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Nord-Stream-WartungEine Pipeline liefert noch Gas nach Deutschland – doch wie viel?

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Das Gazprom-Logo auf einer Niederlassung des russischen Staatskonzerns in St. Petersburg.

  1. Nach dem Beginn der Wartungsarbeiten an Nord Stream 1 gibt es nur noch eine Pipeline, durch die russisches Gas nach Deutschland fließt – zumindest theoretisch.
  2. Auch bei dieser Röhre gehen Liefermengen plötzlich zurück, obwohl Gazprom angekündigt hat, mehr Gas zu liefern.
  3. Was steckt dahinter?

Tag zwei der Nord-Stream-Wartung, und Deutschland hält weiter die Luft an. Wird Russland nach Abschluss der Arbeiten seine Gaslieferungen wieder aufnehmen oder bleibt der Hahn für immer zu? Davon hängt maßgeblich ab, wie sich die Wirtschaft und auch die Verbraucherpreise im zweiten Halbjahr und darüber hinaus entwickeln werden.

Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck ist laut eigenem Bekunden ahnungslos. „Ich habe keine geheime Information, weder in die eine noch in die andere Richtung“, sagte der Grünen-Politiker am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. „Aufs Schlimmste vorbereiten, aufs Beste hoffen“, lautet seit Tagen seine Devise.

Immerhin hat es die Bundesregierung geschafft, Russland einen wichtigen Vorwand für die bereits vor der Wartung deutlich reduzierte Liefermenge durch die Ostsee-Pipeline zu nehmen. Eine von Siemens Energy in Kanada gewartete Gasturbine, die wegen kanadischer Sanktionen nicht ausgeführt werden durfte, soll sich auf den Weg zu ihrem Bestimmungsort befinden. Habeck persönlich hatte die kanadische Regierung um eine Ausnahme per Einzelfallentscheidung gebeten.

Selenskyj sauer auf Kanada und Deutschland

In der Ukraine ist die Verärgerung über die Entscheidung nach wie vor groß. „Wenn ein terroristischer Staat eine solche Ausnahme bei den Sanktionen durchsetzen kann, welche Ausnahmen will er dann morgen oder übermorgen? Diese Frage ist sehr gefährlich“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Blick auf Russland in einer Videobotschaft. Die Gefahr bestehe nicht nur für die Ukraine, sondern für alle Länder der demokratischen Welt, so der ukrainische Präsident weiter.

Die Ausnahme bei den Sanktionen werde in Moskau als Schwäche wahrgenommen, warnte Selenskyj „Das ist ihre Logik. Und jetzt besteht kein Zweifel daran, dass Russland versuchen wird, die Gaslieferungen nach Europa nicht nur so weit wie möglich einzuschränken, sondern im akutesten Moment vollständig einzustellen.“

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Die Lesart der Bundesregierung ist eine andere. Die Lieferung der Turbine verstoße nicht gegen EU-Sanktionen, heißt es in Berlin. Der Gastransit sei sehr bewusst davon ausgenommen worden. Hinter vorgehaltener Hand verweist man in Berliner Regierungskreisen darauf, dass auch die Ukraine von Gaslieferungen aus Russland profitiere und die Gebühren gerne annehme, die Gazprom regelmäßig für den Transit nach Kiew überweise.

Die Transgas-Pipeline über die Ukraine und Tschechien ist die letzte Röhre, durch die Russland noch Gas in Richtung Deutschland liefert. Wieviel das ist, darüber gibt es derzeit widersprüchliche Angaben.

Auch in Bayern kommt kein Gas mehr an

Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte Russland am Montag vorgeworfen, aus politischen Gründen weniger Volumen über die Transgas-Leitung zu liefern als technisch möglich wäre. „Die Regierung in Moskau könnte die Liefermengen durch die Ukraine jederzeit erhöhen, um ihre vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dazu fehlt Waldimir Putin aber offenbar der politische Wille“, hatte Müller dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) gesagt.

Am Dienstag dann verkündete Gazprom, dass Russland seine Lieferungen über die Ukraine erhöht habe – von 39,4 Millionen Kubikmeter zu Wochenbeginn auf nun 41,3 Millionen Kubikmeter. Überprüfen lassen sich diese Angaben nicht, denn es dauert bis zu zwei Tage, ehe die zusätzlichen Liefermengen Deutschland erreichen würden - wenn sie überhaupt in Deutschland ankommen und nicht über das verzweigte europäische Pipelinenetz nach Süden geleitet werden.

Gasmengen am Übergabepunkt in Bayern drastisch gesunken

Laut Lagebericht der Bundesnetzagentur sind die Gasmengen, die am Übergabepunkt Waidhaus in Bayern ankommen, am Montag sogar drastisch gesunken – von rund 20 Millionen Kubikmeter auf nahezu null. In Waidhaus erreicht die Transgas-Pipeline Deutschland, allerdings kommt dort auch eine Röhre von Norden an, die Gas aus der Nord Stream-Pipeline über Ostdeutschland und Tschechien nach Bayern transportiert.

Der aktuelle Einbruch ist also eine Folge der Nord Stream-Wartung und war auch in den vergangenen Jahren im Sommer stets zu sehen. Dass Russland nun allerdings mehr Gas liefern würde, halten Insider für Kreml-Propaganda. Dafür gebe es auch aus der Ukraine keine Bestätigung.