Berlin – Die Corona-Infektionszahlen erreichen in diesen Tagen die höchsten Werte seit Beginn der Pandemie. Das Robert Koch-Institut meldete am Sonntag rund 33.500 Neuinfektionen und 55 weitere Todesfälle binnen eines Tages. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 289, nachdem sie am Vortag noch bei 277,4 lag.
Angesichts dessen werden strengere Maßnahmen wahrscheinlicher. Zahlreiche Politikerinnen und Politiker aus Bund und Ländern wollen diese verschärfen – und zwar schnell. Ein Überblick über mögliche neue Regelungen, die nun im Gespräch sind.
Das Ende der epidemischen Lage
Die potenziellen Regierungspartner SPD, Grüne und FDP planen, den Rechtsstatus der epidemischen Notlage am 25. November auslaufen lassen. Die bisherige Rechtsbasis für Corona-Beschränkungen soll durch ein geändertes Infektionsschutzgesetz ersetzt werden, das einen kleineren Katalog möglicher Corona-Maßnahmen rechtlich absichern soll.
Diese Pläne werden allerdings vermehrt kritisiert. So sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Sonntag bei einer Pressekonferenz: „Deutschland ist mit den bisherigen Gesetzen, die geplant sind, null winterfest.“ Am Ende stünde das Land de facto wehrlos da gegen Corona. Auch Hendrik Wüst, nordrhein-westfälischer Ministerpräsident, kritisierte die bisherigen Vorschläge von SPD, Grüne und FDP.
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Die Unionsfraktion im Bundestag will sich nun einem Medienbericht zufolge in der Corona-Krise für eine Verlängerung der „epidemischen Lage“ einsetzen. Wie die „Rheinische Post“ berichtete, soll ein entsprechender Antrag für kommenden Donnerstag zur Beratung und Abstimmung im Bundestag angemeldet werden. Nach dem Willen der Fraktion solle der Bundestag die Sonderlage über den 25. November hinaus feststellen, schrieb die Zeitung unter Berufung auf das ihr vorliegende Papier.
Fraktionsvize Thorsten Frei (CDU) sagte der Zeitung, besonders für die Bundesländer sei nun ein „tragfähiges, rechtliches Instrumentarium“ notwendig. „Die Ampel-Parteien hebeln das nun aus, ohne für adäquaten Ersatz zu sorgen.“ In dieser dramatischen Situation müsse gehandelt werden. „Die Lage hat das Fortbestehen der epidemischen Lage noch nie so sehr gerechtfertigt wie jetzt.“
Homeoffice-Pflicht
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will wieder eine Homeoffice-Pflicht einführen. Das berichtet die „Bild am Sonntag“, die auf einen ihr vorliegenden Gesetzentwurf verweist, den das Bundesarbeitsministerium den Ampelparteien SPD, Grüne und FDP vorgelegt haben soll. Auch die 3G‑Pflicht am Arbeitsplatz ist demnach vorgesehen.
„Der Arbeitgeber hat den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen“, zitiert das Blatt aus dem entsprechenden Gesetzentwurf. Und weiter: „Die Beschäftigten haben dieses Angebot anzunehmen, soweit ihrerseits keine Gründe entgegenstehen.“
3G am Arbeitsplatz hält auch Verdi-Chef Frank Werneke für „angemessen und notwendig“, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. „Wenn die Beschäftigten keinen Impfnachweis vorlegen müssen, bleiben ihre Persönlichkeitsrechte gewahrt“, so Werneke. Ebenso sprach sich Grünen-Chef Robert Habeck gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe für 3G am Arbeitsplatz sowie einer stärkeren Nutzung von Homeoffice aus.
2G-Plus
Dass die 2G-Regel bundesweit eingeführt wird, scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Allerdings planen SPD, Grüne und FDP offenbar weitere Verschärfungen. „Die Erhöhung der Sicherheit auf 2G plus, also das Testen von Geimpften, ist der logisch nächste Schritt, sobald die Testzentren wieder flächendeckend aufmachen“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Für diesen Vorschlag hatte sich auch Jens Spahn zuletzt ausgesprochen.
Sein Parteifreund, Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), lehnt die Einführung einer 2G-plus-Regel bei öffentlichen Veranstaltungen allerdings ab. Man sollte nicht den Geimpften, „die alles für den Gesundheitsschutz getan haben, jetzt als erstes die nächste Pflicht auferlegen“, sagte Wüst dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Impfpflicht
Eine generelle Impfpflicht möchte die Bundesregierung auch jetzt nicht einführen. Dafür bringen immer mehr Politikerinnen und Politiker eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen ins Spiel. Laut „Tagesspiegel“ werde zwischen SPD, Grünen und FDP eine Impfpflicht etwa für Pflegekräfte oder andere Berufe mit viel Kontakt zu vulnerablen Gruppen diskutiert.
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte hält eine bundesweite Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen für denkbar. „Wir werden angesichts der Zuspitzung der Lage in Teilen Deutschlands über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nachdenken müssen“, sagte der SPD-Politiker dem Nachrichtenportal „watson“. Auch CSU-Chef Markus Söder forderte am Sonntag eine Impfpflicht für bestimmte Berufe.
Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte
Ein Lockdown für Ungeimpfte, wie es in Österreich von Montag an der Fall sein wird, plant in Deutschland zurzeit niemand. Markus Söder betonte, das sei verfassungsrechtlich schwierig. Dafür brachte er einen anderen Vorschlag ins Spiel: „Wir brauchen die Möglichkeit von Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte“, sagte er am Sonntag in München.
Grünen-Chef Robert Habeck äußerte sich ähnlich. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte er: „Kontaktbeschränkungen sind schmerzliche Einschnitte, das wissen wir alle noch zu gut. Aber angesichts der dramatischen Lage können sie für Ungemipfte regional nötig werden.“ Entsprechendes sollte im überarbeiteten Infektionsschutzgesetz berücksichtigt werden.
3G im Bahnverkehr
Einige Politiker sprechen sich nun für die Anwendung der 3G‑Regel im Zugverkehr. Reisende müssten dann geimpft, genesen oder getestet sein. „Ja, auch das Bahnfahren muss sicherer werden. Aus meiner Sicht sollte hier 3G hier gelten, darüber werden wir reden müssen“, sagte Grünen-Chef Robert Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der „Bild am Sonntag“: „3G sollte auch in Zügen gelten. In dieser Corona-Situation ist es unverantwortlich, dass Menschen ungeimpft und ungetestet in vollen Zügen im Fernverkehr stundenlang eng neben anderen Passagieren sitzen.“
Am Donnerstag wird entschieden
Das überarbeitete Infektionsschutzgesetz und weitere Gesetze zur Aufhebung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite sollen am Donnerstag vom Bundestag verabschiedet werden, der Bundesrat könnte am Freitag in einer Sondersitzung entscheiden.
Am Donnerstag steht auch die nächste Bund-Länder-Konferenz auf dem Plan, wo es ebenfalls um die nächsten Schritte gehen soll, wie die vierte Welle noch zu brechen wäre. (rnd, dpa)