Europäische Staats- und Regierungschefs haben Trump äußerlich milder gestimmt. Doch ohne klare US-Sicherheitsgarantien muss die Ukraine um ihren Bestand fürchten, kommentiert Karl Doemens.
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Selenskyj-BesuchWie ein Mafiaboss erpresst: Trump tauscht heute Bodenschätze gegen schöne Worte
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US President Donald Trump meets with unseen Indian Prime Minister Narendra Modi, in the Oval Office of the White House in Washington, DC, on February 13, 2025. (Photo by Jim WATSON / AFP)
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Sie haben wirklich alles gegeben: Erinnerungen an gemeinsame Abendessen auf dem Eiffelturm. Handgeschriebene Einladungen von König Charles. Eine Sturzflut an Superlativen. Schmeicheleien und Unterwürfigkeiten bis jenseits der Schmerzgrenze. Es scheint, als hätten der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Keir Starmer bei ihren Begegnungen mit Donald Trump in dieser Woche diplomatisch wettmachen wollen, was Europa militärisch in den vergangenen Jahren zu wenig zur Unterstützung der Ukraine geleistet hat.
Äußerlich wirkt die Last-Minute-Offensive zur Unterstützung des von Russland überfallenen Landes an der überraschend eröffneten Westfront durchaus erfolgreich: Der US-Präsident berät sich mit den Europäern, bevor er mit Putin redet. Er bekundet „sehr viel Respekt“ für den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, den er noch vor kurzem einen „Diktator“ nannte, woran er sich nun angeblich nicht mehr erinnern kann. Er empfängt Selenskyj im Weißen Haus und prophezeit, dass er mit dem Gast „sehr gut klarkommen“ werde.
Ein paar Abmilderungen des „Deals“ konnte Selenskyj noch durchsetzen
Das alles klingt zusammen mit dem „großartigen Deal“, der heute besiegelt werden soll, recht positiv. Das Abkommen über die im Osten der Ukraine vermuteten gewaltigen Rohstoffvorkommen hatte für Trump von Anfang an Priorität. Er hat es wie ein Mafiaboss erpresst. Ein paar Abmilderungen immerhin konnte Selenskyj noch durchsetzen. So erhalten die Amerikaner zwar die Mehrheit, aber nicht sämtliche Anteile eines Investmentfonds, in den die Ukraine die Hälfte ihrer Rohstoff-Erlöse einzahlen muss. Und es stehen keine Forderungen von 500 Milliarden Dollar im Vertragstext, obwohl Trump in seinen reden trotz aller Ermahnungen weiter mit zwei- oder dreifach überhöhten Fantasiezahlen operiert.
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Die Aussicht auf dringend benötigte wertvolle Bodenschätze, so ist die Hoffnung, wird das Interesse an der Ukraine bei Trump wachhalten und verhindern, dass er das Land seinem Autokratenfreund Wladimir Putin einfach überlässt. Tatsächlich hat Trump angedeutet, dass er sich eine weitere militärische Unterstützung durch die USA bis zu einem Friedensschluss vorstellen kann, obgleich er darauf beharrt, dass der Mineralien-Deal eine Kompensation nur für die Hilfen in der Vergangenheit sei.
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Donald Trump (r) und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj geben sich bei einem Treffen im Trump Tower im September 2024 bei einem Treffen die Hand.
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Doch damit enden die guten Nachrichten. Das weitere Schicksal der Ukraine ist heute ungewisser denn je. Trotz aller Mahnungen der Europäer sind Trump die Verbrechen Moskaus gleichgültig. „Russland verhält sich gut“, sagte er am Donnerstag ernsthaft, während Raketen, Marschflugkörper und Drohnen über der Ukraine niedergingen. Zu seinem Kumpel Putin hat er offenkundig mehr Vertrauen als zu den Nato-Verbündeten. „Ich denke, er wird sein Wort halten“, sagt er ernsthaft über den Mann, der das Minsker Friedensabkommen gebrochen hat.
Hier liegt die enorme Gefahr für die Ukraine: Trump will ein Abkommen, mit dem er sich als größter „Peacemaker“ aller Zeiten feiern lassen kann. Der Rest ist ihm egal. Unzählige Male wiesen Macron und Starmer in freundlichen Worten darauf hin, dass ein Friedensabkommen ohne Sicherheitsgarantien wertlos sei. Doch genau die fehlen in dem Rohstoffdeal. Selbst wenn die Europäer eigene Friedenstruppen schicken würden, bräuchten diese einen „Backstop“ - ein Auffangnetz in Form einer amerikanischen Zusage, im Falle des Falles zu Hilfe zu kommen, wie Macron und Starmer eindringlich betonten. Ein ums andere Mal ließ Trump seine Gäste auflaufen und verweigerte diese Zusicherung.
Der für das Überleben der Ukraine wichtigste Punkt bleibt damit offen - eine fatale Entwicklung. Doch mehr als an Trump appellieren können Selenskyj und die Europäer nicht. Und der narzisstische Dealmaker im Weißen Haus - das haben die vergangenen Tage gezeigt - lässt sich selbst von peinlichsten Lobhudeleien nur begrenzt beeindrucken.