Berlin – Ab 1. Januar 2022 ist das massenhafte Töten männlicher Küken in der Legehennenzucht verboten. Das legt ein in Kraft tretendes Bundesgesetz fest, das im Mai 2021 vom Bundestag beschlossen worden ist. Ausnahmen gibt es lediglich für Maßnahmen bei Tierseuchen oder für Tierversuche.
Bis dahin sind jährlich rund 45 Millionen männliche Küken kurz nach dem Schlüpfen routinemäßig getötet worden. Grund: Für Brütereien sind sie unwirtschaftlich, weil männliche Küken keine Eier legen und auch nicht so viel Fleisch ansetzen. Die Tiere werden zumeist mit Gas getötet.
2024 werden Regelungen bei der Geschlechtsbestimmung im Ei verschärft
Alternativ werden inzwischen Verfahren eingesetzt, mit denen das Geschlecht bereits im Ei ermittelt werden kann. Ab 1. Januar 2024 werden die Regelungen bei der Geschlechtsbestimmung im Ei verschärft. Dann sollen nur noch Methoden erlaubt sein, die frühzeitig funktionieren – ab dem siebten Tag des Bebrütens sollen Eingriffe dann tabu sein. Insgesamt dauert es 21 Tage, bis Küken schlüpfen.
Der Gesetzgeber verfolgt das Ziel, dass Tierschutz und Wirtschaftlichkeit zusammen möglich sein sollen. Das Bundesagrarministerium will verhindern, dass Brütereien ins Ausland abwandern und dann Eier aus Ländern importiert werden, für die ein solcher Ausstieg noch keine Rolle spielt.
Wie viele Eier verbrauchen die Deutschen?
Statistisch gesehen verbraucht jeder Deutsche jährlich 239 Eier. Die Hälfte wird als Schalen-Ei konsumiert, die andere Hälfte über verarbeitete Lebensmittel und Backwaren.
So reagiert der Handel auf das Verbot
Handelsunternehmen haben sich schon frühzeitig für Verfahren starkgemacht, die verlässlich und so zeitig wie möglich das Geschlecht bereits im Ei bestimmen können, sagte ein Sprecher des Bundesverbands des Deutschen Lebensmittelhandels (BVLH) dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Außerdem fördere der Handel sogenannte Bruderhahnhonzepte, bei denen die männlichen Küken zum Beispiel als Masthähne aufgezogen werden.
Das sagt die Geflügelwirtschaft
„Die deutsche Eierwirtschaft beweist seit vielen Jahren, dass sie verantwortlich für Mensch, Tier und Umwelt zu handeln bereit ist“, sagt Henner Schönecke, Vorsitzender des Bundesverbands Ei im Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (BVEi). Er sieht mit dem Ausstieg aus dem Töten von Eintagsküken die deutschen Brütereien in einer „globalen Vorreiterrolle“ in der professionellen Eiererzeugung.
Was ist mit Eiern in verarbeiteten Produkten?
Meist stammen Eier in verarbeiteten Produkten aus dem Ausland und aus Erzeugungsketten, in denen die Praxis des Kükentötens weiterhin an der Tagesordnung ist, kritisiert BVEi-Chef Schönecke. Der Lebensmitteleinzelhandel müsse eine Selbstverpflichtung eingehen, auch bei Fertigprodukten ausschließlich auf Erzeugungsketten ohne Kükentöten zurückzugreifen, und diese Produkte entsprechend zu kennzeichnen, fordert er.
„Für die Auslobung auf der Packung, sowohl von Schalen-Eiern als auch von Eiprodukten, gelten dann natürlich die neuen gesetzlichen Vorschriften“, versichert der BVLH. Für die Kontrolle der Einhaltung des Kükentötungsverbots seien die staatlichen Überwachungsämter zuständig.
Ist der Tierschutz zufrieden?
„Das ist ein lange überfälliger Schritt, aber aus Tierschutzsicht nicht konsequent genug“, sagte Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, dem RND. „Zwar wird kein geschlüpftes männliches Küken mehr getötet, aber die Legehenne bleibt eine Eierproduktionsmaschine, mit bitteren Folgen für das Tier. Der Kükenmord ist eine Systemfrage.“
Wo muss nachgelegt werden?
Für die Aufzucht und die Schlachtung der Bruderhähne fehlen nach wie vor gesetzliche Vorgaben, kritisiert der Tierschutzbund. Außerdem fehle Transparenz. „Den meisten Verbrauchern ist nicht bewusst, dass auch für Eier, die der Handel bereits mit der Angabe ‚ohne Kükentöten‘ vermarktet, schmerzempfindliche Embryonen oder sogar Küken getötet wurden“, so Tierschutzbund-Präsident Schröder. „Zudem gibt es für verarbeitete Eier keine Kennzeichnungspflicht.“
Die Regierung müsse schnellstmöglich eine politische Gesamtstrategie erarbeiten und die Förderung von gesünderen und robusteren Hühnerrassen – sogenannten Zweinutzungshühnern – vorantreiben, verlangt der Tierschutzbund.
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In Hinblick auf die Verschärfung des Gesetzes zum 1. Januar 2024, wonach Eingriffe zur Geschlechtsbestimmung an einem Hühnerei nur noch bis zum siebten Bebrütungstag gestattet sind, müssten die Brütereien auch in der Lage sein, technische Verfahren einzusetzen, die solche Vorgaben zuverlässig und praxistauglich umsetzen können, fordert der Lebensmittelhandel. „Diese Fähigkeit ist eine essenzielle Voraussetzung für die Sicherstellung der Verfügbarkeit von Ware aus Deutschland“, so ein Sprecher.
Wie ist die Lage in Europa?
Österreich, Frankreich, Deutschland, Irland, Luxemburg, Portugal und Spanien haben im Sommer 2021 die EU-Kommission aufgefordert, die notwendige Folgenabschätzung für ein Verbot der systematischen Tötung männlicher Küken in der Europäischen Union – auch unter Berücksichtigung des Tierschutzes vor dem Schlupf der Küken – im Rahmen der anstehenden Überarbeitung der EU-Tierschutzgesetzgebung bereits jetzt einzuleiten.
Aufgrund unterschiedlicher Rahmenbedingungen in den jeweiligen Ländern würden jedoch nicht immer identische Regelungen getroffen, heißt es aus dem Bundesagrarministerium.