscheidung, Kiew nach allen Kräften und mit möglichst vielen internationalen Partnern zu unterstützen. Und es ist gut, dass sich der Bundeskanzler an die Spitze setzt. Deutschland hat sich Dank der einstigen internationaler Wirtschaftshilfen und einem Schuldenerlass im Laufe der Jahrzehnte zur stärksten Volkswirtschaft Europas entwickeln können. Es braucht dieses Zeichen aus Berlin, dass sich Deutschland seiner Stärke bewusst ist - und etwas zurückgibt.
Die Ukraine führt mit bewundernswertem Mut den Kampf gegen das scheinbar übermächtige Russland. Es hält damit auch die Stellung für Freiheit und Demokratie in Europa. Die EU-Länder sind ebenso wie die G7-Staaten in der Verantwortung, nicht nur Waffen zu liefern und die laufenden Kosten für die Aufrechterhaltung des Staates mitzufinanzieren. Sie müssen der Ukraine mit einem Marshallplan auch die Hoffnung geben, dass nach dem kriegsbedingten Niedergang ein neues Leben beginnt. Die Wiederaufbaukonferenz am Dienstag in Berlin wird das nötige Signal dafür senden.
Korruption in der Ukraine
Zwei gewaltige Probleme bestehen aber dabei. Ein Wiederaufbau setzt Frieden voraus. Friedensverhandlungen sind aber nicht in Sicht.
Mit seinem Versprechen von voraussichtlich Hunderten Milliarden Euro für die Ukraine macht der Westen deutlich, dass er Putins Krieg für verloren hält.
Zumindest soll nicht nur mit Waffen, sondern auch mit Geld alles dafür getan werden, dass der Kriegstreiber nicht siegen wird. Aber so lange Putin Bomben wirft, kann der Wiederaufbau nur vorbereitet, aber nicht begonnen werden. Und wenn es bei seiner völkerrechtswidrigen Annexion ukrainischer Gebiete bleibt, wird Putins Russland immer der lebensgefährliche Stachel in der Ukraine bleiben. Das birgt enorme Risiken für Investoren.
Und es besteht eine weitere Unsicherheit, über die jetzt nicht hinweggesehen werden darf: Die Korruption in der Ukraine. Sie war vor dem Krieg ein großes Übel und es wäre naiv zu glauben, dass sie mit dem Krieg verschwunden ist.
Investitionen müssen in die richtigen Bahnen gelenkt werden
Soldatensold und Sozialleistungen mitzufinanzieren, ist eine direkte Leistung, die noch nachprüfbar ist. Aber Geld für den Wiederaufbau, über das die ukrainische Regierung recht frei verfügen kann, könnte ein Risiko sein - auch wenn Kritik an dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj wegen seiner überragenden Stärke für seine Landsleute in diesem Krieges kaum geäußert werden mag.
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Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds und Koordinatorinnen und Koordinatoren der Geberländer werden vonnöten sein, um Investitionen in die richtigen Bahnen zu lenken. Das darf kein Bürokratie-Monster werden, aber ohne diese Kontrolle geht es nicht.
Wenn Länder, die dieses Krise auch hart trifft, bereit sind, der Ukraine Millionen und Milliarden Euro für ihren Wiederaufbau zu geben, müssen sie darauf vertrauen können, dass dieses Geld an seinem Bestimmungsort ankommt: für ein neues, demokratisches, nicht korruptes Leben in der Ukraine.(RND)