Geschenkpapier, Tanne, GansDie größten Klimasünder an Weihnachten
Die Vorfreude ist schon da. Und das schlechte Gewissen auch. Ganz besonders in diesem Jahr, in dem wir über wenig anderes so heftig diskutiert haben wie über den Klimawandel. Da eignet sich das Weihnachtsfest ganz besonders und im doppelten Sinne zur inneren Einkehr. Weihnachten hat sich längst zum Fest von Konsum und Völlerei ausgewachsen – hinzu kommt die neue Arbeits- und Lebenswelt, in der die Familienmitglieder aus fernen Winkeln der Welt oder zumindest der Republik zum gemeinsamen Feiern anreisen müssen. Sind nicht auch viele unserer Festtagsbräuche kleine oder große Ökofrevel – angefangen mit dem Weihnachtssymbol schlechthin, der für eine Woche herausgeputzten, aber eben gefällten Tanne? Experten von Umweltbundesamt, Öko-Institut, Naturschutzbund, dem Emissionsrechner Atmosfair, der Deutschen Umwelthilfe und Greenpeace haben zahlreiche Studien vorgelegt: Wie groß ist der Klimaschaden durch die millionenfach abgeholzten CO2-Speicher im Wald, durch den Müll und die Abgase bei Geschenkund Angehörigentransport? Er ist groß. Doch es gibt auch eine frohe Botschaft: Fürchtet euch nicht – macht es besser. Die Studien zum ökologischen Fußabdruck des Weihnachtsmannes zeigen viele Wege auf, wie man klimafreundlich feiern kann.
Geschenkpapier
Richtig gewickelt Weihnachten fängt einmal an, wenn das bunte Papier auf den Tisch kommt und die Geschenke eingewickelt werden. Und ein zweites Mal, wenn alles wieder ausgepackt wird. Das Ritual hat Folgen: Mindestens 8000 Tonnen Papiermüll fallen an den Feiertagen hierzulande an. Fürsorgliche Zeitgenossen gehen beim Auspacken behutsam vor, um die Umhüllung wiederzuverwenden, das verbessert die Ökobilanz. Fliegen allerdings die Fetzen und wird das Papier dann in der Müllverbrennungsanlage „thermisch verwertet“ um zumindest noch Strom und Wärme zu erzeugen, fällt die Ökobilanz schlecht aus: Nur rund 20 Prozent der Energie, die zur Herstellung des Papiers benötigt wurde, können tatsächlich nutzbar gemacht werden.
Erheblich besser sieht es aus, wenn die bunten Reste in der Papiertonne landen. Gebrauchtes Material ist hierzulande längst der wichtigste Rohstoff der Papierbranche. So können Bäume als Lieferanten der Fasern geschont werden. Aber: Je aufwendiger das Papier hergestellt wurde, umso aufwendiger ist auch die Aufbereitung. So werden Produkte immer beliebter, die mit hauchdünner farbiger Aluminiumfolie beschichtet sind. Zum Recycling müssen dann erst einmal Papier und Alu unter Beigabe von viel Wasser und Wärme wieder getrennt und die Fasern entfärbt werden. Echte Klimaretter bevorzugen einfaches bedrucktes Geschenkpapier – oder noch besser ganz puristisch Pack- oder Zeitungspapier. Schleife drum, Karte dran, aufs Schenken freuen.
Shoppen
„Ich muss noch für...“, „Ich hab noch nichts...“ – der Geschenkekauf ist die nervenaufreibendste Beschäftigung in der Adventszeit. Unter ökologischen Gesichtspunkten lautet die zentrale Frage: Soll ich in die Stadt fahren und durch die Läden stromern oder einfach alles online bestellen? Der Onlinehandel hat einen schlechten Ruf, unter anderem wegen mieser Bezahlung der Paketzusteller und großer Lieferfahrzeuge, die die Straßen versperren. Aus Klimaschutzperspektive aber liegt er in den meisten Fällen vorne. Das Öko-Institut hat anhand eines Schuhkaufs errechnet, dass bei einer Onlinebestellung nur gut 1000 Gramm CO2-Emissionen entstehen – inclusive Rücksendung bei Nichtgefallen. 1270 Gramm werden in die Luft geblasen, wenn der Kunde zwecks Schuhkauf in die zehn Kilometer entfernte Stadt fährt – wohlgemerkt mit dem Rad. Der große Nachteil des stationären Handels ist der Energieaufwand fürs Heizen und Beleuchten des Geschäfts.
Wenn der Schuhkäufer die zehn Kilometer dann auch noch mit dem Auto fährt, steigt die CO2-Bilanz auf satte 3270 Gramm. Aber: Die Effizienz lässt sich deutlich steigern, wenn möglichst viele Geschenke bei einer Einkaufsfahrt gekauft werden – so, wie ja auch die großen Lieferfahrzeuge in einer Tour Dutzende Pakete in eine Straße bringen. Das reduziert den CO2-Ausstoß erheblich. Um ein Vielfaches sogar, wenn sich Nachbarn für die Einkaufstour zusammentun. Oder wenn das Fest der Freude mal ganz ohne das große Shoppen auskommt. Ein „Erlebnisgeschenk“, ein schönes Essen, ein Konzert, eine Radtour, ist nicht nur die umweltfreundlichste Art des Gebens. Wer gemeinsame Zeit schenkt, signalisiert, dass er den Zeitgeist verstanden hat.
Die Familie besuchen
Weihnachten bin ich zu Hause. Wiedervereinigung unterm Weihnachtsbaum, das ist für viele Familien eine Sehnsucht und ein Muss. Wie hinkommen aber? Am besten mit dem Reisebus. Meint jedenfalls das Umweltbundesamt (UBA). Dessen Zahlen zufolge ist der Bus das klimafreundlichste unter den Verkehrsmitteln für längere Strecken. 32 Gramm CO2 pro Kilometer gibt das UBA pro Person und Kilometer an, bei einer Auslastung von 60 Prozent. Die Bahn mit ICE oder IC liegt nur knapp darüber. Zugrunde liegt den Bahnberechnungen ein Strommix, der sich auf das Jahr 2017 bezieht. Inzwischen ist der Anteil der Erneuerbaren merklich gestiegen. Da kann kein Pkw mithalten. Oder? Ein sparsamer Diesel bläst um die 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer aus dem Auspuff. Doch wenn vier Personen in dem Fahrzeug sitzen, sind das auch nur noch 33 Gramm pro Person und Kilometer – und bei der Mobilität ist immer die Auslastung der entscheidende Faktor. Auch in der Weihnachtszeit, einer Hauptreisezeit. Und auch in der Luft.
Wer zu Eltern und Geschwistern fliegen will, wer die Feiertage in wärmeren Gefilden verbringen oder eine Reise verschenken will, darf ruhig ein bisschen rechnen. Ein Flug von Berlin nach Mallorca und zurück bedeutet nach Angaben der Non-Profit-Organisation Atmosfair eine CO2-Belastung von rund 630 Kilogramm, das ist fast ein Drittel des gesamten CO2-Fußabdrucks eines Durchschnittsdeutschen für Mobilität – in einem Jahr. Wer da ein schlechtes Gewissen kann das mit Kompensationszahlungen beruhigen. Einige Airlines bieten diese freiwilligen Spenden an, die Klimaschutzprojekten zugute kommen. Da wird dann zum Beispiel Biogas in Nepal oder die Stromerzeugung aus Ernteresten in Indien gefördert. Kann man ruhig aufs geschenkte Flugticket mit draufschreiben.
Weihnachtsgans
Wer klimatechnisch sichergehen will, tischt seinen Lieben am Weihnachtabend natürlich ein veganes Menü auf. Die Produktion von Fleisch setzt bekanntlich reichlich CO2 frei, das man am besten mit pflanzlicher Nahrung vermeidet. Für alle, denen das zu weit geht, ist laut Experten der Braten der Wahl: die heimische Bio-Gans.
Denn auf einem Biobauerhof, wo die Tiere Auslauf haben und sich von Gras, Körnern, Schnecken und besonders gern von Fallobst ernähren, kommt nur wenig eigens angebautes Futter zum Einsatz. Dadurch wachsen die Gänse relativ langsam, was die Fleischqualität begünstigt. Und mit ihren Fressgewohnheiten passen sie gut zu ökologisch wertvollen Böden mit einem hohen Gehalt organischer Substanzen, die nicht nur große Mengen an Nährstoffen und Wasser, sondern auch viel Kohlenstoff speichern können.
Laut Naturschutzbund werden zur Produktion von einem Kilogramm Gänsefleisch nur rund drei Kilogramm Kohlendioxid in die Luft geblasen. Ein Kilo Rindfleisch verursacht dagegen mehr als 13 Kilogramm Klimagase, und die Wiederkäuer stoßen überdies auch Methan aus, das 20 Mal schädlicher ist als Kohlendioxid.
Allerdings: Gans ist nicht gleich Gans. Aus Polen und Ungarn kommen Tiere, die in drei Monaten gemästet und dafür mit speziellem Futter zwangsernährt werden. Nicht selten müssen diese Tiere überdies leiden, weil sie lebend gerupft werden. Auch Antibiotika und anderer Tierarznei kommt zum Einsatz. Bei Biobauern ist all dies nicht zulässig. Wer Gänse von Landwirten der Öko-Anbauverbände Demeter oder Bioland an Weihnachten auf dem Tisch haben will, sollte aber rechtzeitig vorbestellen: Das Angebot ist begrenzt.
Der Tannenbaum
Vier Wochen vor Weihnachten beginnt das große Baumsterben. Das exzessive Tannenfällen für Dekozwecke bekümmerte schon Naturfreunde früherer Jahrhunderte. Jetzt kommt das Wissen hinzu, dass der Baum, bliebe er stehen, noch für Jahrzehnte CO2 aus der Atmosphäre saugen könnte. Aber ist die Bio-Tanne wirklich eine Alternative, die dem Klima hilft? Das Angebot ist jedenfalls enorm groß: Fast alle Anbieter von Öko-Lebensmitteln bieten zum Fest auch Nadelgehölz an – in der Regel Pflanzen, die ohne mineralischen Dünger und Pflanzenschutzmittel großgezogen wurden. Der erst in diesem Sommer gegründete „Verband Natürlicher Weihnachtsbaum“ empfiehlt dagegen Bäume von Plantagen, auf denen nach dem Kahlschlag immer wieder nachgepflanzt wird. So werde das Klima geschützt. Zudem gibt es in den Wäldern Anbauflächen, wo Fichten und Tannen ohnehin nach einigen Jahren gefällt werden müssen, etwa weil sie unter Stromtrassen wachsen.
Vor allem aber kommt es auf die Entsorgung an: Landet der Baum nach dem Fest in der Müllverbrennungsanlage, wird das CO2, das er während seines kurzen Lebens gespeichert hat, in die Atmosphäre abgegeben. Gebunden bleibt es, wenn er gehäckselt und die Späne für Möbel oder Baumaterial verwendet werden.
Die vielgepriesene Lösung, Bäume mit Wurzelballen zu kaufen, scheitert oft daran, dass viele davon jämmerlich eingehen, wenn sie nach dem Fest ausgesetzt werden. Forstexperten empfehlen, sie an einem kühlen Ort aufzubewahren, regelmäßig zu gießen und erst im Frühjahr auszupflanzen.
Als Alternative zum Natur- wird auch der Plastikbaum immer beliebter – schon, weil er nicht nadelt. Aber Plastik zum Klimaschutz? Ja, das funktioniert – wenn der Baum mindestens sieben Jahre genutzt wird, um den CO2-Verbrauch bei der Herstellung auszugleichen.
Und sogar der Baumschmuck wurde schon kritisch geprüft: Konventionelle Kugeln bestehen häufig aus Glas und wurden mit hohem Energieaufwand hergestellt. Statt sie neu zu kaufen, greift der Klimaschützer zu Naturmaterial wie Kieferzapfen, Strohsterne oder wie einst zu getrockneten Apfelscheiben.
Geschenke
Klimafreundlich schenken. Gibt es das? Es ist sogar recht einfach. Die Faustformel lautet nämlich: möglichst Langlebiges schenken. Ein Beispiel macht es deutlich. Der Otto-Versand hat von Experten die Öko-Bilanz eines weißen Longshirts für Frauen berechnen lassen. Das Ergebnis: Die Textilie wiegt zwar nur 220 Gramm. Doch im Laufe ihres „Lebens“ – von der Baumwollplantage bis zu Entsorgung - erzeugt sie elf Kilogramm Kohlendioxid. Allein zwei Drittel davon gehen für die Herstellung, den Transport und das Marketing drauf.
Nur gut 30 Prozent fallen während des Gebrauchs an. Dabei wird unterstellt, dass das Shirt 55 Mal gewaschen und gebügelt wird. Ein hoher Wert, viele Billig-Textilien halten so lange gar nicht durch. Wird das Longshirt früher entsorgt und durch ein neues ersetzt, fallen Energieaufwand und CO2-Ausstoß, die vor dem Verkauf entstehen, noch deutlich stärker ins Gewicht. Vor allem die Abläufe in der Näherei inklusive des abschließenden Bügelns machen sich bemerkbar.
Noch größerer Klima-Frevel sind die als Weihnachtsgeschenk ebenfalls beliebten Smartphones: Hier entsteht sogar gut 80 Prozent der gesamten CO2-Last bei der Herstellung und Vertrieb. Das sind nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe um die 48 Kilogramm CO2. Zwar ist auch die Gewinnung der Rohstoffe aufwendig – Gold, Silber, Kupfer und seltene, sehr teure Metalle gehören dazu. Doch auch dort ist das Geschehen in der Fertigungsstätte entscheidend.
Negativ macht sich hier bemerkbar, dass sich viele Fabriken in China und anderen asiatischen Ländern befinden, wo der Strom sehr häufig aus Kohlekraftwerken kommt. Die elektrische Energie, die das Smartphone dann während der Nutzungsphase verbraucht, spielt bei der Gesamtbilanz nur eine untergeordnete Rolle. Die Geräte werden hierzulande im Schnitt nur gut zweieinhalb Jahre genutzt. Wird das Handy länger eingesetzt, verbessert der Nutzer die Klimabilanz merklich.